Naglprobe im Annenviertel

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Heute vor 15 Jahren war ein Tag großer politischer Veränderungen in Graz. Am 27. März 2003 wurde Siegfried Nagl zum Bürgermeister gewählt. Die Annenpost wirft einen Blick zurück auf die großen Themen, die das Annenviertel seitdem bewegt haben.

Von: Fabian Prettner und Julian Strassegger

Aus den Gemeinderatswahlen im Jänner 2003 ging Nagls Volkspartei als stärkste Kraft hervor und löste damit die Sozialdemokraten unter Langzeitbürgermeister Alfred Stingl ab. Zwei Monate später wurde er von einer Koalition aus ÖVP und SPÖ ins Amt gewählt. Damals war Nagl 39 Jahre alt und ungewohnt jung für einen Grazer Bürgermeister. Der  „Shooting-Star’’ und „Wunschschwiegersohn’’ – wie er von den Medien genannt wurde – konnte sich bereits vor der Wahl mit einer „modern gestylten’’ Werbekampagne an die Spitze der Umfrageergebnisse katapultieren.

Ein Alien im Lend

Gleich zu Beginn der Amtszeit von Nagl, der bereits von 1998 bis 2003 Kulturstadtrat war, präsentierte sich Graz als europäische Kulturhauptstadt. Neben Projekten wie dem Uhrturmschatten, den Verzierungen an der Decke der Bahnhofshalle und der Stadthalle, die in diesem Jahr umgesetzt wurden, entstanden auch die Murinsel und das Kunsthaus.

Um die meisten Projekte wurde es in den folgenden Jahren ruhiger, das Kunsthaus Graz sorgte aber noch im Jahr 2014 für eine große Diskussion im Rathaus und der Kunstszene. Nagl kritisierte öffentlich die geringen Besucherzahlen und sagte in der Kleinen Zeitung: ,,Wir sollten das Kunsthaus nicht länger dem Universalmuseum Joanneum überlassen.“ Diese Kritik zielte vor allem auf die Leitung des Universalmuseums ab, die laut Nagl zu wenig publikumswirksam agierte. Die Ausstellungen wären für die breite Öffentlichkeit nicht interessant genug. Bei Fachleuten waren sie aber unumstritten, es hagelte Kritik an Nagls Vorschlag aus der Kunstszene im In- und Ausland. Mit dem Verbleib als Teil des Universalmuseums und der Ausschreibung der Leitung wurde aber schließlich ein Kompromiss gefunden. 2016 wurde aus 32 BewerberInnen Barbara Steiner als neue Leiterin ausgewählt. Die Kunsthistorikerin soll den Posten vorerst für fünf Jahre bekleiden.

Vernaglte Ansichten

Als Bürgermeister der Menschenrechtsstadt Graz machte sich Nagl bei VertreterInnen von Minderheiten nicht immer beliebt. Schon in seinem ersten Jahr im Amt sorgten seine Aussagen zur Homosexualität für Aufregung und Kontroversen. So weigerte er sich, ,,Homosexualität zur Normalität in unserer Gesellschaft zu erklären” und meinte gegenüber der Zeitung Die Presse, dass ,,der Glaube vielleicht für diese Menschen dazu führen könnte, dass sie mit dieser Form des Zusammenlebens aufhören.” Das Thema holte ihn im weiteren Verlauf seiner Amtszeit immer wieder ein. Nagl fiel zum Beispiel durch seine langjährige Weigerung, den Trauungssaal im Rathaus für eingetragene Partnerschaften zu öffnen, auf.

Kritik erntete Nagl von vielen Seiten, unter anderem vom damaligen Bundesvorsitzenden der SP-Homosexuellenorganisation SoHo Günter Tolar und vom Verein Rosalila PantherInnen in der Annenstraße. Der Grazer Gemeinderat distanzierte sich mehrheitlich von Nagls Ansichten zu gleichgeschlechtlichen Beziehungen.

Im Jahr 2010 wurde die Liste der möglichen Orte in Graz, an denen die Urkundenüberreichung bei der Eintragung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften stattfinden kann, erweitert. Darunter zum Beispiel das Schloss Eggenberg, das Schloßbergrestaurant und das Glockenspielhaus, nicht aber der Trauungssaal im Rathaus. Dieser blieb weitere drei Jahre ausschließlich Eheschließungen vorbehalten.

