Die Klex wird heuer zehn Jahre alt. Durch ihr reformpädagogisches System fällt die Schule im Annenviertel besonders auf. Der Ansturm ist riesig, denn die Selbstständigkeit der SchülerInnen wird hier groß geschrieben.
Im ganzen Stockwerk sind SchülerInnen verteilt, sitzen auf der Stiege, liegen am Sofa, sprechen interessiert mit einem Lehrer – dabei ist Unterrichtszeit und nicht Pause. Eines ist klar: Die Klex ist keine gewöhnliche Schule.
Eine ausgezeichnete Schule
Die Klex, die heuer im Herbst ihr 10-Jahres-Jubiläum feiert, ist österreichweit eine der wenigen weiterführenden Schulen mit einer reformpädagogischen, alternativen Ausrichtung. Die Klusemann Extern, kurz Klex, ist eine Ganztagsschule und wird in der Unterstufe als Neue Mittelschule geführt, in der Oberstufe als Realgymnasium. Der klassische Frontalunterricht findet hier keinen Platz – die SchülerInnen bekommen ein Thema vorgeschrieben und versuchen selbst zu einem Ergebnis zu kommen. „Der Weg dorthin – das ist schon ein Lernerfolg“, berichtet eine Mutter.
Alle SchülerInnen lernen in ihrer eigenen Geschwindigkeit und teilen sich ihre Arbeit bis zum gewünschten Lernziel selbst ein. So erlernen sie schon im jungen Alter, mit Selbstständigkeit umzugehen. Schularbeiten schreiben die Kinder, wie in jeder anderen Schule, ab der ersten Klasse. Neben mündlicher Leistungsrückmeldung und den normalen Ziffernnoten erhalten sie noch Rückmeldungen zu den einzelnen Kompetenzen des Fachs. Mit diesem besonderen Schulkonzept wurde die Klex sogar mit dem Österreichischen Schulpreis 2013 ausgezeichnet.
Nervige Streber gibt es nicht!
Jörg Silldorff, einer der Pioniere der Klex, führt die Annenpost durch die Schule und nimmt uns mit in einen Geschichtsunterricht der sechsten Klasse. Auf Zweifel gegenüber der Selbstorganisation der SchülerInnen reagiert er gelassen: „Damit haben wir ja alle Probleme, auch wir noch im Erwachsenenalter. Und natürlich kann sich ein Kind mit 10 Jahren noch nicht alles völlig selbstständig einteilen – man muss die SchülerInnen langsam hinführen und ihnen Freiraum geben.“ So steige nicht nur die Motivation, sondern auch das Bild des „unbeliebten Strebers“ falle weg. Die Kinder wissen, dass sie selbst von ihrem Arbeitsaufwand profitieren. So seien sogar die, die sich ihre Zeit gut einteilen, die Beliebten in der Klasse.
Arbeitsaufträge und Studierzeiten
Die Geschichtsstunde beginnt mit einem Schlag auf die Klangschale, die in der Klasse steht. Dann teilt Jörg Silldorff eine Routineübung für Geschichte aus, kurz „RoüG“. Diese Kurzwiederholungen ziehen sich durch die ganze Schulzeit. Sie beinhalten kurze Fragen zu Themen, die die SchülerInnen auch noch über die Matura hinaus wissen sollten. Die Fragen müssen nicht dem aktuellen Stoffgebiet entsprechen – so wiederholen die Kinder nicht nur alles Gelernte, sondern wissen auch, was wirklich wichtig ist. „Und ich weiß, was im Unterricht angekommen ist“, meint Silldorff schmunzelnd.
Dann wird an einem Arbeitsauftrag weitergearbeitet. Dabei geht es darum, das wirklich Wichtige aus einem Text herauszufiltern. „Das Praktische an solchen Arbeitsaufträgen ist, dass jeder in seiner Geschwindigkeit arbeiten kann.“ Silldorff deutet nach vorne. „Die drei da sind schon fertig und arbeiten an Verbesserungen von alten RoüGs. Wenn sie damit fertig sind, können sie was anderes machen, für Englisch oder Deutsch – es ist ja ihre Zeit.“ Die Zeit für die Bearbeitung der Aufträge in den Hauptfächern müssen sich die SchülerInnen jedoch selbst einteilen. Dafür werden sechs- bis achtmal pro Woche „Studierzeiten“ angeboten, von denen mindestens zwei besucht werden müssen. Sie finden vormittags und nachmittags statt, sodass jede/r zur Lieblingsarbeitszeit lernen kann.
Eine Schulstunde mit Open End
Am Ende der Geschichtsstunde ertönt keine Glocke, denn sie rhythmisiere den Schultag zu stark. Wenn SchülerInnen nach dem Unterricht noch weiter arbeiten wollen, werden sie nicht vom Laut der Glocke beim Lernen gestört. So soll ein fließender Übergang zwischen Pause und Unterricht entstehen. „Das Praktische an der Klangschale ist: Wir können sie auch verwenden, wenn es etwas zu laut ist“, lacht Silldorff.
Klusemann „Exklusiv“
Mit dieser besonderen Art des Unterrichtens zeichnet sich die Klex aus. Dass nicht mehr Schulen in Österreich so geführt werden, liege wohl daran, dass es schwerfällt, sich von bestehenden Systemen zu lösen, vermutet Jörg Silldorff. Außerdem bedeute Umdenken immer Mehraufwand. Weil nur so wenige Schulen so arbeiten, ist es nicht überraschend, dass die Klex jedes Jahr einen großen Ansturm erfährt. Doch von den etwa 130 Angemeldeten pro Jahr nimmt sie nur 52 SchülerInnen für die Unterstufe auf. Auf Schulplätze in der Oberstufe hofft man sogar meist vergeblich – es gibt nur eine einzige Oberstufenklasse pro Jahr, die meist rein mit „Bereits-Klex-SchülerInnen“ gefüllt ist.