Alexander Loretto, Direktor der St. Andrä-Volksschule in Gries, spricht über Integration in der Schule, Ausländerklassen und das Kreuz im Klassenraum.
Mit einem hundertprozentigen Anteil von Kindern mit Migrationshintergrund steht die St. Andrä-Volksschule schon seit längerer Zeit im Mittelpunkt der Integrations-und Zuwanderungsdebatte. Wir haben mit dem aktuellen Direktor Alexander Loretto gesprochen, um Einblicke in ein – inhaltlich wie gesellschaftlich – buntes Schulleben zu bekommen.
Annenpost: Herr Loretto, das Thema Integration hat auch in Sachen Bildungspolitik in den letzten Jahren massiv an Bedeutung gewonnen. Aktuell haben an Ihrer Schule 100% der Kinder einen Migrationshintergrund. Wie kann Integration unter diesen Umständen gelingen?
Loretto: Ich glaube, dass die Integration bei uns sehr gut gelingt. Als positives Beispiel kann ich hier unter anderem unsere Theatergruppe hervorheben, in der sich Kinder aus verschiedenen Kulturen befinden, die sich untereinander mit Offenheit und Toleranz begegnen. Auch bei übergreifenden Projekten mit anderen Schulen spielt die Herkunft der Kinder oder ihrer Eltern unter den SchülerInnen nie eine Rolle.
Eine große Sorge vieler Eltern und PolitikerInnen ist, dass durch einen zu liberalen Umgang mit fremden Kulturen sogenannte Parallelgesellschaften entstehen. Können Sie diese Sorge nachvollziehen?
Ich verstehe die Angst vor diesem Prozess, aus meiner Sicht als Direktor kann ich aber nur sagen, dass diese Entwicklung bei uns an der Schule nicht stattfindet. Natürlich kann es passieren, dass verschiedene ethnische Gruppen Vorbehalte einander gegenüber haben. Ich denke jedoch, dass, wenn beide Gruppen gemeinsame Erfahrungen miteinander machen, der Entstehung solcher Parallelgesellschaften entgegengewirkt werden kann.
Seit Jahren werden von verschiedenen Parteien sogenannte „Ausländerklassen“ gefordert, um das Deutschniveau zu heben. Können Sie dieser Idee etwas abgewinnen?
Ich denke, man muss diesbezüglich individuell entscheiden. Wenn ich eine Schule mit fünf AusländerInnen habe, die ich in einer Klasse zusammenfasse, dann liegt aus meiner Sicht eine Diskriminierung vor. Falls ich, wie hier, fast ausschließlich Kinder mit nicht-deutscher Muttersprache habe, wäre eine temporäre Zusammenfassung zur intensiven Sprachbeschulung sicherlich keine schlechte Idee.
Wie empfinden Sie die Deutschkenntnisse der Kinder hier an der St. Andrä-Volksschule?
Sehr unterschiedlich. Wir haben Kinder, die fantastisch Deutsch sprechen, aber auch SchülerInnen, die die Sprache nur wenig beherrschen. Das hängt natürlich alles davon ab, wie lange die Kinder schon hier sind, wie stark sie gefördert werden und wie der familiäre Hintergrund aussieht.
Was könnte man Ihrer Meinung nach tun, um die Sprachkenntnisse zu verbessern?
Es wäre sicherlich günstig, den Kindern regelmäßig zu empfehlen, dass sie im Alltag, darunter selbstverständlich auch in den Pausen, Deutsch sprechen. Erstens, weil es ansonsten als unhöflich empfunden werden kann, zweitens, weil man eine Sprache eben auch üben muss.
Was würden Sie von der Einführung eines sognannten „Wertekanons“ halten, wie er momentan, beispielsweise von der FPÖ, gefordert wird?
Ich tue mir persönlich schwer mit solchen Forderungen, weil es dann immer jemanden gibt, der vorschreibt, was ein Wert zu sein hat und was nicht. Meiner Meinung nach lassen sich gewisse Werte besser mittels gemeinsamer Erfahrungen und integrativer Projekte vermitteln als in Form eines Kanons, den es abzuarbeiten gilt.
Das tragen religiöser Symbole, wie zum Beispiel des Kopftuchs, sorgte zuletzt für erhitzte Gemüter. Denken Sie, dass Lehrerinnen mit Kopftuch ein „falsches Vorbild“ sein könnten?
Nein. Unsere Religionslehrerin trägt das Kopftuch und ist eine sehr moderne, talentierte Frau, die mit den Kindern ausgezeichnet zurechtkommt. Ein Problem wäre für mich nur die Vollverschleierung, da ich sehen muss, wem ich die Kinder anvertraue.
Ein weiteres hitzig diskutiertes Thema ist das Kreuz im Klassenzimmer. Hat es diesbezüglich hier an der St. Andrä-Volksschule schon einmal Diskussionen gegeben?
In jeder Klasse hängt ein Kreuz und seitens der Eltern und Kinder mit muslimischer oder nicht christlicher Konfession hat es deswegen auch noch nie eine Beschwerde gegeben.