Berufsorientierungsprojekt FAMME: Fördermittel gestrichen

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Der Verein Frauenservice berät und unterstützt Frauen bei der Ausbildung, Arbeitssuche und in rechtlichen Belangen. Mehr als die Hälfte ihrer Klientinnen sind Frauen mit Migrationshintergrund. Die Projektpartnerschaft FAMME will die Berufsorientierung für Migrantinnen verbessern und stärken. Doch aufgrund der gekürzten Förderungen musste das Projekt vorerst stillgelegt werden.

Seit den 80er Jahren unterstützt der Verein Frauenservice am Lendplatz Frauen auf ihrem beruflichen Weg und berät kostenlos bei Scheidungen, finanzieller Absicherung, oder Gewalt- und Konfliktsituationen. 40% der Frauen, die im Frauenservice Hilfe suchen, sind österreichische Staatsbürgerinnen. Die übrigen 60% sind nicht in Österreich geboren. Frauen aus 74 verschiedenen Ländern wurden im letzten Jahr vom Frauenservice unterstützt. Den größten Anteil machen Frauen aus dem EU-Ausland aus, etwa aus Deutschland, Ungarn, Slowenien oder Kroatien. Die anderen kommen aus der Türkei oder arabischen Ländern wie Syrien oder Afghanistan, aber auch aus Südkorea oder Russland. „Ja, Graz ist ganz schön bunt“, meint Petra Leschanz, die als Rechtsberaterin im Frauenservice tätig ist. „Wir werden von Frauen aus der ganzen Welt gefunden.“

Keine Anerkennung der Bildungsabschlüsse in Österreich

Die Bildungsangebote des Frauenservice werden besonders oft genutzt. Ob Frauen aus gewissen Ländern besser gebildet sind, erhebt das Frauenservice nicht. Das wolle man auch gar nicht, erzählt Frau Leschanz, da die Frauen eine ganze Bandbreite an formalen Bildungsabschlüssen aufweisen würden, die unabhängig von der geographischen Herkunft seien. Die Bildungschancen seien in jedem Land sehr individuell und unterschiedlich. Eines der größten Probleme für Migrantinnen bei der Arbeitssuche besteht jedoch darin, dass ihre Bildungsabschlüsse in Österreich oft nichts mehr wert sind und sie beruflich praktisch wieder bei null anfangen müssen. Das Frauenservice kann zwar kaum eine Anerkennung herbeiführen, mit der richtigen Berufsberatung den Frauen aber Perspektiven für die Zukunft aufzeigen.

Verbesserte Berufsorientierung durch FAMME

Um die Berufsorientierung für Migrantinnen auch praktisch zu stärken, gründete das Frauenservice 2012 gemeinsam mit vier anderen Vereinen die österreichweite Projektpartnerschaft FAMME. Ihr Ziel ist eine berufliche Orientierung parallel zum Deutschkurs, um so Migrantinnen schon von Beginn an auf eine Ausbildung oder einen Job vorzubereiten. Petra Gugler aus dem Frauenservice hat dazu gemeinsam mit einer anderen Kollegin die Berufsbildkarten entwickelt. Durch ihre langjährige Erfahrung in Berufswiedereinstiegskursen hat Gugler festgestellt, dass es für Migrantinnen kaum geeignete Berufsorientierungsmaterialien gibt.

Über hundert verschiedene Berufsbeschreibungen hat sie mit ihren Kolleginnen vom sperrigen AMS-Deutsch in einfacheres Deutsch übersetzt. Besonders die Auswahl der Bilder war dem Frauenservice wichtig, erzählt Leschanz, die das Projekt von Gugler übernommen hat. „Wenn es eine Person darstellt, mit der sich eine arbeitssuchende Frau identifizieren kann, dann sieht sie sich auch selber in diesem Beruf.“ Die Berufsbildkarten werden von TrainerInnen in Berufsorientierungsangeboten verwendet, sind aber durch die Kennzeichnung der Creative Commons (CC) auch für alle frei im Internet verfügbar.

