EggenLend – Das Dorf in der Stadt

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Lebendige Nachbarschaften sind das Ziel, das sich die „Stadtteilarbeit EggenLend“ vor genau 44 Monaten gesetzt hat. Die Bedeutung dieser Art des Zusammenlebens zeigt ein Blick in das Viertel.

Die Vinzenzgasse in Eggenberg – Heimat zahlreicher lebendiger Nachbarschaften. Foto: Markus Röck

Es ist früher Nachmittag im Lokal Alt-Eggenberg in der Vinzenzgasse. „Franz, hättest noch eine Runde für uns?“, hallt es von einem Tisch zur Theke. Franz Bergles, der Inhaber des Lokals, erfüllt den Wunsch sofort. Seit dreißig Jahren arbeitet er als selbstständiger Gastwirt im Bezirk Eggenberg. Er kennt seine Gäste und seine Gäste kennen ihn. Gute Nachbarn seien für ihn immer schon wichtig gewesen: „Einmal war meine Fensterscheibe hier im Lokal kaputt. Da hat mir mein Nachbar sofort geholfen“, sagt Bergles. Der aus Gratwein stammende Gastwirt bemühe sich auch selbst stets, seinen Nachbarn zu helfen und für sie da zu sein, sollten sie seine Hilfe benötigen.

Im Alt-Eggenberg und draußen auf den Straßen ist an diesem Tag mehr los als sonst. Auf der anderen Straßenseite, im Stadtteilbüro EggenLend, trifft sich die Nachbarschaft, um das 44-monatige Bestehen der Institution zu feiern. Auch die umliegenden Geschäfte – darunter ein Friseur, ein Schlüsselmacher und das Lokal von Franz – sind zur Feier eingeladen und nutzen die Gelegenheit, um mit ihren Nachbarn in Kontakt zu kommen.

Er wohnt zwar in Gratwein, arbeitet aber seit drei Jahrzehnten in Eggenberg – Franz Bergles. Foto: Markus Röck

Kostenlos, aber nicht umsonst

Mit einer Kamera ausgerüstet, verlässt Franz sein Lokal. Wenige Meter neben seinem Geschäft ist ein neuer Nachbar eingezogen, der im Zuge des Jubiläums gerade seine Eröffnung feiert. Im sogenannten Kostnix-Laden sollen von diesem Tag an kostenlose Produkte angeboten werden. Nach dem Prinzip „Von Eggenbergern für Eggenberger“ kann jeder Waren abgeben und im Gegenzug auch wieder welche mitnehmen. Damit will man erproben, ob die Bewohner von Eggenberg ein solidarisches Tauschprojekt überhaupt annehmen. Initiiert wurde das Projekt vom Stadtteilbüro, in Zukunft sollen aber die NachbarInnen selbst den Kostnix-Laden führen.

Seham, eine Praktikantin aus dem Stadtteilbüro, übernimmt gemeinsam mit der Eggenbergerin Monika, die eigentlich im Alt-Eggenberg arbeitet, die Betreuung des Ladens. Beide arbeiten hierfür ehrenamtlich ohne Bezahlung. Zwar wohne Seham eigentlich im Bezirk Gries, aber auch hier in Eggenberg habe sie schon gute Erfahrungen mit der Nachbarschaft gemacht. „Nachbarschaft bedeutet für mich Zusammenhalt und Zusammenleben. Falls ich etwas brauche, kann ich mich immer auf meine Nachbarn verlassen“, sagt sie. Durch ein Entgegenkommen der Mieterin und eine Förderung des Bezirksrates sind die Mietkosten des Ladens für die nächsten zwei Monate gedeckt. In der Zeit danach benötige man jedoch weitere Geldgeber und zusätzliche ehrenamtliche Mitarbeiter, um den Kostnix-Laden zu erhalten.

Monika und Seham hoffen auf weitere Unterstützung bei der Betreuung des Kostnix-Ladens. Foto: Markus Röck

Nachbarschaft im EggenLend

Etwas später hat sich die Nachbarschaft wieder im Stadtteilbüro eingefunden. Auch Franz ist kurz dabei, ehe er ins Alt-Eggenberg zurückkehrt. Ein Nachbarschaftsdialog steht auf dem Programm. Gemeinsam mit VertreterInnen der Stadt Graz, des Bezirks und der Polizei sollen die Anwesenden über Probleme im Viertel und andere aktuelle Themen diskutieren. Sicherheitsbedenken, Konflikte mit Nachbarn oder der oftmals verantwortungslose Umgang mit Müll kommen zur Sprache. „Neulich wurde vor meinem Haus sogar eine Klomuschel gelagert“, beklagt sich eine Nachbarin.

Seit 2013 widmet sich das Stadtteilbüro EggenLend der Siedlungsbetreuung, um genau solche Probleme zu behandeln. „Es gibt zwar Initiativen, wie Mieterschutz und Konsumentenschutz, oftmals werden die Menschen aber mit ihren Problemen alleine gelassen“, sagt Wolfgang Schmidt, ein Mitarbeiter des Büros. Der Fokus des Stadtteilbüros liege hier jedoch nicht in seiner Wirkung als Vertreter der NachbarInnen, sondern in seiner Arbeit als Unterstützer. „Unser Ziel ist es, die Menschen zu ermächtigen, sich selbst für ihre Anliegen einzusetzen.“ Dafür werden im Stadtteilbüro selbst, aber auch in den Siedlungen regelmäßig Sprechstunden abgehalten. Persönliche Konflikte zwischen einzelnen Nachbarn sind kein Teilbereich der Stadtteilarbeit. Hierfür würden Institutionen wie das Friedensbüro zuständig sein.

Wolfgang Schmidt arbeitet als einer von fünf Mitarbeitern halbtags im Stadtteilbüro EggenLend. Foto: Markus Röck

Im Stadtteilbüro, das von der Organisation WIKI getragen und von der Stadt Graz finanziert wird, arbeiten derzeit zwei Teilzeitangestellte. Weiters sind drei Praktikantinnen beschäftigt – darunter auch Seham aus dem Kostnix-Laden. Neben der Siedlungsbetreuung sieht es das Büro als seine Aufgabe, die Kommunikation der Nachbarn untereinander zu verbessern, das Zusammenleben zu fördern sowie die Sicherheit und die Wohnqualität zu steigern. Um dies zu erreichen, gibt es von Seiten des Büros immer wieder verschiedene Aktivitäten, an denen NachbarInnen teilnehmen können. Dazu gehören Rundgänge und Dialogrunden, wie sie im Zuge der Feier abgehalten wurden. Trotzdem ist auch 44 Monate nach der Eröffnung des Stadtteilbüros die Arbeit noch nicht zu Ende. „Die Probleme sind so mannigfaltig. Man kann nicht genug verbessern.“

Ein Ennstaler Unikat auf Grazer Boden - das ist Markus. In seiner Freizeit findet man ihn entweder auf einem der heimischen Berggipfel, im Kino oder bei einem Städtetrip in eine von Europas Metropolen. Sein neuestes Hobby: Graz erkunden.

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