Franz P. ist Sammler und Händler von Antiquitäten. Im ersten Teil der neuen Annenpost-Serie „Viertel-Stunde“ spricht er über Geschichten, Kundenwünsche und seinen wertvollsten Fund.
Taxifahrer, Trafikanten, Pfarrer: Was erleben unsere „Helden des Alltags“ in ihrem Wirkungsfeld? Welche Situationen konnten sie nie vergessen? Was haben sie zu erzählen? In der „Viertel-Stunde“ schildern sie uns Geschichten aus ihrer Arbeit.
Diesmal spricht Antiquitätenhändler Franz P.* über einen Beruf, der noch längst nicht Schnee von gestern ist.
Seit über dreißig Jahren bin ich schon Sammler von Antiquitäten aller Art. Egal, ob Möbel, Glas, Keramik oder Skulpturen, das und noch viel mehr hat mich immer schon interessiert. Mit der Zeit wurde meine Sammlung immer größer und größer. Irgendwann kam der Punkt, an dem ich mich schweren Herzens davon trennen musste. Vor zweieinhalb Jahren habe ich schließlich mein Hobby zum Beruf gemacht und ein Antiquitätengeschäft eröffnet.
Meine Antiquitäten sind Raritäten und Sammlerstücke. Bei mir gibt es Möbel aus allen vorstellbaren Epochen, manche sind sogar an die 200 Jahre alt. Zu haben sind aber auch alte Radios, Plattenspieler oder Schreibmaschinen. Solche Sachen kaufe ich meistens bei anderen Händlern, manchmal kommen auch Kunden zu mir und verkaufen mir ihre Stücke. Ab und an werde ich von Angehörigen gebeten, Wohnungen, deren Besitzer verstorben ist, zu besichtigen. Daraus beziehe ich aber nur einzelne Stücke. Es ist nicht so, dass ich die Wohnung entrümple – dafür fühle ich mich schon zu alt.
Das Schönste wäre, wenn meine Antiquitäten Geschichten über sich selbst erzählen könnten. Dann könnten wir wahrscheinlich viel lachen, aber auch viel weinen. In den Haushalten muss über die Jahre einiges passiert sein. Darum wünsche ich mir, dass die Waren erhalten bleiben und wieder Leute finden, die auf sie aufpassen und sie wertschätzen.
Obwohl die Besucherfrequenz in meinem Laden niedrig ist – das liegt unter anderem an der starken Konkurrenz durch das Internet und regelmäßigen Flohmärkten – kommen doch immer wieder Besucher zu mir. Dazu zählen Antiquitätensammler, Liebhaber von alten Dingen oder Studenten auf der Suche nach Einrichtungsgegenständen oder einem Geschenk. Manchmal fragen sie nach alten Münzen oder nach exquisiten Gemälden aus einer Zeitepoche, die ich nicht besitze. Andere suchen nach Kriegsrelikten und sogar nach Waffen. So etwas sammle und verkaufe ich auch nicht.
Die Kommunikation mit meinen Kunden ist für mich sehr wichtig. Mich mit ihnen zu unterhalten, bereitet mir Freude und belebt meinen Alltag. Dabei kann ich mich auch mit vielen anderen Sammlern über unsere gemeinsame Leidenschaft austauschen. Oft ergeben sich dabei einzigartige Gespräche und ich erfahre von besonderen Momenten in ihrem Leben. Manchmal entstehen sogar Freundschaften.
Einmal habe auch ich etwas Besonderes erlebt, das ich nie vergessen werde: Bei einem Besuch auf einem Flohmarkt, vor vielen Jahren, bin ich auf zwei alte Bilder in Messingrahmen gestoßen. Es waren Portraits von meiner in jungen Jahren verstorbenen Mutter und von einer weiteren Verwandten – da habe ich Gänsehaut bekommen. Die Bilder stammten aus der Erbschaft meiner Großtante und sind einer meiner wertvollsten Funde dieser Zeit.
Ob ich an meinem Leben etwas ändern würde? Es tut mir leid, dass ich meinen Antiquitätenladen nicht schon weit früher eröffnet habe. Ich habe zu lange gewartet und frage mich immer wieder, was anders gewesen wäre. Auch über die Platzwahl des Geschäfts, nicht weit von meinem Wohnort entfernt, denke ich manchmal nach. Vor 30 Jahren gab es in der Straße vor meinem Laden zahlreiche andere Geschäfte. Heute ist sie leer. Darum möchte ich dableiben und so etwas für das Grätzel tun.
[infobox] *Der Name wurde von der Redaktion geändert. [/infobox]