Astrid Polz-Watzenig und Rene Weingraber-End leiten eine Gruppentherapie für Demenz-Angehörige in Graz. Die beiden Psychotherapeuten in Ausbildung und eine betroffene Angehörige sprechen über das Allein-Sein und darüber, warum eine Selbsthilfegruppe manchmal nicht mehr ausreicht.
Ob Großeltern, Eltern, Ehepartner, Geschwister, Verwandte, Freunde oder Nachbarn – treffen kann es sie alle. Demenz ist nicht heilbar und verläuft über Jahre hinweg, bis Erkrankte oft unbemerkt in die soziale Isolation schwinden. Doch was ist mit den Angehörigen, die den langsamen Verlust eines besonderen Menschen miterleben?
Der harte Alltag
Der Ehemann von Christine R. leidet seit 2012 an Alzheimer-Demenz und ist seit zwei Jahren in einem Pflegeheim untergebracht. Sie hat lange versucht, ihn zuhause in seinem gewohnten Umfeld zu pflegen. Bis er nachts über die Terrassentür und den Garten zur Bushaltestelle verschwunden ist. Frau R. „besuchte“ ihn dann in der Siedlung, wie sie es mit leiser Stimme nennt. Doch als er ihr gegenüber aggressiv wurde, nahm man ihn im Krankenhaus stationär auf. Danach war sofort klar: die Pflege zuhause ist zu gefährlich. Ein Heimplatz war durch Glück schnell gefunden, doch Unterstützung erhielt Christine R. bei dieser Angelegenheit keine. „Da hilft einem niemand, keine Pflegedrehscheibe, niemand. Ich habe mich damals wirklich alleingelassen gefühlt“, erklärt sie sichtlich enttäuscht. Im Krankenhaus stellte man ihr zwar eine Sozialarbeiterin zur Seite, doch diese informierte nur über potenzielle Heime und wie lang die jeweiligen Wartelisten sind.
Einzigartiges Angebot
Um Menschen wie Christine R. nicht alleine zu lassen, gibt es seit Herbst 2018 ein Psychotherapeutisches Gruppenangebot für Angehörige von Demenzerkrankten im Vortragssaal des Elisabethinen Krankenhauses. Dieses widmet sich gezielt dem Trauer- und Abschiedsprozess. Die Idee dazu hatte die gebürtige Kärntnerin Astrid Polz-Watzenig, als sie im Zuge ihres Psychotherapie-Studiums in Krems ein Praktikum im Gerontopsychiatrischen Zentrum in Graz machte. Durch das Studium lernte sie auch ihren Kollegen Rene Weingraber-End kennen. Er arbeitet heute hauptberuflich in einer psychosozialen Beratungsstelle in Weiz. In Einzelgesprächen mit betroffenen Angehörigen fiel den beiden unabhängig voneinander auf, dass es so gut wie keine Unterstützung für diese gibt. „Die Überlegung war so: Was kann man denen geben, damit sie in diesem ambivalenten Abschiedsprozess nicht alleine sind?“, so Polz-Watzenig.
Der soziale Tod ihres Mannes ist der Grund, warum Christine R. die Gruppentherapie, die ihr im Gerontopsychiatrischen Zentrum empfohlen wurde, in Anspruch genommen hat. „Ich habe das erste Mal mit Betroffenen reden können, die das gleiche Schicksal teilen“, erzählt Frau R. mit gefasster Stimme. Das Gefühl, nicht alleine zu sein und sich mit anderen austauschen zu können, erleichtere sie enorm. Ziel der Gruppentherapie ist, dass die Angehörigen den Umgang mit der Ambivalenz des Abschied-Nehmens erfahren und erlernen.
Keine Selbsthilfegruppe
Doch was unterscheidet die Gruppentherapie von einer herkömmlichen Selbsthilfegruppe? Betroffene tauschen sich nicht unstrukturiert über den Umgang mit Demenzerkrankten aus, wie es in einer freien Gesprächsgruppe meist der Fall ist, sondern die beiden Therapeuten geben eine klare Linie vor. So gibt es auch mit jeder BewerberIn ein Vorgespräch, das abklären soll, ob der- oder diejenige wirklich bereit ist, sich einer Gruppe zu öffnen. Polz-Watzenig und Weingraber-End stellen die TeilnehmerInnen in den Mittelpunkt und ermutigen sie, ihre Grenzen auszutesten, damit die Angehörigen auch im stressigen Alltag erkennen, wann etwas zu viel ist. Gearbeitet wird kreativ, mit Malen, Bewegung oder (verbalem) Ausdruck. Die zurzeit ausschließlich weiblichen Teilnehmerinnen, die meist auch die Pflegerolle übernehmen, erlernen dabei, wie sie am besten in sich hineinhören und auf ihre eigenen Gefühle und Wünsche optimal eingehen können.
Christine R. möchte zuletzt noch einen Appell an die Öffentlichkeit richten: Das geschönte Bild von Demenzerkrankten, das von der Politik und gewissen Organisationen verbreitet wird, stört sie am meisten. So oft werde medial gezeigt, wozu demenzkranke Menschen noch fähig seien, doch das seien Anfangsstadien der Krankheit und entspreche nicht der Wirklichkeit, meint Frau R. Oft hat sie sich schon vorgenommen, Briefe zu schreiben, das nicht auf sich sitzen zu lassen, denn als Demenz-Angehörige will sie das so entstandene Bild nicht akzeptieren.
Ort: Krankenhaus der Elisabethinen, Vortragssaal im 1. Stock, Elisabethinergasse 14, 8020 Graz
Teilnehmerbegrenzung: max. 10 TeilnehmerInnen pro Angebot (10 Einheiten)
Kosten: Preis auf Anfrage
Nächstes Angebot: Herbst 2019
Mag.ª Astrid Polz-Watzenig
E-mail: praxis@astridpolzwatzenig.at
Telefon: 06602441069
Mag. Rene Weingraber-End
E-mail: rene.end@gmx.net
Telefon: 06509573330