Gut zweieinhalb Monate mussten sportaffine ÖsterreicherInnen auf das Training im Fitness-Center verzichten. Seit letztem Freitag ist das kollektive Schwitzen im Studio wieder erlaubt. Eine große Erleichterung für die ganze Branche, auch wenn es bis zum Normalbetrieb noch dauern wird.
„Hurra, na endlich!“, ruft eine junge Frau in Sportklamotten dem Fitnessstudio-Angestellten zur Begrüßung zu. Für die Annenviertlerin, welche anonym bleiben möchte, ist der 29. Mai ein besonderer Tag. „Ich brauche das Training, um Stress abzubauen. Natürlich habe ich daheim Workouts gemacht, aber das ist nicht das gleiche“, sagt sie. In ihrer kleinen Wohnung sei es ihr schnell zu eng geworden und Familienmitglieder hätten sie manchmal beim Sport gestört. Außerdem trainiere sie lieber mit Geräten als mit eigenenen Gewichten.
Zwei Meter Abstand und Bodenmarkierungen
Auch für Christoph Zettl ist es ein erfreulicher Tag. Der Betreiber des Studios Twins-Fitness in Gries hat anstrengende Arbeitstage hinter sich. Die meiste Zeit haben er und sein Team damit verbracht, das Center Corona-fit zu machen. Im ganzen Studio haben sie Spender mit Desinfektionsmittel aufgestellt und wo es nötig war, Bodenmarkierungen angebracht. Um den vorgegebenen Abstand von zwei Metern beim Training einhalten zu können, mussten sie einige Geräte weiter auseinanderrücken und andere vorübergehend sperren. „Wir hatten viel für die Öffnung vorzubereiten. Jetzt ist es aber ein schönes Gefühl, wieder aufsperren zu können“, sagt Zettl.
Sein Fitness-Center ist das flächenmäßig größte in der Steiermark. Deshalb stellen die Zugangsbeschränkung von nur einer Person pro zehn Quadratmetern kein Problem für ihn dar. Nach dieser Regelung dürften 600 Leute gleichzeitig dort trainieren – so viele Umkleidekästchen gibt es im Studio gar nicht. Für die ersten Tage rechnet er mit etwa 40 bis 45 Prozent der Normalauslastung. Ein Anhaltspunkt waren Zahlen deutscher Studios, mit denen Zettl in den letzten Wochen in Kontakt stand.
Junge Frauen trainieren gern zuhause
Jene, die sich noch nicht ins Studio trauen, trainieren vermutlich weiterhin daheim. Während des Lockdowns haben viele Menschen auf das große Trainingsangebot im Internet zurückgegriffen. Laut einer Mitte Mai präsentierten Studie der ASKÖ (Arbeitsgemeinschaft für Sport und Körperkultur in Österreich) nutzte rund ein Viertel der ÖsterreicherInnen Online-Bewegungsaktivitäten – neun Prozent erst seit Beginn der Krise. Aufgrund der hohen Nachfrage haben einige Fitness-Center ebenfalls Portale geschaffen, auf denen sie Videos und Übungsmaterial hochladen.
Dieses zusätzliche Angebot werde zumindest am Anfang noch bestehen bleiben, meint der Grazer Sportpsychologe Thomas Kayer. Dass die Home-Workouts langfristig zu einer Konkurrenz für Fitnessstudios werden könnten, glaubt er nicht. „Ich erwarte, dass es bald wieder wie vor Corona sein wird. Das Fitnessstudio ist ein wichtiger Fixpunkt im Leben mancher Menschen und stellt oft einen Ausgleich zu heimischen und beruflichen Verpflichtungen dar“, sagt er. Außerdem biete es eine Expertise und persönliche Betreuung, die man mit Online-Videos so nicht bekomme.
Home-Workouts waren während Corona vor allem bei jungen Frauen beliebt – auch das geht aus der ASKÖ-Studie hervor. Jeder Zweite der unter 30-Jährigen und 30 Prozent der Frauen nutzten in Österreich solche Online-Bewegungsangebote. Fitnessstudios werden allerdings häufiger von Männern besucht. Den hohen weiblichen Anteil bei den Home-Workouts erklärt Thomas Kayer damit, dass Frauen tendenziell lieber daheim und im geschützten Rahmen Sport machen. „Gerade wenn es ums Abnehmen geht, wollen viele nicht unter anderen Menschen trainieren. Männer tendieren eher dazu, sich und ihren Körper zeigen zu wollen“, sagt Kayer.
Bürokratie-Wahnsinn und zu wenige Informationen
Für den Sportpsychologen wäre eine Öffnung der Fitnessstudios schon 14 Tage früher denkbar gewesen. Der gleichen Meinung ist auch Studio-Betreiber Christoph Zettl. „In Deutschland sieht man, dass die COVID-Zahlen aufgrund der offenen Fitnessstudios so gut wie gar nicht steigen und es dort zu fast keinen Ansteckungen kommt. Ob unsere Kunden vor zwei Wochen schon gekommen wären, ist eine andere Frage“, sagt er. Die lange Schließung hat ihn und viele andere Studio-Betreiber jedenfalls stark unter Druck gesetzt. Seine Mitarbeiter sind zwar in Kurzarbeit, aber das sei sehr schwierig gewesen. „Die letzten Wochen waren ein bürokratischer Wahnsinn für mich, der einfach nicht aufhört“, sagt Zettl.
Was er sich in dieser schwierigen Zeit gewünscht hätte? Frühere Informationen von seiten der Bundesregierung. „Da ist Null gekommen“, sagt er. Zwar sei man ständig mit der Wirtschaftskammer in Kontakt gewesen, aber auch die wusste nicht alles. Erst zwei Tage vor der Öffnung habe er ein Mail dazu bekommen, wie man sich im Studio zu verhalten habe.
Masken: Beim Betreten und Verlassen des Studios sowie in den Umkleiden ist ein Mund-Nasen-Schutz zu tragen. In Nassräumen und beim Training selbst braucht man keine Maske.
Abstand: Während der Sportausübung sind zwei Meter Abstand zu Personen aus anderen Haushalten als dem eigenen einzuhalten. Für Nicht-Trainierende (auch Mitarbeiter) gelten ein Meter Abstand und Maskenpflicht.