dav

Der Totengräber vom Steinfeldfriedhof

Lesezeit: 3 Minuten

Dirigent Karl Böhm, LH Josef Krainer sen., Schriftsteller Franz Innerhofer. Sie alle liegen am Steinfeldfriedhof begraben. Gut möglich, dass Robert Duh in wenigen Jahren auf deren Knochen trifft.

„Hauptsächlich sind es Knochen, hin und wieder auch ein paar Überbleibsel vom morschen Sarg, aber nach über 15 Jahren ist normalerweise schon alles der Erde gleich.“ Robert Duh ist selbstständiger Friedhofsverwalter am Steinfeldfriedhof in Graz-Eggenberg. 2009 hat er das Amt von seinem Vater übernommen, bereits zuvor war er hier als Totengräber tätig. Neben der Müllentsorgung, dem Rasenmähen und dem Winterdienst gehört auch das Rausreißen und Ausheben von Gräbern zu Duhs täglich Brot. Dass er dabei auf Reste menschlicher Körper stößt, schockiert ihn nicht. Dafür macht er das schon zu lange.

Urne ur modern

Es ist 9 Uhr morgens. Zwischen verwachsenen Gräbern zischt ein Hase hervor, im Zickzack ergreift er ängstlich die Flucht. Viel routinierter bahnt sich Robert Duh seinen Weg durch den Steinfeldfriedhof – durch sein zweites Zuhause. „Alte Gräber, auf die niemand mehr schaut, werden weggerissen.” Der Großteil der bereits unkenntlichen Grabstätten befindet sich auf Robert Duhs Liste. „Die Leute werden eh angeschrieben, dann kommen auch noch Pickerl auf den Grabstein, aber wenn echt niemand mehr da ist, reiße ich sie weg.“ Für den Friedhofsverwalter eine Aufgabe von mehreren Stunden. Wie lange es tatsächlich dauert, hängt von der Art des Grabes ab. „Das ist immer eine Überraschung“, erzählt Duh. „Früher ist viel mehr betoniert worden, das ist dann um einiges aufwändiger.“

Grabrecht abgelaufen! Wir bitten um dringende Kontaktaufnahme mit der Friedhofsverwaltung hinsichtlich des Fortbestandes der Grabstätte!
15 Jahre ist die Grabvertragsdauer bei Sargbeisetzungen, 10 Jahre bei Urnen. – Foto: Christian Albrecht

Generell habe sich einiges am Steinfeld verändert. „Vor circa 20, 30 Jahren war der Friedhof noch voll, da gab es 10.000 Gräber, jetzt sind wir bei 7.000“, erklärt der Verwalter. „Immer mehr Gräber werden aufgelassen, außerdem kommen Urnen in Mode, die nehmen viel weniger Platz ein“, erläutert Duh. Seit der Eröffnung der neuen Einsegnungshalle im Jahr 2011 hat der Steinfeldfriedhof auch eine eigene Urnenwand, die gerne in Anspruch genommen wird. „Manche sagen, das sei hygienischer, für Erdbegräbnisse sind mittlerweile sogar Bio-Urnen Pflicht, die sich dann auflösen.“

Von Schotter und Schalungen

Im Büro neben der Einsegnungshalle sitzt Robert Duhs Ehefrau. Sie fungiert als Bindeglied zwischen ihrem Mann und der Pfarre zum Hl. Blut, welche außerdem auch noch den St. Peter Stadtfriedhof und den Zentralfriedhof führt. Sie bearbeitet E-Mails, führt Telefonate und leitet Aufträge an Robert Duh weiter. Als Vertragspartner gibt die Stadtpfarrkirche Anweisung, wann und welches Grab ausgehoben werden muss. An jenem Morgen um 11 Uhr findet das Begräbnis einer verstorbenen Schulschwester statt. Hierfür hat der Totengräber bereits am Vortag ein circa drei Meter tiefes Loch ausgehoben. Eine Arbeit von mehreren Stunden. Händisch und alleine.

