Normalerweise werden Therapeuten fürs Zuhören bezahlt. Katrin Trenker, Psychotherapeutin mit Praxis in Eggenberg, dreht den Spieß um und erzählt von der belastenden Arbeit, der Anti-Suizid-Klausel und der Stigmatisierung von Therapie-Patienten. Und wir haben zugehört.
Die Couch in der Praxis von Katrin Trenker quietscht ein bisschen, wenn man darauf herumrutscht. Am Tisch stehen Schokokekse. Motivationsbilder sowie Massivholz-Bücherregale sucht man vergeblich. Die Atmosphäre in dem hohen, hellen Raum ist überraschend angenehm und bunte Polster und Teppiche erinnern an das eigene Wohnzimmer. Katrin Trenker strahlt, sobald sie ins Reden kommt. Sie erzählt von ihrem Werdegang, ihrem gescheiterten Pädagogik-Studium und ihrer Tätigkeit als Sozialarbeiterin. Heute ist sie Therapeutin aus dem systemischen Bereich, das bedeutet, dass ihre Therapie gesprächs- und verhaltensorientiert ist, aber auch darstellend-kreative Techniken einsetzt. Zusätzlich spezialisierte sich Katrin Trenker auf die Traumatherapie.
Wie Traumatherapie funktioniert
Die Traumatherapie wird zur Behandlung schwer traumatisierter Menschen eingesetzt. Diese haben schlimme Dinge erlitten, Missbrauch, Gewalt, traumatische Unfälle oder Vernachlässigung zum Beispiel. Um danach wieder ein geordnetes Leben führen zu können, bedarf es einiger Schritte. Bevor die eigentliche Therapie beginnen kann, muss zuerst die „Stabilität im Außen” hergestellt werden. Das bedeutet, dass der Patient in Sicherheit sein muss, indem er sich beispielsweise von einem gewalttätigen Ehepartner trennt, oder die Beziehung zu missbräuchlichen Eltern abbricht. Wenn das gegeben ist, kann Trenker damit beginnen, den Patienten innerlich zu stabilisieren, auch „Stabilität im Innen” genannt. „Das heißt, dass der Klient lernt, für die eigene Sicherheit zu sorgen. Er erlernt Methoden, sich selbst zu beruhigen, und Strategien, um den Alltag gut leben zu können”, erklärt sie.
Erst wenn das sichergestellt ist, beginnt Trenker mit der Traumakonfrontation. Denn die Psychotherapeutin ist der Meinung, dass Therapie dem Patienten auch schaden kann, sollte man zu schnell in die Konfrontation gehen. „Mir ist das Gott sei Dank noch nicht passiert. Ich habe das Gefühl, dass mir meine Patienten meine Grenzen immer sehr gut aufzeigen.”
Mensch-ärgere-dich-nicht für Choleriker
Weil Katrin Trenker aus der systemischen Therapie kommt, gibt es eine breite Palette an Methoden, die sie gerne anwendet, um ihren Patienten zu helfen. „Vor allem die Therapie von Jugendlichen muss man viel lebendiger gestalten, deshalb spielen wir viel, weil sie oft das konfrontative Zweier-Setting schwerer aushalten.” Ihre Spiele reichen dabei von Klassikern wie UNO über Emotionskarten bis hin zu eigenen Therapie-Spielen. „Was die Jugendlichen sehr gerne mögen, ist mein Familienbrett. Dabei kann man Familienverhältnisse aufstellen und distanziert sich gleichzeitig körperlich davon, wenn es vor einem auf dem Tisch steht”, erklärt sie. Trenker lacht: „Auch Mensch-ärgere-dich-nicht ist gar keine so blöde Idee, weil meine Jugendlichen oft eine niedrige Frustrationstoleranz haben.” Natürlich spiele aber nicht jeder Jugendliche gerne, einige fänden das blöd und würden die „Zeit nur für sich” voll auskosten wollen.