Achtung Baustelle

Das Gesicht des Annenviertels hat sich in den letzten 15 Jahren an vielen Stellen gewandelt. So wurde die Annenstraße und der Hauptbahnhof umgebaut. An anderer Stelle bleiben die Veränderungen aber aus, obwohl sie längst angedacht wurden: Seit über 15 Jahren gibt es etwa den Wunsch, aus dem Griesplatz einen Naschmarkt nach Wiener Vorbild zu machen. Umgesetzt wurde diese Idee bisher – abgesehen von einem Pilotversuch 2003 – noch nicht. Derzeit ist der Griesplatz vor allem als Knotenpunkt für den Busverkehr bekannt, ein multikultureller Spezialitätenmarkt könnte für mehr Lebensqualität sorgen, kam aber bisher nicht zustande.

Viel Verkehr am Griesplatz – Foto: Julian Bernögger

In der Annenstraße wurde dagegen einiges umgestaltet und 8,3 Millionen Euro investiert: Seit der Fertigstellung des Umbaus im Jahr 2013 haben Straßenbahnen und Fußgänger mehr Platz, die Straßen sind für Autos nur noch stadteinwärts durchgängig befahrbar und anstelle von Parkplätzen gibt es Ladezonen. Durch das Auflösen der Parkplätze entstanden außerdem sowohl der Dominikanerplatz als auch der Metahofplatz. Der Esperantoplatz wurde neu gestaltet. Die Reaktionen auf den Umbau sind gemischt, positive Stimmen zu den breiteren Gehwegen kommen unter anderem von ansässigen Händlern. Die Entfernung der Parkplätze aber frustriert viele Kunden, die ihre Einkäufe nicht mit der Straßenbahn transportieren möchten.

Die neue Annenstraße – Foto: Fabian Prettner

2013 meinte Nagl bei einer Pressebegehung: „Die Annenstraße wird nicht wieder zur Handelsstraße werden, aber wir hoffen, jetzt mit einer guten Mischung dort wieder anzudocken, wo man einmal war“. Tatsächlich bleiben die zahlreichen Leerstände weiterhin ein Problem – viele Geschäfte in der Annenstraße müssen schließen und bleiben dauerhaft ohne Mieter. Völlig ruhig wird es um die Annenstraße nie, vor allem für den öffentlichen Verkehr spielt sie eine große Rolle. Letztes Jahr wurde die Haltestelle Esperantoplatz im Rahmen eines Projekts von Umweltstadträtin Tina Wirnsberger und Nagl begrünt. Der Bürgermeister legte 2017 auch neue Pläne zur Straßenbahnlinie 8 vor, die vom Jakominiplatz aus durch die Neutorgasse, über den Andreas-Hofer-Platz und die Tegetthoff-Brücke, durch die Belgiergasse und die Vorbeckgasse in die Annenstraße führen soll.

Annenviertel 2.0

Im Grazer Westen entsteht derzeit das bisher vielleicht ambitionierteste Bauprojekt der Ära Nagl: Unter der Leitung der Stadt Graz wollen verschiedene Partner und Investoren zwei neue Stadtteile entstehen lassen. Die Smart Cities Reininghaus und Waagner-Biro sollen nicht nur eine hohe Lebensqualität garantieren, sondern auch durch Energieeffizienz und Emissionsarmut punkten  – ein besonders wichtiger Punkt für das feinstaubgeplagte Graz. Nach jahrelangem Hin und Her bei der Finanzierung startete das Projekt mit dem Spatenstich für den Science Tower im Jahr 2015. Einmal fertiggestellt sollen die beiden Stadtteile etwa 19.000 neuen BewohnerInnen ein Zuhause bieten. Erst im Februar unterschrieb Nagl gemeinsam mit Verkehrslandesrat Anton Lang einen Vertrag, der sechs Straßenbahnprojekte mit insgesamt 43,8 Millionen Euro kofinanzieren soll, unter anderem auch, um die Smart Cities Reininghaus und Waagner-Biro zu erschließen. Das Projekt wird das Annenviertel und Bürgermeister Siegfried Nagl auf jeden Fall noch die nächsten Jahre beschäftigen.

*Titelbild: Stadt Graz/Pachernegg

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