Claudia Eichler: „Tanzen lernt man nicht in zwei Stunden“

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Kein Maturaball ohne elegante Polonaise. Doch wieviel Aufwand hinter einer gelungenen Balleröffnung steckt, wissen die wenigsten. Eine von ihnen ist Claudia Eichler, Inhaberin der ältesten Tanzschule Österreichs.

„Musik und Bewegung haben mich schon immer fasziniert“, sagt Claudia Eichler, die ihre Leidenschaft zum Beruf gemacht hat, als sie 1989 den elterlichen Traditionsbetrieb übernahm. Seither ist sie mit ihrer Tanzschule Eichler gerade in der Ballsaison erste Anlaufstelle für viele Tanzbegeisterte und verantwortet auch heuer wieder eine ganze Reihe von Maturaball-Polonaisen. Unter anderem unterstützt sie die Schulen Ursulinen, BRG Petersgasse und HAK Grazbachgasse bei dem Vorhaben, eine magische Ballnacht aufs Parkett zu zaubern. Das gelingt jedoch nicht immer. „Man kann in zwei Stunden nicht tanzen lernen. Das braucht Zeit, aber viele wollen sich die nicht nehmen“, kritisiert die Tanzschulinhaberin.

Dennoch gefällt ihr gerade die Arbeit mit jungen Leuten besonders gut. „Es ist ein ehrlicher und kreativer Prozess. Jugendliche sind aufgeweckt, modern, teilweise aber auch sehr traditionsbewusst. Das gefällt mir! Außerdem pflegen sie die Ballkultur.“ Dass die keine Selbstverständlichkeit ist, kann die Vizepräsidentin der Tanzlehrer Steiermark gar nicht oft genug betonen: „Die Tanz-und Balltradition, die es in der Steiermark gibt, ist einzigartig. Das ist ein Kulturgut, welches vielen nicht bewusst ist. Wir werden europaweit darum beneidet.“ Damit diese Errungenschaft nicht verloren gehe, sei es notwendig, die Tradition mit der Moderne zu verbinden: „Das ist die Kunst.“

Die MaturantInnen der Ursulinen bei der letzten Probe vor ihrem Ball – Foto: Lisa Weswaldi-Eichler

Langjährige Erfahrung

Dass Tanzen hierzulande diesen Stellenwert erreichte, hat natürlich eine lange Vorgeschichte. „1835 eröffneten meine Vorfahren eine Tanzschule in Graz. Wir hatten Glück, dass die Leiter der vier bis fünf anderen renommierten Tanzschulen ebenfalls open-minded, aufgeschlossen und neugierig waren. Es entstand ein Fundament, auf dem heute auch die jungen KollegInnen aufbauen“, erklärt Eichler. Bereits 1796 öffnete die Tanzschule Eichler im preussischen Zielenzig, dem heutigen polnischen Sulęcin, ihre Pforten. Somit ist sie eine der ältesten in ganz Europa. „Das Erfolgsgeheimnis ist sicher, dass sich meine Familie einen tollen Namen als innovative Tanzschule erarbeitete. Mein Vater brachte zum Beispiel die Tänze Cha Cha Cha und Mambo nach Graz. Sein Onkel, der ebenfalls Tanzlehrer war, bezeichnete diese noch als ,Barbarentänze´, aber mein Papa hatte erkannt, was die Musik der Zeit war“, erzählt Eichler, die auch den nächsten Steirerball in der Hofburg mitgestaltet. Darauf ist sie sehr stolz: „Ich bin die einzige Steirerin, die in der Hofburg einen Ball macht. Außerdem leite ich die Opernredoute und den Bauernbundball mit 17.000 Besuchern. Ich habe die großen Bälle und werde auch bei Veranstaltungen erkannt. Ich bin allen 40- bis 80-Jährigen ein Begriff.“ Bis sie diesen Status erreichte, dauerte es jedoch einige Jahrzehnte. „Ich habe viele Ausbildungen gemacht – zuerst zuhause im Betrieb, dann in Wien. Danach war ich in England und habe mir viel angeschaut. Mir gefällt aber auch die Art, wie Tanzen in Österreich interpretiert und gelehrt wird.“

Generell sei Tanzen in der steirischen Landeshauptstadt sehr beliebt. „In Wien gibt es ungefähr 20 Tanzschulen, bei uns zwölf bis 15. Graz ist ein Schwergewicht“, schwärmt Eichler. Dafür gebe es mehrere Gründe. „Graz ist eine große Kleinstadt und eine kleine Großstadt, innovativ und eine Forschungsstadt. Die Kunstuniversität trägt ebenfalls dazu bei, war in den 50ern eine regelrechte Jazz-Metropole und hatte einen unglaublichen Namen. Da hat sich natürlich viel herauskristallisiert und man erntet das, was man sät. Und es wurde gut gesät!

Ausreißer

Warum die älteste Tanzschule Österreichs im Jahr 2003 von der Sackstraße zum Südtirolerplatz umzog, liegt für die gebürtige Grazerin auf der Hand: „Natürlich sind einige KonkurrentInnen auf der anderen Seite. Dort befinden sich auch 80 bis 90 Prozent der Gymnasien. Aber die frühere Murvorstadt hat sich wahnsinnig entwickelt und mir gefällt das Innovative an diesem Stadtteil. Man trifft die Kunstszene, die Ausgeflippten und die Traditionellen. Daher habe ich nie auf der anderen Seite gesucht.“

Pläne zu expandieren gebe es derzeit nicht. „Ich bewahre gerne den Überblick und möchte das pflegen und halten, was ich gerade habe.“ Auch die Idee, Online-Kurse anzubieten, kam Eichler nie in den Sinn. „Das Erlebnis, mit jemandem persönlich zu sprechen, jemandem nahe zu sein, Emotionen mitzubekommen, kann man nicht durch einen Monitor ersetzen.“ Daher würden Tanzschulen wie ihre auch in Zukunft überleben.

2003 siedelte die Tanzschule Eichler auf die rechte Murseite – Foto: Nikolaus Fink

Den größten Nutzen des Tanzens sieht Eichler in der Bewegung zu Musik. „Die soziale Komponente ist ebenfalls wichtig. Man trifft sich und lernt neue Leute kennen. Es entsteht ein Miteinander und man lernt, aufeinander Rücksicht zu nehmen. Ohne die sozialen Werte an die große Glocke hängen zu wollen, sie sind einfach vorhanden.“

Deshalb hofft die zweifache Mutter auch auf eine Fortsetzung der Familientradition. „Ich habe mich mit zehn Jahren dazu entschlossen, die Tanzschule zu übernehmen und hoffe, dass es meinen Kindern ähnlich geht.“ Der erste Schritt dazu wurde mit der bestandenen Tanzlehrerprüfung von Tochter Lisa Weswaldi-Eichler bereits gesetzt.

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