Petra Leschanz vom Frauenservice im Gespräch mit der Annenpost – Foto: Lydia Pichler

Mit den Berufsbildkarten können sich Frauen zwar auch über andere Ausbildungen und Jobs informieren, dennoch sind Migrantinnen häufig im Niedriglohnsektor angestellt. Herkunft, Religion und äußeres Erscheinungsbild bestimmen sehr oft, wo Frauen eine berufliche Zukunft finden und wo nicht. “Es herrscht nach wie vor eine ganz klare Zuordnung und diese wird vielen in einer unglaublichen Eindeutigkeit klargemacht. Dadurch stecken Mädchen und Frauen ihre Ziele gar nicht so hoch”, vermutet Frau Leschanz. Sie ist aber auch der Meinung, dass berufliche Orientierung der Anfang sei, wenn man etwas Neues beginnen möchte oder müsse.

Die Berufsbildkarten aus dem Projekt FAMME zählen zur sogenannten Basisbildung. Gemeint sind damit die grundlegenden Kulturtechniken Lesen, Schreiben und Rechnen sowie Kenntnisse im IT-Bereich und in Englisch. Frauen im Erwachsenenalter, die entweder aufgrund der neuen Sprache Schwierigkeiten haben, oder weil sie nie Lesen oder Schreiben gelernt haben, werden darin unterrichtet. Doch die Fördermittel für die Basisbildung wurden mit Ende des vergangenen Jahres massiv reduziert. Davon ist auch das Projekt FAMME betroffen, an dem vorerst nicht weitergearbeitet werden kann.

Kürzungen betrifft auch andere Einrichtungen

„Das ist derzeit eine Phase, wo wir keine Förderungen für Basisbildung mehr bekommen und das ist für uns eine ziemliche Neuheit, weil das Frauenservice ein sehr starkes Standbein in der Basisbildung hatte“, erzählt Leschanz. Auch viele andere Grazer Frauenvereine wie zum Beispiel DANAIDA oder SOMM sind von den Kürzungen betroffen. Die Förderung für das Projekt wird eingestellt. Das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung (BMBWF) übermittelt die Ablehnung eines Förderantrages ohne Begründung an die Einrichtungen.

Der Österreichische Frauenring prangerte im vergangenen Jahr in einem offenen Brief an die Bundesregierung diese Kürzungen an. In einem Antwortschreiben betonte die ehemalige Frauenministerin Juliane Bogner-Strauß (ÖVP), dass die Förderungen in der türkis-blauen Regierungsperiode gestiegen seien. Trotzdem müssen besonders kleine Einrichtungen um ihre Existenz zittern. KollegInnen müssen kündigen oder sich beruflich neu orientieren, wodurch viel Know-how verloren geht. Auch im Frauenservice musste man sich erst kürzlich von einer Kollegin verabschieden: „Wir haben deswegen eine der anerkanntesten ExpertInnen im Bereich Basisbildung in Österreich verloren“, erzählt Leschanz.

Das Frauenservice hat mit gekürzten Förderungen zu kämpfen – Foto: Lydia Pichler

Die Projektpartnerschaft FAMME wurde zwar vorerst auf Eis gelegt, trotzdem wolle man aber die Zusammenarbeit nicht völlig aufgeben, sagt Leschanz. Denn Berufsorientierung für Migrantinnen ist und bleibt ein wichtiges Thema. Das Frauenservice hat in einem Nachfolgeantrag noch einmal die Fördermittel beantragt, eine Antwort steht jedoch bisweilen aus. Sollte diese negativ ausfallen, muss das Frauenservice drei Jahre warten. Erst dann startet eine neue Förderungsperiode, in der die Bewertung vielleicht positiver ausfällt.

Singbegeisterte Murtalerin mit Kärntner Wurzeln und einer Schwäche für Jane Austen und „medical drama series". Bei Spritzer oder Kaffee immer gern dabei.

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