Die Grazer Schachgesellschaft mit Hauptsitz im Eggenberger Gasthaus Roschitz gibt es seit mehr als 140 Jahren. Ein Besuch beim ältesten noch aktiven Schachverein Österreichs.
Die Stimmung an den zusammen geschobenen Holztischen im Grazer Kolpinghaus ist konzentriert, dabei gemütlich. Auf einem Brett versucht ein Junge im Camouflage-Pullover mit angespanntem Blick seinen schwarzen Springer gegen ein Heer aus weißen Bauern zu verteidigen. Weiter hinten im Raum, den die Grazer Schachgesellschaft für ihr wöchentliches Jugendtraining nützt, übt ein dunkelhaariger Bub Eröffnungen. Die russische Verteidigung steht vor ihm auf dem Spielbrett. Auf einem anderen Tisch albern zwei weitere Kinder fröhlich herum. Bis vor wenigen Jahren war dieses Bild bei der Grazer Schachgesellschaft noch schwer vorstellbar. “Der Verein war nur noch ein lebloser Schatten”, wie es in der Jubiläums-Festschrift von 2017 hieß. Es mangelte nicht nur an finanziellen Mitteln sondern vor allem an Nachwuchs.
Doch ab 2015 startete der Klub unter neuer Führung eine Jugend-Offensive. An acht Schulen organisiert der Verein seither Schach-Kurse. “In den letzten drei Jahren stieg unsere Mitgliederzahl von 45 auf 78 an”, erklärt Obmann Reinhard Ussar stolz, “davon sind 28 Spieler unter 20 Jahren.” Der Jüngste sei gerade einmal 5.
Bewegte Geschichte
Die Grazer Schachgesellschaft, die seit 2013 ihren Hauptsitz im Gasthaus Roschitz in Eggenberg hat, ist einer von fünf Schachvereinen, die ihr Vereinsheim im Annenviertel haben und blickt auf eine lange Geschichte zurück. 141 Jahre lang, um genau zu sein. Gegründet wurde sie 1877 von einer Gruppe um Johann Berger. Berger war der erste Direktor der HAK in der Grazbachgasse und seinerzeit auch einer der besten Schachspieler der Welt.
Als Vorbild diente bei der Gründung die Wiener Schachgesellschaft, die 20 Jahre vorher ins Leben gerufen worden war, sich aber 1938 auflöste. Seitdem ist die Grazer Schachgesellschaft der älteste noch aktive Schachverein in Österreich.
Der Verein war in der Zeit der k.u.k. Monarchie ein elitärer Klub, dessen Mitglieder meist adeligen Standes waren. “Man konnte nicht einfach beitreten. Zuerst musste man von einem anderen Mitglied vorgeschlagen werden, dann wurde noch darüber abgestimmt”, erklärt Ussar. Um 1900 zählte die Schachgesellschaft ungefähr 100 Mitglieder. Doch die beiden Weltkriege hinterließen auch im Verein ihre Spuren. Viele Mitglieder seien im Krieg ums Leben gekommen, dem Terrorregime der Nazis zum Opfer gefallen oder geflüchtet, erzählt der Obmann. “Und nach dem Zweiten Weltkrieg waren die Menschen mit ganz anderen Dingen beschäftigt als mit Schach.” So habe der Verein in der Nachkriegszeit Mühe gehabt, sich zu erhalten.
Seitdem spielte der Verein, vorwiegend in der Landes- und Stadtliga. In den 90er-Jahren nahm man in einer Spielgemeinschaft mit Concordia Graz sogar an der Staatsliga B Süd, der zweithöchsten Spielklasse in Österreich, teil. Momentan ist die Schachgesellschaft mit einer Mannschaft in der steirischen Landesliga vertreten. Fünf weitere Mannschaften spielen auf Stadtebene verteilt von der Stadtliga bis zur 3.Klasse. In Graz ist die Schachgesellschaft einer von elf aktiven Vereinen.
Faszination Schach
Für Laien ist es wohl schwer verständlich, wie das Verschieben von Figuren auf einem Brett eine derartige Faszination ausüben kann. Reinhard Ussar, der mit zwölf Jahren durch seinen damaligen Mathematik-Lehrer zum Schachsport fand, erklärt das so: “Bei einem Schachspiel durchlebt man ein ganzes Leben. Von der Eröffnung, der Geburt, bis zum Schachmatt – dem Tod. Es vereint gewissermaßen Tradition, Kultur und Sport in einem. Man lernt zu gewinnen und man lernt mit Niederlagen umzugehen.” Talent sei zwar ein entscheidender Faktor, aber im Vordergrund stehe wie bei jedem anderen Sport hartes Training. “Ein guter Schachspieler speichert sich Spielsituationen im Kopf ab und merkt sich dann, welcher Zug gut funktioniert hat und welcher nicht. So wird man von Spiel zu Spiel besser.” Bei so viel Gehirnjogging ist es kaum verwunderlich, dass Studien zum Schluss kommen, Schach beuge gegen Altersdemenz vor. Was dann eher verwundert ist, dass professionelle Schachspieler während einer anstrengenden Partie so viel Gewicht verlieren, wie ein Fußballspieler bei einem Match. Physisches Training gehört deshalb auch zum Trainingsprogramm der meisten Schachprofis.
E-Mail-Adresse: office@schachgesellschaft-graz.at
Webseite: http://www.schachgesellschaft-graz.at/
Vereinsabend: Dienstag, 18 Uhr im Gasthaus Roschitz, Georgigasse 42
Jugendtraining: Freitag, 15.30 Uhr im Jugendwohnhaus Kolpinghaus, Kolpinggasse 3