Die Anti-Suizid-Klausel
Natürlich dreht sich die Therapie bei Frau Trenker nicht nur um Spiele, im Gegenteil. Sehr viel Zeit wird mit Gesprächen verbracht, in denen die Patienten sich von der Seele reden können, was sie gerade möchten. Dabei sei es extrem wichtig, den roten Faden nie zu verlieren und sein Ziel immer vor Augen zu haben. Deswegen gibt es zu Beginn der Therapie einen Therapievertrag. „Darin stehen hauptsächlich organisatorische Sachen, Frequenz, Absageregelung, das vereinbarte Ziel. Manche Kollegen nehmen sogar die sogenannte Anti-Suizid-Klausel mit hinein”, erklärt sie.
Diese verbietet dem Patienten während der Dauer der gesamten Therapie einen Selbstmordversuch zu unternehmen. Das kann man auf diese Weise nicht komplett absichern, da sich der Patient jederzeit darüber hinwegsetzen könnte, aber diese Klausel alleine gibt suizidalen Personen oft die Sicherheit, eine gewisse Zeit gebunden zu sein. „Manche Kollegen schreiben in den Vertrag, dass es im Falle eines fehlgeschlagenen Versuches zu einem Therapieabbruch kommt, aber das finde ich nicht gut, weil diesen Menschen kann man ja auch wieder helfen. In meinem Vertrag steht die Klausel gerade gar nicht, weil ich momentan keine suizidalen Klienten habe, aber ich würde es auch hineinschreiben”, erklärt sie.
Mit harten Geschichten umgehen
Vor allem die Traumatherapie konfrontiert Katrin Trenker oft mit den grausamsten Schicksalsschlägen, die Menschen widerfahren können. „Bei wirklich heftigen Geschichten denke ich mir manchmal: Da gibt es jetzt echt keine Steigerung mehr. Und dann kommt der nächste Patient”, sagt sie.
Um diesen belastenden Beruf so durchführen zu können, dass es die eigene Gesundheit auf Dauer nicht gefährdet, braucht es gute Mittel und Wege, um sich emotional abzugrenzen. Katrin Trenker hat für sich einige Rituale entwickelt. Jeden Abend, bevor sie ihre Praxis verlässt, schreibt sie alles nieder, was ihr noch durch den Kopf geht. Ansätze für die nächste Stunde, Fragen, die sie noch stellen muss, Gedankensprünge. So befreit sie ihr Gehirn und stellt sicher, dass sie nichts mehr vergessen kann. „Also dokumentieren muss ich meine Fälle rechtlich sowieso, aber dann nehme ich mir noch 10, 15 Minuten für mein eigenes Ritual. Das hilft mir sehr, um meinen Kopf freizubekommen und am Ende des Arbeitstages damit abzuschließen”, erzählt sie. Das funktioniert jedoch nicht immer. „Wenn mich etwas an meine eigene Geschichte erinnert, oder ein Fall besonders berührend oder schwer ist, dann nehme ich meine Arbeit schon manchmal mit nach Hause”, sagt sie. Was dann noch hilft? Trenker schmunzelt: „Was ganz Banales machen. Spazieren, putzen, bügeln.”
Therapie = Schwäche?
Seit zehn Jahren ist Katrin Trenker Psychotherapeutin und sie merkt: In der Branche tut sich etwas. Therapie werde nach wie vor mit Schwäche assoziiert, dieses Stigma würde man noch lange behalten. Warum? „Vielleicht gar nicht nur mit Schwäche”, fügt Trenker hinzu, „sondern auch mit deppert sein, verrückt sein, nichts auf die Reihe kriegen. Das kommt vermutlich so tief aus dieser ganz alten Psychiatrie, wo die Leute noch weggesperrt waren”, sagt Trenker. Dennoch spürt die Therapeutin auch eine Gegenbewegung. „Ein bisschen mehr Akzeptanz ist schon da, und manchmal finden es die Leute auch cool, seinen eigenen Therapeuten zu haben. Das ist etwas sehr Positives.”
Vor allem in Filmen werde der Beruf regelmäßig falsch dargestellt, das merke sie auch im Alltag. „Wenn ich jemandem sage, ich bin Psychotherapeutin, sind viele ganz vorsichtig oder reden gleich gar nicht weiter mit mir. Also keine Angst, ich kann euch nicht ins Innerste der Seele blicken.”