Bikepolo – ein Sport, der sich immer größerer Beliebtheit erfreut, steht auch in Graz seit einigen Jahren hoch im Kurs. Am vergangenen Wochenende fand im Rahmen des Lendwirbels bereits das 5. internationale Turnier statt. Die diesjährigen Sieger heißen „#itsonlyfuckingwolfgang“ und kommen aus Nürnberg und Ingolstadt.
“Ready? Go on whistle!“ Der Pfiff ertönt. Von beiden Seiten startet ein Spieler im Vollsprint in Richtung Mittellinie. Sie wollen beide als erster am Ball sein, der seelenruhig in der Mitte liegt, um ihrem Team einen Vorteil zu verschaffen. Der Spieler von Team Golem setzt sich durch, schiebt den Ball zwischen den Rädern des Kontrahenten hindurch und sucht den direkten Weg zum Tor. Er manövriert sein Rad am nächsten Gegenspieler vorbei, den Ball eng am Schläger geführt. Um das Runde ins Eckige zu bekommen, zieht er voll durch und knallt den Hartgummiball in Richtung Tor. Der verteidigende Spieler reagiert blitzschnell, beugt sich hinunter und kann mit seinem Schläger den Schuss blocken. Prompt leitet er den Konter ein. Ein weiter Pass erreicht den heraneilenden Spieler, der die Kugel direkt übernimmt und sie platziert im rechten Eck des Tores versenkt – 1:0.
Fünfte Auflage mit internationaler Beteiligung
Es ist Samstagmorgen, TeilnehmerInnen aus ganz Europa haben sich zum 5. internationalen Bikepolo-Turnier “The Real Vienna Open” im Volksgarten eingefunden. Es findet im Zuge des Lendwirbels statt und wird von Bikepolo Graz organisiert. Schon am Vortag präparierten die Veranstalter den Platz. Selbstgebaute Banden begrenzen den Hartplatz, auf dem üblicherweise Fußball gespielt wird. Zwei kleine Hockeytore stehen an den Seiten, auf der einen Seite spannt sich ein Netz, das Parkbesucher vor dem Hartgummiball schützen soll. 16 Teams zu je drei Mitgliedern, teilweise aus verschiedenen Nationen, bereiten sich auf das zweitägige Turnier vor. Wie immer ist das Teilnehmerfeld bunt gemischt, jeder kann dabei sein, wobei die meisten Spieler einiges an Erfahrung mitbringen. Die TeilnehmerInnen spielen eine klassische Gruppenphase, auf die am Sonntagnachmittag eine kurze Knock-Out-Runde folgt, durch die der Sieger ermittelt wird.
Wachsender Zuspruch als Herausforderung
Bikepolo wird in Österreich immer beliebter, die Anmeldungen für das jährlich stattfindende Turnier werden mehr. Trotzdem bleibt die Teilnehmerzahl begrenzt. 16 Teams dürfen teilnehmen, da sich mehr anmelden, wird ein ein Teil des Teilnehmerfeldes ausgelost. „Wir möchten, dass die Mannschaften möglichst viel Spielzeit erhalten. Viele nehmen eine lange Reise auf sich, um bei uns zu spielen, da wollen wir sie nicht nach einem schnellen Ausscheiden wieder nach Hause schicken“, erklärt Organisator Johannes Leitich, der selbst mit seinem Team viennanever4ever am Wettbewerb teilnimmt.
Den Platz im Volksgarten nutzt Bikepolo Graz nur für die Turniere. Gemeinsames Training und Spielen findet zumeist sonntags in der Engelgasse statt. Eine geeignete Spielstätte zu finden, war eine Herausforderung: „Entweder sie wollen uns nicht oder die Kosten sind zu hoch, aber mit dem alten Tennisplatz in der Engelgasse, haben wir eine gute Alternative gefunden“, sagt Leitich. Speziell im Winter üben die Mitglieder des Bikepolo Graz den Sport selten aus, gibt es doch in Graz keine Halle, in der das Team trainieren kann. „In Wien ist das anders, da gibt es mehr Möglichkeiten.“
In Vergessenheit geratene Sportart erfährt neuen Aufschwung
Bikepolo ist jedenfalls keine Neuheit. Seinen Ursprung hat der Sport im späten 19. Jahrhundert, damals noch auf Rasen. Im Vergleich zum klassischen Polo, das auf Pferden bestritten wird, geriet die Variante auf dem Drahtesel Mitte des 20. Jahrhunderts in Vergessenheit. Erst 1998 kam der Sport in den USA wieder auf, verbreitete sich dann aber auch rasch in Europa. Während die Bikepolo-Szene in Österreich vergleichsweise klein ist, erfährt der Sport in Frankreich, England und Deutschland großen Zuspruch. Entwickelt hat sich die moderne Variante des Sports vor allem durch Fahrradkuriere. Bei Meisterschaften der beruflichen Zusteller steht auch Bikepolo auf dem Programm. So kam Bikepolo-Graz-Mitglied Johannes Leitich, der selbst für die Pink Pedals in Graz Lieferungen übernimmt, dazu. Der 34-Jährige lernte die Sportart 2010 bei der Fahrradkurier-Europameisterschaft in Budapest kennen und war sofort begeistert: “Wir haben das gesehen, zwei Wochen später haben wir schon Schläger gebaut und gespielt.”
