Menschen mit Behinderung sind anderen in Österreich gleichgestellt, zumindest laut Gesetz. Die Realität sieht oft anders aus. Der Behinderten-Aktivist Erwin Riess schreibt Kriminalromane mit behinderten Protagonisten. Robert Konegger und David Werner Wiechenthaler vom Verein Selbstbestimmt Leben Steiermark sprechen mit mir über das Gleichstellungsgesetz, ihre persönliche Geschichte und was man als Einzelperson tun kann.
Donnerstag, kurz nach 17:00 Uhr. Es ertönt Musik aus dem ersten Stock der Eggenberger Allee 49. Nachdem Hans Lechner die Veranstaltung mit seiner Band, der Funky Jazz Lounge, eröffnet hat, beginnt die Lesung. Die Zuhörer lauschen gespannt, gelegentlich hellen sich die Gesichter auf und die Anwesenden lächeln.
Der Kampf
Der österreichische Schriftsteller Erwin Riess liest Geschichten aus seinen Büchern rund um das Thema selbstbestimmtes Leben. Nach der Lesung werden die Gäste zur Diskussion aufgefordert. Mit Obmann und Beirat des Vereins diskutiert Riess aktuelle Probleme und Schwierigkeiten, mit denen die Einzelnen im Alltag zu kämpfen haben.
„Unsere nichtbehinderten Lebenspartner, Freunde, die aber trotzdem mit uns kämpfen und einen Teil unseres Lebens mit uns gehen sind auch mit behindert“, meint Riess dazu. Oft sei es das fehlende Verständnis von anderen, die ohne Behinderung leben. Zum Beispiel ein Bewegungsmelder für das Behinderten WC, der sich außerhalb der Toilette befindet.
Gesetze sollen befolgt werden
„Der Gesetzgeber macht zwar Vorschriften, doch man muss sich selbst darum kümmern, dass diese auch eingehalten werden”, heißt es von Seiten der Anwaltschaft für Menschen mit Behinderung. Dies wäre vergleichbar mit der Abschaffung der Polizei und der Begründung, die Opfer würden sich schon selbst darum kümmern. „Der einzige Unterschied zwischen mir und den anderen Anwesenden ist, dass ich keine Behinderung habe”, sagt Behindertenanwalt Suppan während der Diskussion.
Die momentane Regierungssituation mache das nicht gerade leichter, man brauche mehr politisch Aktive, die sich der Herausforderung stellen. Aber es sei auch verständlich, dass man sich das in dieser politischen Lage zweimal überlegt. Menschen mit Behinderung wollen nicht als die Armen und Hilfsbedürftigen gesehen werden, um die sich schon irgendwie gekümmert wird. Das sehe man als Diskriminierung.
In gewissen Situationen brauche man aber Unterstützung. „Als Blinder kann ich zwar einkaufen gehen, aber die Buttermilch von Nöm und Stainzer kann ich nicht unterscheiden“, so Dietmar Ogris, stellvertretender Obmann des Vereins.
Die Steiermark als Vorreiter
Auch Werner David Wiechenthaler, Beirat des Vereins Selbstbestimmt Leben Steiermark, ist sich der momentanen politischen Situation bewusst. „Die Steiermark ist im Vergleich zu anderen Bundesländern relativ behindertenfreundlich”, sagt er. Weil es der Politik in der Vergangenheit immer ein Anliegen war. Das Problem bei den Gesetzen sei seiner Meinung nach, dass sie nicht richtig kommuniziert wurden, aber auch dass es keine Strafen gibt.
Ein weiteres Anliegen seinerseits sei es, Menschen mit Beeinträchtigung nicht vereinsamen zu lassen. Man könne auch als Privatperson helfen, indem man Zeit mit Behinderten verbringt, sagt er. Spazieren gehen, gemeinsam kochen und Personen Gesellschaft leisten. Aber nicht um das eigene Gewissen zu beruhigen. Der Blick nach unten zur Behinderung erfülle viele Menschen selbst mit Dankbarkeit. „Sie sehen es selbst, der eine ist blind, der andere querschnittsgelähmt, einer hat eine Lernbeeinträchtigt und so weiter“, sagt Wiechenthaler.
„Ich wollte mein Leben einfach leben“
Er selbst bekam mit 18 Jahren die Diagnose für Multiple Sklerose und kämpft seitdem mit der Krankheit. „Ich wollte nicht MS haben, ich wollte auch nicht damit konfrontiert sein. Ich wollte mein Leben einfach so leben. Es hat mir in Bezug auf mein Selbstbewusstsein einen ziemlichen Schlag gegeben“, so Wiechenthaler. Doch trotz seiner Einschränkungen lässt er es sich nicht nehmen, seine Träume zu verfolgen. Nach seinem Buch über Beatboxing, schreibt er nun an Kindergeschichten. Das ultimative Ziel sei es, wieder gehen zu können und zu seinem Beruf als Volksschullehrer zurückzukehren. Durch eine neue Form von Therapie mit hochdosiertem Vitamin D hat seine gesundheitliche Situation und somit auch sein Leben in den letzten drei Jahren wieder einen starken Aufschwung erlebt.
Barrieren abbauen
Die Veranstaltung sei dem Verein Selbstbestimmt Leben Steiermark ein wichtiges Anliegen, so der Obmann Robert Konegger. Man wolle Inklusion sichtbar machen. Besonders die Kooperation mit der Anwaltschaft für Menschen mit Behinderung und dem Verein Steirische Initiative für Menschen mit Behinderung freue ihn sehr. „Unsere Botschaft ist, dass jeder Mensch in der Zivilgesellschaft mithelfen kann um Barrieren abzubauen“, so Konegger.