Am 12. Mai findet der internationale Tag der Pflege statt. Ein Großteil der Pflegenden wird zu Hause von ihren Angehörigen betreut – der Wunsch nach Unterstützung und Anerkennung wird dabei immer größer. Seit April gibt es im neu eröffneten Albert Schweitzer Trainingszentrum die Möglichkeit, an Schulungen teilzunehmen.
„Wir sind in verschiedenen Forschungsbereichen tätig und wollen unser Wissen auch in Bildungsangeboten weitergeben – aus dieser Kombination entstand die Idee des Trainingszentrums“, so Lisa Weidinger, eine wissenschaftliche Mitarbeiterin des Albert Schweitzer Instituts für Geriatrie und Gerontologie, die mich durch die Räumlichkeiten des Trainingszentrums führt.
Ausgestattet ist es unter anderem mit einem Seminarraum, einem klinischen Simulationsraum und einer altersgerechten, barrierefreien Musterwohnung, die den Schulungsteilnehmern einen Raum für praxisbezogene Übungen bietet. Die Wohnung wurde liebevoll bis ins kleinste Detail eingerichtet und erinnert mit einem Pflegebett, einer kleinen Küche und diversen alltäglichen Möbel an einen seniorengerechten Haushalt. Zusätzliche Videokameras dienen dazu, dass die Schulungsteilnehmer die Übungen auch außerhalb der Musterwohnung genau mitverfolgen können. Durch die anschließende Selbstreflektion und intensive Gesprächsführung in der Gruppe soll ein großer Lerneffekt für die Schulungsteilnehmer erzielt werden. „Bei dieser speziellen Lernmethode mit Simulationen reflektieren die Teilnehmer ihr Handeln selbst,und finden so Verbesserungsmöglichkeiten“, sagt Weidinger.
Das Institut ist ein Teil der Geriatrischen Gesundheitszentren der Stadt Graz und befindet sich direkt am Klinikareal in der Albert-Schweitzer-Gasse 36. Nachdem das Trainingszentrum zuvor schon für Mitarbeiter zugänglich war, finden seit April auch Schulungen für pflegende Angehörige statt. Neben einem kostenlosen Basiskurs gibt es die Möglichkeit, an vier weiteren Praxismodulen teilzunehmen – unter anderem an einem Modul zum Umgang mit demenzkranken Menschen.
Der Wunsch nach Austausch
Viele pflegende Angehörige sehen es als selbstverständlich an, ein Familienmitglied im Alter daheim zu versorgen und setzen sich dabei enormen psychischen und körperlichen Belastungen aus. Vor allem die ständige Verfügbarkeit und fehlendes Fachwissen im Bereich der Pflege überfordern die Betroffenen im Alltag. „Anders als früher, sind die Menschen heute eher dazu bereit, sich Hilfe zu holen und über die Herausforderungen zu sprechen“, sagt Vesna Still, Gründungsmitglied des Vereins SALZ, der eine Selbsthilfegruppe für Angehörige von Alzheimerpatienten anbietet. Zusammen mit ihrer Mutter und Schwester pflegte Vesna Still selbst 18 Jahre lang ihren Vater in Graz, der 2000 die Diagnose Alzheimer erhielt.
„Anfangs fühlten wir uns total hilflos und allein gelassen“, so Still. „Wir merkten im Alltag immer häufiger, dass mit unserem Vater etwas nicht stimmt, gewisse Dinge verstand er einfach nicht mehr oder sie funktionierten nicht mehr für ihn“, erinnert sich Still. Ein großes Thema sei beispielsweise immer sein Auto gewesen. „Ich überlegte lange wie ich es ihm erklären soll, dass er aufgrund seines Gesundheitszustandes nicht mehr damit fahren kann.“ Mit der Zeit lerne man aber, mit der Krankheit umzugehen und beginne, überfordernde Situationen und Diskussionen mit liebevollen Tricks zu umgehen, um den Demenzkranken zu schützen: „Dann war das Auto eben kaputt oder in der Werkstatt“. Erst als sich der körperliche Zustand ihres Vaters enorm verschlechterte, holte sich die Familie Unterstützung durch eine Pflegekraft ins Haus, zwei Jahre bevor Stills Vater im Juli 2017 zu Hause verstarb. Der Austausch mit anderen pflegenden Angehörigen habe der Familie aber immer enorm geholfen, weshalb Still auch die Gründung des Vereines SALZ unterstützte – dort ist sie auch heute noch tätig und bietet Betroffenen Unterstützung an.
Brennendes Thema in der Gesellschaft
Als ihr Vater vor 18 Jahren die Diagnose Alzheimer erhielt, sei es noch unglaublich schwer gewesen, überhaupt einen neurologischen Arzt zu finden, der sich mit der Krankheit und der Pflege ihres Vaters auseinandersetzen wollte. „Da hat sich in den letzten Jahren unglaublich viel getan, die Krankheit wird heute in unserer Gesellschaft viel bewusster wahrgenommen“, sagt Still.
Dafür setzen sich auch Peter Siegmund und Manuela Gollowitsch vom Verein UELAPE ein und organisierten im heurigen Frühling im Grazer Minoritensaal eine Charity-Veranstaltung zugunsten demenzkranker Menschen und ihrer pflegenden Familienangehörigen.
Während ein Rahmenprogramm aus Livemusik und Kabarett für einen stimmungsvollen Abend sorgte, informierten Ärzte und pflegende Angehörige über die Krankheit und machten auf die belastende Situation der pflegenden Angehörigen aufmerksam. Der Erlös des Abends soll demnach zur Entlastung von betroffenen Familien dienen und einen Urlaub für Demenzkranke und ihre pflegenden Angehörigen ermöglichen.
Auch das Albert Schweitzer Institut will weiterhin in den Bereichen Forschung und Bildung tätig sein. Durch die wissenschaftliche Begleitung der Schulungen im Trainingszentrum, möchte man auch in Zukunft praxisnahe und nützliche Ergebnisse erhalten, um das Pflegepersonal und pflegende Angehörige bestmöglich zu unterstützen. „Wir sind schon gespannt, wie die einzelnen Kurse angenommen werden“, so Lisa Weidinger. Denn häufig brauche es eben Mut, sich Hilfe zu suchen und neue Dinge auszuprobieren.
*Titelbild: 2DreamProductions