Leistungssteigerung durch verbesserte Ausrüstung und einheitliche Regeln
Die Ausrüstung hat sich in den letzten 20 Jahren stark verändert. Anfangs bestanden die Schläger noch aus Skistöcken und PVC-Rohren und die SportlerInnen waren auf normalen Citybikes unterwegs. Mittlerweile rauscht der Großteil auf sogenannten Singlespeed-Rädern über das Spielfeld. Das Fahrrad hat nur einen Gang mit leichter Übersetzung, ist besonders leicht und hat meist nur eine Frontbremse. Diese Feinheiten helfen den SpielerInnen, das Rad besser zu manövrieren. Sie haben dazu schließlich nur eine Hand frei, da die andere den Schläger führt. Auch ein erhöhtes Tretlager und eine verstärkte Gabel vereinfachen schnelle und wendige Bewegungen. Genau vorgeschrieben ist die Ausrüstung nicht, jedoch greifen einige auf Helme mit Gesichtsschutz und Schützer für Ellenbogen und Knie sowie Eishockeyhandschuhe zum Schutz der Fingerknöchel zurück. „Bei einem schnellen Spiel sind kleine Schrammen normal, da wird gecheckt, geblockt und ausgebremst, aber natürlich alles im Rahmen“, ist Leitich kleinere Verletzungen gewöhnt. Auch das diesjährige Turnier ging nicht ohne Verletzung über die Bühne: Ein Australier trug ein Cut unter dem Auge davon, ein gegnerischer Schläger traf den Teilnehmer mit voller Wucht im Gesicht.
Die Regeln für offizielle Wettkämpfe gibt der Internationale Bikepolo-Verband vor. „Es gibt neben den Standardregeln einige spezielle, die viele von uns noch gar nicht draufhaben“, sagt Leitich. Bei den meisten Turnieren leiten SpielerInnen die Matches, bei Europa- oder Weltmeisterschaften, gibt es SchiedsrichterInnen, die zuvor eine kurze Ausbildung durchlaufen müssen. Grundsätzlich ist der Sport auch ohne SchiedsrichterIn möglich, gehen die SpielerInnen doch von einer Grundfairness aus. Der Spaß steht definitiv im Vordergrund. Die Spieldauer kann bei den Matches unterschiedlich sein, in Graz dauert eine Partie zehn Minuten, sofern nicht eine Mannschaft bereits mit fünf Toren Unterschied in Führung liegt.
Stichelei an die Wiener Konkurrenz
Das diesjährige Treffen steht unter dem Motto „The Real Vienna Open“. Ein kleiner Seitenhieb in Richtung der Mannschaften aus der Hauptstadt, wie Leitich verrät. Dies hat verschiedene Gründe. „Leider gibt es einige Spieler, die aufgrund der Ausbildung oder des Jobs nach Wien ziehen und somit dort spielen.“ Die Wiener Mannschaft ist mit 135 Mitgliedern wesentlich größer als die der Grazer. In Sachen Wettkampfausrichtung sind die Grazer aber etwas voraus, was Leitich natürlich freut. „Wir machen nun seit fünf Jahren regelmäßige Turniere, das schaffen die Wiener noch nicht“, erzählt er lächelnd. Mit viennanever4ever ist auch der Name von Leitichs Team deutlich gewählt. Sie belegen zum Schluss Rang drei und sind damit die Überraschung am Podest.
Der Sieg geht an #itsonlyfuckingwolfgang. Das deutsche Team, bestehend aus zwei Nürnbergern und einem Ingolstädter, setzt sich gegen Golem aus Prag durch. Nach einem harten Kampf endet die Partie mit 6:2 für die Mannschaft aus Bayern. Das Spiel um Platz drei kann viennanever4ever mit 4:2 gegen Thunderstruck für sich entscheiden.
Am 11. Mai findet ab 15 Uhr am Sportplatz in der Engelgasse eine Bikepolo-Probetag für alle Interessierten statt.