Das Theater im Bahnhof ist Sieger der 19. Österreichischen Theatersport-Meisterschaften. Ensemblemitglied Jacob Banigan über Eieruhren, Assoziationen und sein Tun als Impro-Schauspieler.
„Was kommt Ihnen als erstes in den Sinn, wenn Sie an Italien denken?“, fragt der Mann auf der Bühne seine Zuhörerschaft. Aufmerksam richtet er den Blick ins Publikum. Von ihren bunten Kunststoffstühlen aus beobachten ihn die Menschen. Mit ebenso bunten Assoziationen füllen sie den Raum. Rom, Meer, Pizza, Espresso, Mafia – was verbinden wir sonst noch mit unseren südlichen Nachbarn? Der Begriffsregen verstummt. „Gut“, sagt der Mann auf der Bühne. „Ich habe alles für die Geschichte. Viel Spaß, genießen Sie es!“
Der Mann auf der Bühne heißt Jacob Banigan. Als Impro-Schauspieler gehört es zu seinen Aufgaben, mit dem Publikum ins Gespräch zu kommen. Der aus Kanada stammende Wahl-Grazer lässt sich von den Ideen und Wortmeldungen inspirieren und kombiniert diese mit seinem Wissen, seinen Erfahrungen. Daraus resultieren tiefgehende Geschichten, die Banigan häufig mit Gesangseinlagen, Tierlauten oder Akrobatik ausschmückt.
Die Möglichkeit, sich künstlerisch auszutoben, bietet ihm seit 2006 unter anderem das Theater im Bahnhof (TiB). Dieses holte erst kürzlich bei den 19. Österreichischen Theatersport-Meisterschaften im Linzer Posthof, bei welchen acht heimische Improtheater-Ensembles gegeneinander antraten, den Siegerpokal zurück nach Graz. Als festes Ensemblemitglied zeigt er dort monatlich seine in englischer Sprache gehaltene Solo-Show „Game of Death“, neben dem traditionellen „Montag“ die zweite Impro-Show des TiB. Die Geschichten, die dabei entstehen, richten sich stets nach den Wünschen des Publikums und sind naturgemäß jedes Mal so verschieden wie die Menschen selbst. „Wenn’s mir zu bekannt vorkommt, lenke ich das Geschehen in eine andere Richtung“, lacht Banigan.
Kanadier, Clowndoktor, English Lover
Angefangen hat seine Karriere im Jahre 1990. Nachdem er in Workshops erste schauspielerische Erfahrung gesammelt hatte, trat er dem Rapid Fire Theatre im kanadischen Edmonton bei. Es folgten unzählige Auftritte, Reisen durch Europa und schlussendlich der Umzug zu seiner Lebenspartnerin Beatrix Brunschko, ebenfalls Ensemblemitglied des TiB.
„Mit meinen Shows toure ich immer noch durch ganz Europa. Erst kürzlich war ich in London, letzte Woche hatte ich einen Auftritt in Steyr. Ich spiele aber auch sehr oft in Wien“, meint der vielbeschäftigte Bühnendarsteller. Ferner arbeitet Banigan als Clowndoktor, spielt bei zahlreichen Koproduktionen des TiB mit, koordiniert zusammen mit Brunschko die wöchentliche Impro-Show „Montag“ im Orpheum und ist Mitglied der Wiener English Lovers. Des Weiteren veranstaltet er rund um den Globus Workshops, die darauf abzielen, Interessierten die Kunst des Improvisationstheaters näherzubringen.
Wenn eine Eieruhr über Leben und Tod bestimmt
Wichtig ist Banigan der Aufbau einer ehrlichen Verbindung zu seinem Publikum. „Sei nicht klug, sondern beantworte einfach die Frage! Wichtig ist, dass meine ZuseherInnen präsent sind“, betont er. Die Geschichte entwickle ohnehin ihre eigene Dynamik. „Es ist, als ob du eine Kamera nimmst, sie irgendwo auf die Erde wirfst und dann hineinzoomst: Was sehe ich, was ist dort?“ Ab da nimmt die Handlung ihren Lauf, einziger Anhaltspunkt sind innere Assoziationen, Emotionen, Vorwissen. Hilfsutensilien wie die „Eieruhr des Todes“, die nach einer vom Publikum bestimmten Zeit zum Ableben eines Charakters in der Geschichte führt, verleihen dem „Game of Death“ zusätzliche Würze.
Einen weiteren Fixbestandteil der Show am TiB stellen die Lenormandkarten dar. Diese nach der Wahrsagerin Marie Anne Lenormand benannten Karten zeigen Symbolbilder, die die Macht haben, die Vorstellung in ungeahnte Richtungen zu lenken (siehe Titelbild). Als spannend erweist sich in diesem Kontext auch die Frage, was Assoziationen für den Impro-Schauspieler selbst ausmachen: „Wenn man von Assoziationen spricht, denken die Leute immer, meine Gedanken würden in seltsame Richtungen abdriften. Das wären freie Assoziationen. Ich habe aber natürliche – dabei geht’s nicht um irgendetwas, sondern immer um den nächsten logischen Schritt.“
Vom Lernenden zum Lehrenden
Trotz jahrzehntelanger Übung feilt Banigan weiterhin an seiner Bühnenpräsenz und ist dabei, seine Fähigkeiten als Schauspieler zu perfektionieren. Parallel dazu hat er es sich zur Aufgabe gemacht, sein Wissen und seine Erfahrungen in eigens organisierten Workshops weiterzugeben – schließlich hat auch er einst so seine Leidenschaft entdeckt. Allen, denen er ein Vorbild ist, gibt Banigan Folgendes mit auf den Weg: „Es hängt nicht mit Bühnenerfahrung zusammen, auch nicht mit Bildung. Alles, was man können muss, ist sprechen und sich dabei bewegen. Somit hat jeder das Zeug zum Impro-Schauspieler!“