Im April soll das neue Verkehrskonzept für den Lendplatz endlich umgesetzt werden. Einige Anrainer*innen kritisieren die „Sparvariante“, anderen geht selbst das Geplante viel zu weit.
Von: Celina Benda, Paul Koren
Wenig wird im Lendviertel so heftig debattiert wie der Verkehr am und um den Lendplatz. Schon 2011 gab es Streit um die Stockergasse. Und auch das Anfang 2020 endlich beschlossene Konzept sorgte für Kontroversen, die Annenpost berichtete. Inzwischen steht aber auch die optische Gestaltung der Begegnungszone fest. Im April soll sie umgesetzt werden. Das ruft nun einige Anrainer*innen auf die Barrikaden. Die „Neugestaltung und viele Verbesserungen”, die der Lendplatz laut Presseaussendung des Büros von Verkehrsstadträtin Elke Kahr (KPÖ) erfahren soll, erzeugen anscheinend neue Problemfelder.
Der Lendplatz als „Sparvariante“
Das Verkehrskonzept ist recht schnell erklärt: eine Einbahnführung im Uhrzeigersinn um den Marktbereich, doppelspuriger Fahrradweg an der Westseite des Platzes, Fußgängerzone in der Stockergasse, Begegnungszone von der Mariahilferstraße bis zur Ökonomiegasse.
Länger braucht die Aufarbeitung der Entstehungsgeschichte und der Konsequenzen. Aus budgetären Gründen wird am Lendplatz nur eine „Sparvariante” umgesetzt, somit gibt es keine Baumaßnahmen. Wolfgang Krainer (ÖVP), der Bezirksvorsteher des Lend, bringt das knappe Budget auch mit der aufwendigen Neugestaltung der Fußgängerzone in der Schmied- und Landhausgasse in der Innenstadt in Verbindung. In einem Kommentar auf Facebook schreibt er: „Leider wurde anscheinend der Großteil des Budgets für die aufwendige Gestaltung der Schmiedgasse und Landhausgasse ausgegeben sodass auf unserer Murseite nur eine ‚Sparvariante‘ umgesetzt wird.” Für die Schmiedgasse wurden rund 2 Millionen Euro ausgegeben, für das Verkehrskonzept Lendplatz werden es nur 620.000 Euro sein. Laut Stadt Graz soll aber in einem möglichen zweiten Schritt eine Pflasterung und Angleichung der Begegnungs- und Fußgängerzonen folgen. Es sei eine „provisorische Gestaltung, keine endgültige”, heißt es vom Büro der Stadträtin Kahr.
Alte Lösungen, neue Probleme
2019 war noch die Rede von einer großen Fußgängerzone vom südlichen Lendplatz bis zum Lendkai hinunter, mit zusätzlichem Fahrradstreifen an der Mur. Das wäre jedoch auf Kosten einer Fahrspur am Kai geschehen. Warum dieser Entwurf nicht umgesetzt wurde? Es habe Widerstand der Bewohner*innen des Lendkais gegeben, weil ihnen die Park- und Zufahrtsmöglichkeiten gefehlt hätten, meint Krainer. „Da hat sich die Politik, muss ich sagen, nicht drüber getraut.” Mit der Verkehrsberuhigung im Gesamten sei er aber zufrieden. Vor allem die Radfahrer und die Gastronomie würden profitieren.
Trotzdem bleibt das Problemfeld Fellingergasse. Da die Verbindungsgasse zwischen Lendplatz und Lendkai keine Einbahn wird, befürchten die Anrainer*innen dort, bald an einer noch stärker frequentierten Durchzugsstraße wohnen zu müssen. Falls diese Befürchtungen eintreten sollten, habe er eine schriftliche Zusage, dass Maßnahmen ergriffen würden, so Krainer. Wolfgang Wehap vom Büro der Stadträtin Kahr erklärt die Entscheidung: Man habe nach genauer Untersuchung der Verkehrsflüsse entschieden, dass eine Einbahn nur noch mehr Verkehr in den Südteil des Lendplatzes, in Mariahilferstraße und Ökonomiegasse führen würde. Damit wäre die eigentliche Intention des Verkehrskonzeptes, eine Beruhigung des Verkehrs, nicht gegeben.