Das ausgehobene Grab für die verstorbene Schulschwester am Steinfeldfriedhof.
„Mit einem Bagger ginge das natürlich leichter“, sagt Duh. – Foto: Christian Albrecht

Im Falle dieses Grabes war das Ausheben Schwerstarbeit. „Als dieser Teil hier am Feld 6 gemacht worden ist, sind sie mit den Baggern hin und her gefahren, deshalb ist die Erde hier steinhart.“ Sogar auf die sonst üblichen Schalungen – Tafeln aus Holz oder Stahl, die verhindern, dass die Erde vor dem Begräbnis einbricht – konnte Duh verzichten. Aber auch andere Bodenverhältnisse am Steinfeldfriedhof machen dem Verwalter zu schaffen. „Es gibt einen Fleck, da ist reiner Schotter, da bricht natürlich alles zusammen.“

„Die Witterungsverhältnisse sind manchmal schon heftig“

Nicht zuletzt spielt das Wetter eine gewichtige Rolle. Regnet es, muss sich Duh mit Schlamm herumschlagen, tut es das längere Zeit nicht, hat er mit trockener Erde zu kämpfen. Aber Begräbnisse finden nun mal zu jeder Jahreszeit und bei jeden Witterungsverhältnissen statt, selbst vor dem Winter hat der Tod kein Erbarmen. „Wenn die Erde gefroren ist, muss eben ein Stemmhammer her.“

Das Wetter ist jedoch nicht Duhs einziger Feind. Ein Grab ist mit Graffiti vollgeschmiert. Der Verwalter gibt sein Bestes, Vandale und Unruhestifter vom Ort der Stille fernzuhalten. „Wenn du zu jemandem etwas sagst, der mit Rollerblades oder mit dem Rad durch den Friedhof fährt, wirst du aber sowieso nur blöd angemotzt.“ Selbst mit den öffentlichen Gießkannen hat Duh hin und wieder Ärger. Dabei sind diese sogar wie die Einkaufswagen im Supermarkt mit einer Münzsperre gesichert. „Mittlerweile hauen die Leute aber nur mehr diese Chips rein und lassen die Kannen dann irgendwo liegen.“

Wie im Supermarkt abgesperrte Gießkannen.
Jede Gießkanne an ihrem Platz, ein eher seltenes Bild. – Foto: Christian Albrecht

Christbäume zu Ostern

Noch ist der Friedhofsverwalter mit seiner Frau gemeinsam auf sich alleine gestellt. Sich einfach einmal Urlaub zu nehmen, ist momentan für beide schwierig, eine Vertretung müsste erst angelernt werden. Die Suche nach einem Mitarbeiter läuft seit Kurzem, ob Duh damit Erfolg hat, wird sich weisen. „Am Anfang hört sich das vielleicht noch nett an, wenn man bei über 30° Grad dann aber ein Grab ausheben muss, überlegt man sich es vielleicht doch“, sagt Duh, während er eine Schaufel voll altem Grabgesteck auf seinen knallgelben Dumper lädt.

Insbesondere jetzt kurz nach Ostern fällt natürlich viel Mist an. „Da schmeißen die Leute noch Allerheiligengestecke oder Christbäume in die Container.“ Mithilfe seines Dumpers ist die Müllentsorgung für Duh allerdings noch eines der geringsten Probleme, vor ein paar Jahren hat er sich den Vorderkipper angeschafft. „Die Materialien und Fahrzeuge muss ich mir alle selbst zulegen, aber ich kann mir auch eine Art Leihgabe von der Pfarre aufnehmen. Den Dumper habe ich der Kirche voriges Jahr zurückbezahlt.“ Die Anschaffungskosten des Fahrzeugs? Über 25.000 Euro – für manche ein schönes neues Auto.

Robert Duh auf seinem gelben Dumper.
„Das Ding kann fahren und kippen“, erklärt der Verwalter. – Foto: Christian Albrecht

Ist eigentlich zu blöd, um zu studieren. Hat jetzt endlich Haare geschnitten und schaut laut Mama aus wie ein Häftling. Ansonsten Musik und Fußball.

Schreibe einen Kommentar

Your email address will not be published.

5 + neunzehn =

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

Vorherige Geschichte

Ein Arzt für die Vielfalt

Nächste Geschichte

Am Donnerstag spricht die Welt Deutsch

Letzter Post in VIERTEL(ER)LEBEN