Die Stadtbibliothek Graz hat beschlossen: Wenn die Menschen nicht mehr in die Bibliotheken kommen können, dann müssen die Bibliotheken und AutorInnen eben zu den Menschen kommen!
Durch die momentane Corona-Krise sitzen die meisten Menschen zu Hause fest. Wenn Home-Schooling und -Office für den Tag erledigt sind, greifen viele abends zur Fernbedienung oder lassen sich von Netflix und Co. berieseln. Dem will die Stadtbibliothek Graz mit ihrer neuen Literaturaktion entgegenwirken. Unter dem Motto „FernLesen ist besser als Fernsehen“ hat sie mit Ende März eine Online-Literaturaktion gestartet.
Programm für Groß und Klein
Mit virtuellen fünfminütigen Kurzlesungen auf Facebook und Instagram zeigt die Bibliothek heimische AutorInnen aus den verschiedensten Genres einmal ganz privat. Sowohl bekannte als auch NachwuchsautorInnen lesen aus Kinder- und Jugendbüchern, oder Erwachsenenliteratur. Lyrik und Poetry Slam wird ebenso vorgetragen. Alle zwei Tage erscheint auf den Social-Media-Kanälen der Bibliothek abwechselnd eine Lesung für Kinder und eine für Erwachsene oder Jugendliche. Für die ganz Kleinen gibt es Beiträge von KinderbuchautorInnen, kurze Theaterstücke, musikalische Einheiten und Mitmach-Videos. So sei für alle etwas dabei, meint der Koordinator des Projektes, Boris Miedl.
„FernLesen ist besser als Fernsehen“
„Fernsehen ist nicht das Einzige, was man passiv-kontemplativ zu Hause machen kann“, erklärt Miedl das Motto. Im Vergleich zum Fernsehen regt des Lesen die Fantasie viel mehr an und es entstehen eigene Bilder im Kopf. Das Format versucht daher auf der einen Seite durch die Online-Videos visuelle Eindrücke zu geben, auf der anderen Seite müssen die ZuseherInnen die Bilder zu den vorgelesenen Worten aber selbst im Kopf formen. So wird laut Miedl „eine Hand zum Lesen ausgestreckt.“ Denn Bücher seien immer wichtig, auch vor und nach der Corona-Krise. Doch das, was für ihn das Lesen in der letzten Zeit besonders interessant macht, ist, „dass uns plötzlich wie aus dem Nichts diese Zeit zur Verfügung gestellt wurde.“ Auf einmal haben wir die Möglichkeit, viele der Dinge zu tun, die wir unbedingt einmal machen wollten. Ein paar bestimmte Bücher zu lesen sei meistens eines der Ziele, davon ist Miedl überzeugt.
Die Bibliothek im Internet
Gerade für die Lesebegeisterten ist es besonders schade, dass die Bibliotheken zusperren mussten. Viele Workshops und Lesungen wurden aufgrund der Maßnahmen der Regierung abgesagt. Auch dafür soll die FernLese ein Ersatz sein. Die momentane Ausnahmesituation ist jedoch für die Bibliotheken selbst eine große Herausforderung, weil das Geschäft von den BesucherInnen lebt. „Der Fokus auf digitale Angebote hat sich dadurch sehr verstärkt“, so Miedl. Um die Menschen mit Literatur zu versorgen, wird deswegen die „Bibliothek Digital“ in der Corona-Krise kostenlos für alle angeboten. Sogar für jene, die noch nicht bei der Stadtbibliothek Graz angemeldet sind. Auch das Angebot der Onleihe nehmen die NutzerInnen sehr gut an.
Online lesen auch nach Corona
Die FernLesungen erreichen auf den Social-Media-Kanälen der Bibliothek jeweils mindestens 1000 Personen. Die Auftaktlesung hatte sogar eine Reichweite von mehreren Tausend. Die Resonanz ist so gut, dass schon feststeht, dass das Projekt auch nach Corona weiter fortgeführt wird. In welcher Frequenz ist zwar noch offen, jedoch sind dafür „bereits viele weitere großartige AutorInnen in der Pipeline“, berichtet Miedl. In nächster Zukunft sind unter anderem Beiträge bekannter Poetry-Slammer geplant. Heute liest Valerie Fritsch eine Leseprobe aus ihrem kürzlich veröffentlichten Roman „Herzklappen von Johnson und Johnson“. Alle bisherigen Lesungen und Beiträge der Online-Literaturaktion kann man auf der Facebook- und Instagram-Seite der Stadtbibliothek Graz nachschauen.
Die nächste Lesung: Samstag 25.04 16:00 Uhr – Ein Auszug aus „Herzklappen von Johnson und Johnson“ von Valerie Fritsch.