Eine ginstergelbe Begegnungszone
Sieben neue Bäume mit Pflanztrögen, Sitzmöbel und gelbe Markierungen sollen in der Begegnungszone am “Hier ist Platz” für die Verschönerung des Bereiches dienen, entwickelt von Architekt Norbert Müller. “Hier ist Platz” wurde im Rahmen des Lendwirbels im Jahr 2001 der Platz zwischen Lendplatz, Stocker-, Josefigasse und Mariahilferstraße getauft. Maria Reiner, Inhaberin der “Managerie”, Gründerin des Vereins “Annenviertel” und Anrainerin, findet die Begegnungszone nicht ansprechend gestaltet. Sie stößt sich an der Farbe, dem „Ginstergelb”, das zukünftig in Kreisen den Boden der Mariahilferstraße schmücken und den Autofahrer*innen ihre Grenzen aufzeigen soll.
Bezirksvorsteher Krainer verweist auf die Notwendigkeit der Bodenmarkierungen, um auf den “shared space” und die Gleichberechtigung der Verkehrsteilnehmer aufmerksam zu machen. Ihm sei Gelb lieber als Rot, er sehe keine wirkliche Alternative. Die Farbe müsse hell und kräftig leuchtend sein. Laut Gemeinderatsbericht war auch entscheidend, „dass keine Farbe aus der StVO verwendet” wird. Allerdings ist die Farbe nicht das einzige Problem. Architekt Gottfried Prasenc, der sein Büro ebenfalls am “Hier ist Platz” hat und Gesellschafter der Scherbe ist, sieht Unstimmigkeiten in der Anordnung von Gastgärten und farbigen „Begegnungslinsen”, die sich überlappen würden. Auch die „Spielwiese von Bänken”, er bezieht sich damit auf die geplanten Sitzmöbel, sei unnötig.
Sorge um Lärmpegel
Auch der Immobilienmakler Georg Franz, der seit 2009 am Lendplatz wohnt und arbeitet, steht der Gestaltung der Begegnungszone kritisch gegenüber. Er befürchtet, dass der Geräuschpegel besonders am Abend durch die vielen Sitzgelegenheiten und die Gastgärten der Gastronomie zu hoch werden könnte. „Man darf nicht nur den Konsum dieser Gastronomieszene sehen, sondern auch, dass es Anrainer*innen und Leute gibt, die hier wohnen und in der Nacht schlafen wollen”, sagt er.
Fehlende Kommunikation
Laut dem Büro von Stadträtin Kahr wurden die Pläne der Verkehrsorganisation und -führung bei zwei öffentliche Veranstaltungen für Anrainer*innen und Wirtschaftstreibende im Sommer 2019 präsentiert und diskutiert. Viele Anrainer*innen wurden aber zu diesen Präsentationen nicht eingeladen. Auf Anfrage der Annenpost, wie die Veranstaltungen mit den Anrainer*innen kommuniziert wurden, bekamen wir leider nur die Auskunft, dass es Veranstaltungen gab. Aber nicht, wie sie den Bewohner*innen mitgeteilt wurden. Franz und Reiner hörten beide nur zufällig durch ihre Vermieter*innen davon. „Es wurden nicht genügend Leute, die hier wohnen und arbeiten, eingeladen”, meint Reiner. Ihre Vermieterin erzählte ihr, dass bei diesen Gesprächen auch etwas anderes besprochen worden sei, als jetzt im Verkehrskonzept umgesetzt wird. Franz, der an zwei Besprechungen teilgenommen hat, kann das bestätigen. Laut seinen Aussagen waren die wenigsten Anwesenden für eine Fußgängerzone in der Stockergasse. Er verstehe auch nicht, warum dies erforderlich sei, es gebe dort weder ein Kaufhaus noch Verkaufsstände, die so eine Fußgängerzone benötigen würden.
Titelbild: Celina Benda