Bei der regelmäßigen Bestandsaufnahme zu Leerständen in der Annenstraße erhob die Annenpost vergangenen Februar 27 leerstehende Geschäftsflächen. Sechs Monate später herrscht hinter ähnlich vielen Schaufenster Fassaden gähnende Leere. Doch welche Umstände hindern die Annenstraße daran, endlich dem Ziel einer belebten Einkaufsstraße nahe zu kommen? Eine Spurensuche.
Von: Clara Melcher, Theresa Niederl
Ein Update des Lageberichts vom Februar: Die abgedunkelten Schaufensterscheiben von vier der einst 27 leerstehenden Geschäftsflächen zeigten Spuren von neuem Leben. Somit stehen aktuell noch 23 Geschäftsflächen leer. Auch wenn sie sich um vier reduziert hat, ist dies dennoch eine bedeutend hohe Zahl. Auf der folgenden Karte sind die Veränderungen der vergangenen Monate rot eingezeichnet und halten fest, wie schnell ein einstiger Leerstand wieder zu neuem Leben erwachen kann.
27 Leerstände zählte die Annenpost im Februar 2018 entlang der Annenstraße. Jetzt sind es nur noch 23. Die rot eingezeichneten Icons zeigen, was sich seit der Zählung im Februar verändert hat.
Doch was kann man gegen die Verödung einer Straße wirklich tun? Wessen Aufgabe ist es, dem Entstehen von neuen Leerständen entgegen zu treten?
Zwischennutzung als Lösungsvorschlag
Seit 2016 versucht die Raumbasis mit Zwischennutzungen leerstehenden Geschäftsflächen vorübergehend Leben einzuhauchen und ist damit der einzige Verein in Graz, der eine derartige Serviceleistung anbietet. Der Verein fungiert als Schnittstelle zwischen Inhabern von leerstehenden Flächen und Menschen, die Raum suchen. Anna Resch leitet den Verein und weiß durch ihr breites Netzwerk, wo neue Geschäfte aus dem Boden sprießen und hinter welchen, mit Zeitungspapier verklebten Scheiben, neues Leben entsteht. Sie sieht die Lage der Annenstraße nicht so prekär, wie sie auf den ersten Blick scheinen mag, und meint, dass man “viel” nicht wirklich definieren könne. Stimmt man Resch zu, sind es vor allem die großen Eckpfeiler, wie das schon jahrelang leerstehende Roseggerhaus, die das Bild der Annenstraße prägen und negativ beeinflussen. Auch der dauernde Besitzerwechsel mancher Gebäude spiele eine Rolle und zeuge davon, dass manche Inhaber kein Interesse an einem Umbau hätten, der die Flächen attraktiv für neue Mieter mache, sondern eigene, wirtschaftliche Interessen verfolgen.
