Chiala steht für „Ort der Begegnung“. Einen solchen schafft der Verein „Chiala“ mit seinem „Afrika Festival“ mitten in Graz. Auch die Nähwerkstatt von „frei_stil by ERfA“ bringt Menschen zusammen. Am Bazar haben wir das Modelabel besucht.
Leichter, kühler Wind und die bereits tiefstehende Sonne machen aus der zuvor unerträglichen Hitze einen lauen Sommerabend. Der Duft von Räucherstäbchen liegt in der Luft. Unter gespannten Leinen lässt sich gerade ein junger Mann von einer Handleserin die Zukunft vorhersagen. Im Zelt daneben wird frisch gebrühter, äthiopischer Kaffee gereicht. Es ist Freitagnachmittag im Augarten. Vor ein paar Stunden hat das Chiala Afrika Festival die ersten Besucher willkommen geheißen. Bereits zum 14. Mal bietet das drei Tage andauernde Open Air Festival die Möglichkeit, afrikanische Kunst und Kultur hautnah und mitten Graz zu erleben.
Afrikanischer Marktplaz im Augarten
Unter freiem Himmel und bei freiem Eintritt präsentiert der Verein Chiala Musik, Film, Tanz und Show von nationalen und internationalen KünstlerInnen. Auf der Bühne sind unter anderem eine Tanzcrew aus Ghana sowie eine 21-köpfige Gospel-Gruppe zu sehen. Der rundherum angelegte Bazar gleicht einem afrikanischen Marktplatz. Auf mitgebrachten Decken und Tüchern genießen BesucherInnen das bunte Festivaltreiben im Park. Köchinnen und Köche aus verschiedenen Ländern Afrikas tischen frisch zubereitetes „Yasse Chicken“ auf. An kleinen Ständen wird um den Preis von handgeflochtenen Körben, Holzschnitzereien, Lederarmbändern und Henna-Tattoos gefeilscht.
Am Bazar hat ein kleines Mädchen begonnen auf ihrer Djembe zu spielen. Auf einem Hocker, umgeben von Körben mit Stoffen in allen Formen und Farben, lässt sie sich nicht aus dem Takt bringen. Genauso wie der bunte Rock, den sie trägt, stammen auch die Kleider um sie herum aus der Modelinie frei_stil by ERfA. Der Verein ERfA (Erfahrung für Alle) hilft Menschen, die am freien Arbeitsmarkt geringe Chancen haben, eine Beschäftigung zu finden. Eine der vielen, vom Verein initiierten Beschäftigungsmöglichkeiten, ist die Nähwerkstatt, die sich in der Karlauerstraße in Graz befindet. frei_stil by ERfA ist die Modelinie, die aus diesem nur für Frauen zugänglichen Projekt, hervorging. Was ursprünglich als kleines Sozial-Projekt begonnen hat, ist heute ein Produkt, das Menschen verbindet.
Modelinie mit Mehrwert
Von Montag bis Freitag, jeweils ab neun Uhr, werden hier, von handwerklich begabten Frauen, im Rahmen einer stundenweisen Beschäftigung, Einzelstücke gefertigt. „Wir haben uns überlegt, wie wir die Ressourcen, die die Frauen bereits mitbringen, nutzen können. Nun entstehen einzigartige Kleidungsstücke, welche die Begabungen der einzelnen Mitarbeiterinnen widerspiegeln“, erzählt Cornelia Bâ, Leiterin des Projekts.
Bewusst geschaffene Begegnungsräume
Zugang zum Projekt finden Frauen meistens über SozialarbeiterInnen oder Mundpropaganda. In der Nähwerkstatt bleiben manche von ihnen mehrere Jahre, andere nur für wenige Wochen. „Wir freuen uns, wenn unsere Mitarbeiterinnen schnell fixe Jobs finden“, sagt die Projektleiterin. Obwohl die Nähmaschinen oft ihre Besitzerinnen wechseln, bleibt die familiäre Atmosphäre stets erhalten. Neben der Anstellung in der Nähwerkstatt wird den Frauen hier auch eine sozial- und berufspädagogische Begleitung, verschiedene Workshops und stets ein offenes Ohr geboten. Aktuelle Themen, wie z.B. eine Schwangerschaft, Schulprobleme der Kinder oder rechtliche Fragen zum Arbeitsmarkt werden aufgegriffen und gemeinsam besprochen.
„Wir haben gemerkt, dass die Hemmschwelle gegenüber Neuem oder Unbekanntem anfangs oft sehr groß ist. Mit gemeinsamen Gesprächen, Aktivitäten und Besuchen bei verschiedenen Serviceämtern möchten wir gerne beim ersten Schritt helfen“, erklärt Cornelia Bâ. Ziel ist es, den Frauen den Einstieg in den Arbeitsmarkt zu erleichtern und ihnen nebenbei die deutsche Sprache näher zu bringen. In der Werkstatt gilt Deutsch als Arbeitssprache. Eine spielerische Sprachvermittlung im Arbeitskontext wird einem reinen Deutschkurs vorgezogen. Es braucht „bewusst geschaffene Begegnungsräume, in denen man sich ohne Druck weiterentwickeln kann“.
„Meine Mama ist jetzt Schneiderin“
Viel wertvoller als handwerkliche und sprachliche Fortschritte sei aber die persönliche Weiterentwicklung. Wertschätzung und gegenseitiges Vertrauen haben einen hohen Stellenwert. „Urlauben Schneiderinnen in ihren Heimatländern, so bitten wir sie manchmal, mit einem von uns ausgestatteten Budget, selbst Stoffe einzukaufen“, erzählt die Projektleiterin. Bei Modenschauen, wie hier am Festival, präsentieren die MitarbeiterInnen und die beschäftigten Frauen dann gemeinsam die handgemachten Werke auf der Bühne.
Rückmeldungen von zufriedenen KundInnen und der eigenen Familie stärken zusätzlich das Selbstbewusstsein. Cornelia Bâ erzählt: „Eine Frau kam einmal in die Nähwerkstatt und hat stolz erzählt, dass sie gerade einer jungen Dame in einem von ihr genähten Rock begegnet ist.“ Die Tochter einer anderen Näherin erzählte ihrer Lehrerin unter Freudentränen, dass ihre Mama jetzt eine Arbeit habe. Sie sei Schneiderin!