Jugendstreetwork: Neue Gesichter im Viertel

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18 Jahre lang hat die Caritas Jugendliche auf den Straßen und in den Parks der Stadt betreut. Jetzt haben SOS-Kinderdorf, Wiki und Input die Streetwork-Aufgaben übernommen – und eine neue Anlaufstelle in der Annenstraße eröffnet.

Jugendstreetwork gibt es in Graz schon seit den 1990er-Jahren. Ein Team aus Jugend- und Sozialarbeitern ist draußen zu Fuß unterwegs und versucht, Problemfelder im öffentlichen Raum zu erkennen und bietet, wenn erwünscht, Hilfe an. Nutzen von diesem Angebot sollen vor allem Jugendliche bis zum Alter von 21 Jahren ziehen, die sich in schwierigen Lebenssituationen befinden. Das Angebot reicht dabei von akuter Soforthilfe durch ein Gespräch bis hin zu einer längerfristigen Betreuung und Unterstützung in der Anlaufstelle. Die Intensität und Dauer der Beziehung entscheidet dabei der Jugendliche selbst, denn neben Anonymität und Verschwiegenheit zählt die Freiwilligkeit zu den wichtigsten Prinzipien von Jugendstreetwork.

Seit 2000 war die Caritas mit einer Anlaufstelle am Jakominiplatz für diese aufsuchende Art der Jugendsozialarbeit zuständig. Im Vorjahr schrieb das Amt für Jugend und Familie der Stadt Graz die Aufgabe dann neu aus, den Zuschlag erhielt eine Trägergemeinschaft aus SOS-Kinderdorf, Wiki und Input.

Übergabe nach 18-jähriger Zuständigkeit

Seitens der Caritas war man überrascht über die Entscheidung. „Für uns ist die Situation natürlich sehr schade, im Laufe der letzten 18 Jahre hat sich die Jugendstreetwork stets gut weiterentwickelt und ist auf positives Feedback gestoßen“, sagt Roland Urban, Abteilungsleiter für Beratung und Streetwork der Caritas. „Aber durch diese neue Art von öffentlicher Ausschreibung kommt es eben zu einer natürlichen Konkurrenzsituation. Die Entscheidung muss man dann einfach zur Kenntnis nehmen.“ Am wichtigsten sei den ehemaligen Trägern nun das Wohl der Jugendlichen und eine gut vorbereitete Übergabe. Durch die Übernahme von zwei Teammitgliedern, die zuvor schon als Streetworker bei der Caritas tätig waren, und die Parallelnutzung der Anlaufstellen im Jänner, haben sich die Caritas, das Amt für Jugend und Familie sowie die neuen Träger um eine einfache Umstellung für die Jugendlichen bemüht.

Durch Vernetzung zum Erfolgskonzept

„Wir haben uns zusammengesetzt, ein gutes Konzept ausgearbeitet, dieses eingereicht und wurden dann glücklicherweise von der Stadt Graz ausgewählt – das war viel Arbeit in relativ kurzer Zeit“, sagt der neue Streetwork-Leiter Roland Maurer-Aldrian, der mich zusammen mit seinem Team in der neuen Anlaufstelle empfängt. In der Mitte des hellen, großen Raumes befinden sich zur Zeit lediglich ein paar Stühle und ein Tisch, auf dem Obst, kleine Snacks und Getränke vorbereitet sind. Durch die Auslagen lässt sich das bunte Treiben in der Annenstraße beobachten.

Das Team setzt sich aus sieben Personen zusammen, die bei Wiki, Input oder SOS-Kinderdorf angestellt sind. Das habe den Vorteil, dass man in den Kernbereichen Betreuung, Unterbringung und Vernetzung von Jugendlichen jeweils sehr viel Erfahrung und Wissen einbringen könne. „Jeder von uns bringt andere Zugänge und neue Ideen mit in das Team, die wir dann gemeinsam umsetzen wollen“, sagt Maurer-Aldrian.

Die Anlaufstelle ist derzeit noch überwiegend leer und soll dann zusammen mit den Jugendlichen gestaltet werden. In der Mitte Leiter Roland Maurer-Aldrian – Foto: Lena Notter

In einer offenen Gesprächsrunde erzählt jeder der Teammitglieder von seinen persönlichen Erfahrungen und Zielen bei der Kinder- und Jugendarbeit, wodurch klar wird, wie vielfältig dieses Arbeitsfeld ist. Die Jugendlichen befinden sich meist in sehr schwierigen Lebenssituationen und erhalten von zu Hause keine Unterstützung. Die Vorgeschichten seien dabei völlig unterschiedlich und reichen von Arbeitslosigkeit und krimineller Vergangenheit bis hin zu einer frühen Schwangerschaft. Manchmal sind es auch einfach nur kleine Krisen in der Schule oder mit den Eltern, die Jugendliche überfordern. Den Betroffenen fehle häufig der Mut, sich selbst Hilfe zu holen, wodurch dann nur die Flucht auf die Straße übrig bleibt. Hier wollen die Streetworker eingreifen, indem sie die Jugendlichen ansprechen und mit ihnen gemeinsam nach Lösungen suchen. „Ich glaube viele andere Angebote sind einfach zu hochschwellig. Wir helfen auch anonym und haben keine Erwartungshaltung gegenüber den Jugendlichen – sie müssen nichts mitbringen und können trotzdem unsere Hilfe in Anspruch nehmen”, beschreibt ein Teammitglied den Unterschied zu anderen Einrichtungen.

Primäre Versorgung ohne Jugendzentrum-Charakter

Besonders wichtig war es dem Team, auf der Achse zwischen Jakominiplatz und Hauptbahnhof gut erreichbar zu sein. Daher haben sie für die neue Anlaufstelle einen Leerstand in der Annenstraße 68 ausgewählt. „Die Lage der Anlaufstelle passt gut zur Sozialraumorientierung der Stadt Graz – hier gibt es wichtige Verkehrsknotenpunkte und Parks, wo wir die Jugendlichen gut erreichen können“, so Maurer-Aldrian. Auch den Vermieter freue es, dass die Räumlichkeiten nun sinnvoll genutzt werden, und er auf diese Weise einen Beitrag zur Jugendhilfe leisten könne.

Durch einen barrierefreien Zugang im Erdgeschoss möchte man auch den freien Raum davor sinnvoll nutzen und in Aktivitäten mit einbeziehen. Bewusst entschied sich das Team auch dafür, die Anlaufstelle klein zu halten. „Trotzdem wollen wir hier einen gemütlichen Raum schaffen, der mit einem WC, einer Dusche und einer Küche alles zur primären Versorgung bietet. Jeder Jugendliche ist hier willkommen“, sagt Maurer-Aldrian und verweist darauf, dass man die meisten Ressourcen jedoch wieder in die Arbeit im öffentlichen Raum stecken möchte. Zum Schluss resümiert der neue Leiter: „Wir machen derzeit sehr viel Begehungen und bereiten uns intensiv auf die Arbeit als Streetworker vor – wir freuen uns darauf mit den Jugendlichen zusammenzuarbeiten.” Seit Beginn dieser Woche sind die Streetworker nun offiziell in 2er-Teams draußen unterwegs.

 

*Titelbild: ARGE Jugendstreetwork, Stefan Janisch

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