Angststörungen sind schwer zu erkennen und dennoch stark verbreitet. Die Psychosoziale Beratungsstelle für Kinder und Jugendliche in Lend stärkt die betroffenen Kinder auch während der Pandemie.
Angst ist bei Kindern und Jugendlichen ein „Riesenthema“ – dazu braucht´s gar keine globalen Krisen wie die aktuelle Corona- oder die Klimakrise. „Die häufigste Störung bei Kindern ist die Angststörung“, bestätigt Yvonne Oswald, klinische- und Gesundheitspsychologin, sowie Leiterin der Psychosozialen Beratungsstelle in der Asperngasse. Die Pandemie hat die Lage noch einmal zugespitzt – zumindest auf den ersten Blick: Schon im ersten Lockdown verzeichnete etwa das Beratungstelefon Rat auf Draht einen Anstieg bei Anfragen zur Angst um 193 Prozent.
Aber eigentlich, erklärt Oswald, die davor im LKH Graz 2 Standort Süd – ehemals LSF – gearbeitet hat, kämen die Corona-Maßnahmen Kindern mit Angststörungen sogar gelegen. Denn im Lockdown müssten sie sich ihren Ängsten gar nicht erst stellen oder zum sonst typischen Vermeidungsverhalten greifen: Sie entziehen sich sozialen Kontakten, der Schule oder dem Fahren mit der Straßenbahn. Wie sich Corona auf Kinder mit Angststörungen auswirkt, würde man daher erst nach der Pandemie sehen. Oswald vermutet, dass es für Kinder mit einer solchen Störung „schwierig wird, wieder zurückzukommen, wenn dann alles wieder läuft“. Unweit des Hauptbahnhofs befindet sich seit 2017 die Psychosoziale Beratungsstelle für Kinder und Jugendliche Graz. Hier versuchen vier Psycholog*innen, eine Sozialarbeiterin, eine Logopädin, eine Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie, sowie eine Sozialpädagogin jungen Menschen zu helfen, die selbst nicht mehr weiterwissen. Träger der Beratungsstelle ist die GFSG – Gesellschaft zur Förderung seelischer Gesundheit GmbH.
Woher kommt die Angst?
Angststörungen hängen, laut Oswald, oft mit negativen oder traumatischen Erlebnissen in der Kindheit zusammen. Abhängig vom Entwicklungsalter hätten Kinder Ängste, die grundsätzlich normal sind. Je nachdem, wie die Eltern mit diesen Ängsten umgehen, können diese Ängste positiv bewältigt oder verstärkt werden. Oswald meint, die Eltern sollten erkennen, ob es sich bei den vielen Fragen, mit denen die Kinder sie löchern, um Fragen aus Interesse oder um Fragen aus Angst handelt. Bei Ersterem können die Eltern ein Lexikon zur Hand nehmen und so ins Detail gehen. Wenn die Kinder aufgrund von Angst nachfragen, würde diese Strategie aber die Angst verstärken, anstatt sie zu mildern. Umso jünger die Kinder, desto wichtiger seien die Bezugspersonen. Das gelte besonders für die Corona Pandemie: „Wenn die Eltern gut mit dieser Situation umgehen, das gut bewältigen können, dann können das die Kinder auch“, sagt Oswald. Jugendliche seien diesbezüglich unabhängiger, da bei ihnen die der Freundeskreis eine wichtigere Rolle spielt.
Die Angst zeigt sich unterschiedlich
Angststörungen gingen oft Hand in Hand mit Störungen des Sozialverhaltens, meint Oswald. Aufbrausende Kinder, vor allem Burschen, die schnell „außer Rand und Band geraten“, seien oft von der Angst getrieben. Man könne sich bei diesen Kindern meist gar nicht vorstellen, dass sie unter einer Angststörung leiden, weil sie so „aufdrehen“. Darum sei es schwierig, Angststörungen zu erkennen. Auch mit Depressionen werden sie oft verwechselt. Davon wird häufig ausgegangen, wenn die betroffenen Kinder morgens nicht aus dem Bett kommen, obwohl der Grund dafür die Angst sei. Nicht in die Schule zu können, weil man sich wie gelähmt fühlt, muss keine Depression sein: „Oft lähmt die Angst.“
Die Behandlung: Kreativ und initiativ
Die Behandlung sei von Kind zu Kind unterschiedlich, sagt Yvonne Oswald. Um die Angststörungen zu bewältigen, zeigen die Psycholog*innen der Psychosozialen Beratungsstelle den Kindern zum Beispiel, wie sie Methoden zur Selbstberuhigung anwenden können. Eine gut funktionierende Zusammenarbeit im Team sei wichtig, da oft mehrere Therapeut*innen in derselben Familie arbeiten, aber „jede*r natürlich mit seiner Profession“. Der Behandlungsprozess beginnt mit einer Abklärungsphase, in der ein Erstgespräch stattfindet. Anschließend erfolgt eine psychologische Diagnostik, sowie eine Weiterverweisung wenn nötig. Oswald betont, dass den Eltern eine „Schlüsselrolle“ zukomme, wenn es um den Erfolg der Behandlung geht. Zu Beginn des ersten Lockdowns stellte das Team die Therapie auf Online-Videogespräche um. Dabei war eine große Portion Kreativität nötig. „Ich habe gelernt, wie man online mit siebenjährigen Kindern Verstecken spielt“, sagt Oswald. Seit Mai können die Beratungen mit Einhaltung der Sicherheitsmaßnahmen aber wieder in der Beratungsstelle stattfinden. „Was ja auch ganz wichtig ist, in Zeiten die krisenhaft sind.“
Titelbild: Die Kreativität kommt auch im Wartebereich nicht zu kurz – Foto: Yvonne Oswald