Laut der Leerstandsexpertin sei es schwierig, passende Lösungen zu finden: „Manchmal wollen die Besitzer niemanden einziehen lassen, auch nicht als Zwischennutzer, weil es dann mit dem Verkauf schwierig wird und Mieter rechtlich geschützt sind. Außerdem muss Leerstand in Graz nicht gemeldet werden, weshalb niemand weiß, wie viel wirklich leer steht. Das macht es auch nicht möglich, Steuern diesbezüglich einzuführen.” Zusammenfassend sagt sie: „Der Stadt wäre es sicher auch lieber, wenn es weniger Leerstände gibt, aber vermutlich wurde die richtige Methode noch nicht gefunden.“
Auswirkungen des Umbaus 2012
Veränderung in einer Stadt geschieht andauernd, die dauernden Baustellen sind ein Beweis dafür. Der Glanz, in dem die Annenstraße auf den ersten Blick erstrahlt, ist dem großen Umbau 2012 zu verdanken. Simone Reis ist seit 2009 Mitarbeiterin der Stadtbaudirektion. Ihre Aufgabe war es, neue Formen der Bürgerbeteiligung zu schaffen. Anrainer, Wirtschaft und Vereine sollten bezüglich des Umbaus zu Wort kommen und wurden zu ihren Interessen befragt. Aufenthaltsflächen zu schaffen und die Straße zu attraktivieren waren die großen Ziele des Umbaus, was laut Reis auch funktioniert hat: “Grundsätzlich ist das Projekt aufgegangen, nur das Begrünen der Straße war aufgrund von Wasser- und Fernwärmeleitungen nicht möglich.” Zum Anliegen der Geschäftsinhaber, dass die Annenstraße von einer Durchzugsstraße wieder zur Einkaufsstraße werden soll, sagt Reis: „Man kann Rahmenbedingungen schaffen, aber die Umgestaltung einer Straße verändert nicht die ganze Situation. Einkaufsstraßen werden immer mehr vom Online-Handel und Einkaufszentren abgelöst. Dieses Problem gibt es aber nicht nur in der Annenstraße, sondern in ganz Graz.“
Auch glaubt sie nicht, dass der Umbau die Leerstandssituation in der Straße beeinflusst hat: “Es war davor genauso viel leer, vielleicht sogar mehr und nach dem Umbau haben sogar einige Inhaber renoviert. Die Flächen, die leer stehen, haben teilweise nicht einmal eine Toilette und dadurch kann man sie schwer vermitteln. Lokale, die gut in Schuss sind, finden meistens Mieter.” Der Versuch, Verantwortliche für das Problem zu finden, ist laut Simone Reis ebenfalls nicht zielführend: “Es gibt kein Heilmittel und es gibt keine Schuldigen.” Auf die Frage nach Initiativen und Versuche seitens der Stadt Graz, die Leerstände zu minimieren, sagt sie, dass die Stadtbaudirektion nur für die bauliche Umsetzung zuständig ist und keinen großen Einfluss auf die Handelsstruktur nehmen kann und will: “Allerdings wird bei den Projekten mit den ansässigen Inhabern zusammengearbeitet, um Möglichkeiten für Passanten zu schaffen, wie zum Beispiel Sitzmöglichkeiten im Gastgewerbe.”
Initiativen außerhalb von Graz
Dass es sehr wohl professionelle und sehr unterschiedliche Möglichkeiten gibt, um Leerstand zu minimieren, zeigte die „space quest”. Die Raumbasis lud Ende Juni externe Spezialisten nach Graz, um Lösungsvorschläge und verschiedene Konzepte für Zwischennutzung zu diskutieren. Zu Gast waren die Zwischenzeitzentrale Bremen, Kreative Räume Wien (KRW), Nest – Agentur für Leerstandsmanagement und SUPER – Initiative für Zwischennutzung von Leerständen als kulturelle Handlungsräume. Zuerst stellten die einzelnen Experten ihre Projekte vor. Angie Schmied von Nest sagte über die Arbeit mit Leerstand und Zwischennutzung: “Wir werden zu Architekten, die nicht selbst bauen, sondern mit dem arbeiten, was es schon gibt. Weiters erklärte sie, dass ein Umdenken stattfinden müsse und Gebäude als Kreislauf begriffen werden sollten. Dadurch werden neue Formen der Nutzung möglich.
Ziel dieser Initiativen ist es, Beratung, Netzwerk, Kommunikation und Betreuung zu bieten. Dabei beschränkt man sich nicht auf eine Branche, sondern arbeitet mit vielen unterschiedlichen Akteuren. In einer anschließenden Diskussionsrunde bekam auch das Publikum die Möglichkeit, Fragen zu stellen. Auch City-Manager Heimo Maieritsch, der für ein gesondertes Interview nicht erreichbar war, sagte einige Worte und schloss mit dem Statement: „Wir sind auch nur Menschen”. Damit erinnerte er daran, dass jeder Beteiligte sein Bestes tut, um Leerstand einzudämmen, es aber Zeit brauche.
*Beitragsbild: Clara Melcher