Diagonale 2019 – Kurzfilme unter freiem Himmel

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Diagonale: Klappe, die letzte! Neben Film-Screenings und Diskussionsrunden bot das Programm auch außerhalb der Kinosäle wieder reichlich Unterhaltung für Filmbegeisterte.

Schon seit einigen Jahren ist die Kurzfilmwanderung der Gruppe “Street Cinema Graz” fester Bestandteil des Veranstaltungskalenders der Diagonale. Auch beim kommenden Lendwirbel wird eine Auswahl an Kurzfilmen unter freiem Himmel gezeigt. Street Cinema Graz hat es sich zur Aufgabe gemacht, dem Kurzfilm als Darstellungsform und seinen Schaffenden eine Plattform zu geben. Mit Projektor und Stereoanlagen ausgerüstet, wanderte die Gruppe durch die Stadt, um unscheinbare Plätze in temporäre Freiluftkinos zu verwandeln. Die diesjährige Kurzfilmwanderung mit dem Titel “Keine Rosen ohne Dornen” führte an Orte, die die steirische Frauengeschichte prägten. Passend dazu die Themenschwerpunkte der ausgewählten Filme: Gender, Geschlechterrollen und Feminismus.

Punk, Jazz und Synthesizer

Die Johannes Nepomuk Kapelle im Stadtpark diente als erster Schauplatz der Film-Tour. Dieser wurde der Zeitzeugin und Freiheitskämpferin Maria Cäsar gewidmet, die von 1950 bis zu ihrem Tod 2017 in Graz lebte. Die Lastenfahrräder, beladen mit Stereoanlagen und Laptop, vor der Kapelle positioniert, der Projektor darauf ausgerichtet und schon eröffnete der erste Kurzfilm den Abend. Die Leinwand wurde fast gänzlich dunkel, verschwommene Lichter flackerten auf, begleitet von düsterem Post-Punk. Das Musikvideo von Tina Bauer zum Song “Cymbals” der Wiener Band Lady Lynch ließ das zuvor redselige Publikum verstummen. Alle Augen waren auf das Projizierte fixiert – ein guter Start.
Die repetitiven Bässe von zuvor wurden sobald von entspannenden Jazz-Drums abgelöst, bei einem Portrait der Percussionistin Eva Klesse von Jannis Bach.
Bevor es zum nächsten Schauplatz ging, wurde noch der Essayfilm “Mensch Maschine Or Putting Parts Together” von Adina Camhy gezeigt: ein Film über Gender-Konstrukte, untermalt mit Synthesizer-Sounds.

Kurzfilme mit Humor

Der zweite Halt im Joanneumsviertel war der Komponistin Olga Neuwirth gewidmet, und bewirkte einen vollkommenen Umschwung der Stimmung. Gleich zu Beginn zeigten die Veranstalter “Die Intrige und die Archenmuschel” von Kurdwin Ayub. Die mit Stop-Motion animierten Geschlechtsteile, die einen Rock’N’Roll-Song performten, waren den ein oder anderen Lacher wert. Das meiste Gelächter des Abends generierte der danach gezeigte Kurzfilm “Geh Vau” von Marie Luise Lehner. Die Prämisse ganz simpel und doch polarisierend: Zwei junge Frauen, die ganz unverblümt über GV, Geschlechtskrankheiten und Verhütung reden – und das auch schonmal vor einem ihrer Verehrer. Trotz der Direktheit der Charaktere und ihrer Dialoge wirkte der Film ein wenig klischeehaft und unnahbar. Einige Teilnehmer des Events teilten diese Einschätzung, andere wiederum lobten das Projekt. Feminismus in der Wiener Kunstszene ist eben nicht jedermanns Sache.

“Die Intrige und die Archenmuschel” von Kurdwin Ayub – Foto: Tina Stadler

Film und Familie

Die Menge wanderte weiter in die Stempfergasse, wo man Kochbuchautorin Katharina Prato mit einer Projektion ehrte. Im Anschluss feierte Simon Spitzers “But then I realized” Premiere: Musik bewegt eine Frau, in Erinnerungen zu schwelgen. Ein Film, ganz unkontrovers, und deshalb so zugänglich für das Publikum und ein guter Übergang zum nächsten Film im Programm. In “Zwischenstopp” von Cosima Frei trifft eine Frau, die ihrer Familie hinter sich gelassen hat auf ihren Bruder und wird mit ihrer Vergangenheit konfrontiert. Verantwortungsgefühl, Selbstverwirklichung, Freiheitsdrang – Themen, die in allgegenwärtig sind, wenn es darum geht, was Familie wirklich bedeutet.

Screening “But then I realized” von Simon Spitzer – Foto: Tina Stadler

Letztes Screening vor Lendwirbel

Die diesjährige Kurzfilmwanderung fand am Tummelplatz ihr Ende. Bei diesem Halt wollte man auf die erste Frauenbeauftragte Österreichs und Ehrenringträgerin der Stadt Graz, Grete Schurz, aufmerksam machen. Der Kurzfilm “Berlin Arschloch” von Erika Ratcliffe rundete die durchaus gelungene Veranstaltung ab. Darin begleitet man eine Comedienne, wie sie versucht, ihren Alltag zu meistern. Eine Prämisse, die es so schon unzählige Male gegeben hat – aber mit männlichen Protagonisten. Eine weibliche ist genau das, was dieses Format nötig hatte. Entstanden ist ein entwaffnend ehrlicher Kurzfilm, der zum Lachen, Mitfühlen und Nachdenken animiert. Ein gelungener Abschluss, über den beim, von den Veranstaltern geplanten anschließenden Zusammensein, viel gesprochen wurde.

Die nächste Kurzfilmwanderung veranstalten Street Cinema Graz im Zuge des Lendwirbel 2019, der von 28. April bis 5. Mai stattfinden wird.

Hasst weniges, liebt vieles und glaubt, wenn es eine höhere Macht geben würde, hätte sie mit Sicherheit Joni Mitchells Stimme.

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