Christof Lösch von der Schuldnerberatung in der Annenstraße rechnet in den kommenden Monaten mit einem Anstieg der Privatinsolvenzen. Er bereitet sich für einen möglichen Ansturm vor.
Von: Gabriel Albertini, Kerstin Baumgartner, Marlene Borkenstein
“Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis das finanzielle Polster nicht mehr ausreicht”, sagt Christof Lösch, Geschäftsführer der Schuldnerberatung Steiermark. Viele Menschen verfügen im Moment noch über dieses Polster, das sie vor der Überschuldung bewahrt. Doch aufgrund der Corona-Krise hat sich für viele die Einkommenssituation von heute auf morgen verschlechtert. Kurzarbeit oder Kündigungen waren die Folge der derzeit schwierigen wirtschaftlichen Lage. Mit Ende Oktober waren laut AMS 358.396 Personen als arbeitslos gemeldet. Im Vergleich zum Vorjahr sind das um 24,4 Prozent mehr.
Wann steigen die Privatinsolvenzen?
Lösch sagt, dass man nicht genau sagen könne, wann es zu einer Zunahme von Privatinsolvenzen kommen werde. Dass sie kommt, davon geht er aus. Interessant sei aber, dass zunächst im Vergleich zum Vorjahr die Privatinsolvenzen laut Statistik des KSV (Kreditschutzverband) sogar um 30 Prozent zurückgegangen sind. Dies führt Lösch auf die eingeschränkte Tätigkeit von Gerichten und Beratungsstellen zu Zeiten des Lockdowns zurück.
Eines ist für ihn sicher: Das Anmelden der Privatinsolvenz ist meist der erste Schritt zur Besserung. Das Problem kommt dann auf, wenn man nicht zeitgerecht reagiert. Die Geldprobleme werden verschleppt, verschwinden jedoch nicht. „Man spricht von einem Verzögerungseffekt”, sagt Lösch. Kritisch werde es vor allem, wenn die Fixkosten nicht mehr fristgerecht bezahlt werden können. Junge Erwachsene sehen sich mit solchen Problemen am ehesten konfrontiert. Der Grund dabei liegt im Drang, mit anderen mithalten zu wollen. Auch wenn das Einkommen sinkt, wollen viele ihren „alten“ Lebensstil beibehalten. „Langfristig geht dieses Modell nicht auf“, sagt Lösch.
Wer kann helfen?
Die in der Annenstraße angesiedelte Schuldnerberatung ist eine der ersten Anlaufstellen für Menschen mit Geldproblemen. Dort bekommen sie Lösungsvorschläge, um ihre finanzielle Situation wieder in den Griff zu bekommen. Aufgrund des vorhergesagten Ansturms rüstet sich das Team im Moment: Die an sich kostenlosen Beratungsdienste müssen ausgebaut werden und es braucht mehr finanzielle Mittel, um Menschen besser und auch vermehrt beraten zu können. Für das Jahr 2021 wurden der Schuldnerberatung zusätzliche Fördergelder bewilligt, um Mitarbeiter gezielt auf die aktuelle Problematik einschulen beziehungsweise neue Mitarbeiter einstellen zu können.
Das betreute Konto
Um den Menschen nicht nur zur Seite zu stehen, sondern auch die Situation als Ganzes verbessern zu können, arbeitet die Schuldnerberatung Steiermark unter anderem mit der Zweiten Sparkasse zusammen, die ebenfalls in der Annenstraße eine Filiale betreibt. In Kooperation entstand das Projekt des betreuten Kontos. Dabei bekommt die Schuldnerberatung die Kontrolle über die Verwaltung der Ein- und Ausgaben, Geld zur freien Verfügung kann dann entnommen werden, nachdem die Fixkosten bezahlt sind. “Dies soll bewirken, dass es bestenfalls nie zu Mietschulden oder ähnlichem kommt”, sagt Lösch.