Theo Deutingers "Handbook of Tyranny" im HDA

Handbook of Tyranny: Architektur vs. Menschlichkeit

Lesezeit: 2 Minuten

Theo Deutingers “Handbook of Tyranny” ist eine Sammlung von Stadt- und Gebäudeplänen, die sich gegen die Freiheiten und das Wohlbefinden von Menschen richten. Das Haus der Architektur präsentiert derzeit einige Auszüge des Buches und veranstaltete am 20.3. ein “ARCH+ features”.

Theo Deutinger ist Architekt, Autor und Verfasser von soziokulturellen Karten und Studien. Seine neueste Arbeit ist das “Handbook of Tyranny”, in dem er Grafiken und Pläne, die Maßnahmen zur Einschränkung von Menschen beschreiben, sammelt. Auszüge daraus sind derzeit im Haus der Architektur (HDA) zu sehen. Am vergangenen Mittwoch führte Deutinger durch die Ausstellung und anschließend luden das HDA und die deutsche Architekturzeitschrift ARCH+ zu einer Diskussionsrunde über den Zusammenhang von Architektur und politischen Tendenzen im Rahmen der Veranstaltungsreihe ARCH+ features.

Architektur von und gegen Menschen

“Normal denkt man an eine Mauer für ein Haus – also an etwas Produktives. Eine Mauer ohne Tür, ohne Fenster, ohne Dach ist ein eigenartiges architektonisches Element”, beschrieb Theo Deutinger das kontroverse Thema. Doch wie kommt es, dass sich ein Architekt mit politischen Themen auseinandersetzt? Architektur sei sowieso immer politisch, allein schon durch Baugesetze. Und durch die Sichtbarkeit im täglichen Straßenbild würde sie auch genauso diskutiert, sagte Deutinger.

Die Ausstellung solle das Büro eines Tyrannen mit seinen vielen Plänen darstellen, erklärte er während der Führung zu Beginn des Abends. Die Wände des Ausstellungsraumes sind gefüllt mit den besagten Illustrationen. Von Gefängniszellen-Grundrissen über Pläne zur Kontrolle von Menschenmengen bis hin zu Trumps Mauer-Plänen – alles zielt auf eines ab: Die Menschen in ihrer Bewegungsfreiheit einzuschränken

Theo Deutinger führte durch die Ausstellung im Haus der Architektur – Foto: Nadja Eder
Die Mauerpläne von Donald Trump mit Anmerkungen von Besuchern – Foto: Nadja Eder

ARCH+ features: Handbook of Tyranny

Die Reihe ARCH+ features wird von der vierteljährlich erscheinenden Architekturzeitschrift ARCH+ veranstaltet. Diesmal fand eine Diskussionsrunde im HDA mit Theo Deutinger, Mischa Leinkauf, der Teil des Künstlerduos Wermke/Leinkauf ist, Anh-Linh Ngo und Angelika Hinterbrandner von ARCH+ und Markus Bogensberger vom HDA, statt.

Zuvor präsentierte Mischa Leinkauf auf Wunsch von Deutinger mehrere Arbeiten, darunter “Überwindungsübungen”. Als Vorlage dienten Archivbilder von Testmauern aus der DDR. Die Effizienz dieser Mauern sollte damals durch die Überwindungsübungen getestet werden, die das Künstlerduo nun in eigenen Fotos nachstellte. Des Weiteren erzählte Leinkauf von der gemeinsamen Aktion, bei der sie die Sternenbanner auf der Brooklyn-Bridge über Nacht austauschten. Bei der Bevölkerung und in den Medien löste dies Panik vor einem möglichen Attentat aus.

Theo Deutinger erklärte, dass dieses bewusste Arbeiten gegen einschränkende Infrastrukturen der Grund sei, warum er sich Mischa Leinkauf als Gast beim aktuellen ARCH+ features gewünscht habe.

Mischa Leinkauf (Mitte) bei der anschließenden Diskussionsrunde – Foto: Nadja Eder

Der Architekt als Gesellschaftskritiker

Die Idee, sich mit einschränkender Architektur zu befassen, habe es schon länger gegeben. Nach fünf Jahren der Recherche und des Zeichnens wurde das Handbook of Tyranny  im Oktober 2017 bei Lars Müller Publishers veröffentlicht.

Neben Mauern und Gefängniszellen beschreibt Theo Deutinger auch subtilere architektonische Maßnahmen zum Eingriff in menschliches Verhalten. Ein Beispiel für einen “schlechten Eingriff” sei, wenn man Menschen durch die Architektur keine andere Wahl lasse. “Das beginnt schon bei Parkbänken mit Mittelarmlehnen, die verhindern, dass man sich hinlegt”, erklärte Theo Deutinger. Es würde hier gegen etwas gearbeitet, dass in der Regel sowieso fast nie vorkomme.

Als aktuelles Beispiel dafür nannte Deutinger auch den Wunsch der Regierung, verstärkt auf berittene Polizei zu setzen. Diese gebe es hauptsächlich, weil man so leichter große Menschenmassen kontrollieren könne. “Man sieht anscheinend irgendeinen Anlass, sich auf zukünftige Großdemonstrationen vorzubereiten, und das finde ich besorgniserregend!”, sagte der Architekt. Deutinger empfiehlt vor allem Stadt-Politikern und -planern aber auch Architekten einen Besuch in der Ausstellung. Diese ist noch bis 26. April im HDA zu sehen.

Spross aus steirischem Süd-Ost-Block, seit einiger Zeit feste Wurzeln in Graz. Fotografie-, Koffein- und Serienjunkie mit Fokus auf Game of Thrones, Vikings und Doctor Who. Meistens müde und in der Regel nett.

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