Seit seiner Sanierung im November 2017 ist der Rösselmühlpark gut besucht. Doch mehr Menschen bedeutet auch erhöhte Verschmutzung. Deshalb haben sich zwei junge Männer entschlossen, selbst die Initiative zu ergreifen.
Nur vereinzelt sitzen an diesem Dienstagmorgen Personen auf den Parkbänken im Rösselmühlpark. Die Sonne scheint auf das Gelände und erhellt die von buntem Graffiti gezierten Wände der Postgarage. Schon nach wenigen Schritten wird das Problem, auf das die Annenpost aufmerksam gemacht wurde, deutlich: Unzählige Zigarettenstummel, Dosen und Plastikverpackungen liegen über den gesamten Park verteilt am Boden. Unter einer Parkbank liegt sogar ein ganzer Müllsack. Am anderen Ende aber spazieren zwei junge Männer, mit Müllbeutel und Greifzange ausgerüstet, in langsamem Tempo den Park entlang.
Rene Jagetsberger befindet sich derzeit in seiner Ausbildung zum Fachsozialbetreuer für Behindertenbegleitung und ist bei Jugend am Werk angestellt. Seit Februar ist der 21-Jährige als Einzelbetreuer für Daniel Reitbauer tätig. In den drei Jahren, in denen Jagetsberger in der Nähe des Rösselmühlparks wohnt, hat er die – besonders nach Wochenenden – starke Verschmutzung des Parks bemerkt. Auch Reitbauer legt sehr viel Wert auf Umweltschutz und so kam es zu der Idee, im Rahmen der Betreuung etwas gegen die Verschmutzung des Parks zu unternehmen. Die beiden kontaktierten die Stadt Graz, wo sie anfangs auf Verblüffung stießen: „Sie waren zuerst etwas erstaunt, weil sie dachten, wir wollen dafür eine Bezahlung. Aber darauf sind wir nicht aus.” Dann war die Reaktion aber sehr positiv und die beiden Männer wurden von der Stadt innerhalb kürzester Zeit mit Handschuhen, Müllbeuteln und Greifzange ausgestattet. Die Kooperation sei für alle vorteilhaft, meint Jagetsberger, auf Dauer würde sonst keiner mit der derzeitigen Situation glücklich sein. Einmal pro Woche – meist Montags – gehen die beiden jetzt ihre Runden durch den Rösselmühlpark und sammeln Müll auf. Die Stadt holt die vollen Säcke dann ab.
Fast jedes Mal sprechen BesucherInnen des Parks sie dabei an. „Wir werden immer wieder gefragt, was wir da eigentlich machen und wenn wir es erklären, finden das die Leute auch immer super”, sagt Jagetsberger. Oftmals können die Menschen gar nicht glauben, dass die beiden Männer diese Arbeit freiwillig und ganz ohne Bezahlung machen: „Manchmal denken die Leute, wir machen Sozialstunden. Schaut halt irgendwie so aus”, erzählt Jagetsberger. Das sei den beiden aber egal, sie wüssten ja, wofür sie es tun.
Bis an die körperlichen Grenzen
Einfach ist diese Arbeit besonders für Reitbauer nicht. „Es ist schon sehr anstrengend, aber das ist es wert”, erzählt er. Reitbauer ist auf beiden Beinen körperlich eingeschränkt und spaziert deshalb nur sehr langsam durch den Park. Seiner Stimmung tut das aber nicht den geringsten Abbruch. Ihm liegt die Umwelt am Herzen, wie an seinem Engagement kaum zu übersehen ist. „Aus Liebe, aus Poesie und aus Leidenschaft”, damit begründet er seine Motivation. „Wir gehen immer ein Stück, bis wir zu einer Parkbank kommen, dann kann sich Daniel hinsetzen”, erzählt Jagetsberger. Reitbauer wohnt zurzeit in einem Wohnhaus der Barmherzigen Brüder in Gleisdorf und wird mit dem Taxi in die Zweigstelle von Jugend am Werk in der Lauzilgasse gebracht. Ihr gemeinsames Interesse am Umweltschutz schweißt die beiden zusammen. An den Tagen, an denen sie nicht im Park unterwegs sind, betreuen sie unter anderem ein Hochbeet bei der Zweigstelle. Sämtliche Projekte seien laut Jagetsberger sehr personenzentriert: „Das Wichtigste bei Jugend am Werk ist die Selbstbestimmtheit der Menschen.”
Nach einer halben Stunde ist die erste Hälfte des Parks fast geschafft, inklusive mehrere Pausen für Reitbauer. Er hält sich nun an der Schulter von Jagetsberger fest, das erleichtert ihm das Gehen. Eine Frau betritt mit ihren zwei Kindern den Park und bewegt sich auf die neu installierten Hängematten zu. Eines ihrer Kinder spielt wenige Meter hinter ihr. Dort fischt es plötzlich einen scharfkantigen Dosendeckel aus dem Schotter. Jagetsberger geht auf das Mädchen zu, welches kurz darauf weiterläuft, den Dosendeckel lässt es zurück. Kopfschüttelnd hebt er den Deckel mit der Greifzange auf: „Das ist auch ein Grund, warum wir das hier machen. Hier sind viele Frauen aus der Gegend mit ihren Kindern. Die sollen ja einen schönen Ort haben, an dem sie sich aufhalten können.”
Dauerproblem Bewusstseinsmangel
Eine permanente Lösung kann das wöchentliche Aufsammeln von Müll allerdings nicht sein. Einmal pro Woche hier zu sein reiche auch nicht, meint Jagetsberger: „Da werden wir nie alles schaffen. Aber wir geben unser Bestes.” Er würde sich wünschen, dass die Stadt mehr Personal in die Gegend rund um den Rösselmühlpark schickt. Auch die vielbefahrene Straße, die am Park vorbeiführt sei, laut Jagetsberger, häufig stark verschmutzt, was aber auch daran liege, dass hier zu wenige Mülleimer zu finden seien. Aber die beiden Männer hoffen auch, mit dieser Aktion das Bewusstsein ihrer Mitmenschen zu stärken, damit es gar nicht erst zur Verschmutzung kommt. Sie sind überzeugt, dass niemand Müll auf den Boden wirft, ohne zumindest kurz daran zu denken, dass man das eigentlich nicht tun sollte. Sie würden sich wünschen, dass auch andere öfter die Initiative ergreifen und Müll vom Boden aufheben, um ihn zu entsorgen.
Nach etwas mehr als einer Stunde ist die heutige Runde geschafft. Reitbauer ist sichtlich erschöpft aber auch stolz. Mit einem gut gefüllten Müllsack machen sich die beiden Männer auf den Weg nach Hause. Nächste Woche geht das Ganze dann von vorne los – aus Liebe, aus Poesie und aus Leidenschaft.