Zwischen Waschtrommeln und Fußgänger*innen: Illu Kollektiv Graz bringt mit ihren zu Bild gebrachten Gedanken zur Pandemie Farbe in das Annenviertel.
Die Annenstraße ist gezeichnet von Geschäftslokalen, die aufgrund der Pandemie schließen mussten – doch die freien Schaufenster bleiben nicht länger leer. Neun Illustrator*innen des Illu Kollektivs Graz peppen mit ihrer Ausstellung „Unlocked“ die Annenstraße auf. Seit dem 19. März verschönern die Werke des Illu Kollektivs Graz nicht nur die Erdgeschoßzone der Bürgerspitalstiftung am Roseggerhaus sondern – mit der Ausstellung „MindBubbles“ – auch den Waschsalon Graz am Griesplatz. „Jede*r von uns hat die Coronazeit anders erlebt und anders verarbeitet. Mit unseren Blickwinkeln aus der Zwischenzeit wird die Zeit von jedem anders widergespiegelt“, sagt die Illustratorin Michaela Nutz. Die Zwischenzeit – eine Bezeichnung für das Leben mit Lockdowns und neuen Herausforderungen – steht bei beiden Standorten im Mittelpunkt.
Illu Kollektiv Graz treffen sich regelmäßig und kamen im Herbst auf die Idee, gemeinsam eine Ausstellung zu organisieren. „Im Moment stehen immer mehr Schaufenster leer. Da dachten wir, dass wir die bespielen könnten und so für die Vorbeigänger*innen eine nette Fassade bieten“, erzählt Nutz. Die Illustrationen werden noch länger die Annenstraße auffrischen – nämlich bis die Geschäfte wieder bezogen werden.
„Bei meinem täglichen Spaziergang bleibe ich mittlerweile immer bei den Schaufenstern stehen”, erzählt eine Passantin, begleitet von ihrem Schäferhund. Sie findet, dass die abwechslungsreichen Zeichnungen Pepp in die Annenstraße bringen. „Ich entdecke jedes Mal irgendein anderes Detail, das ich spannend finde”, sagt ein Jogger, der in der Annenstraße 20 gerne ein Päuschen einlegt.
Neun Illustrator*innen, neun Blickwinkel
Michaela Nutz beschäftigt sich in ihren Werken mit dem Klimawandel – mit den Augen einer Umweltsystemwissenschafterin. Sie erkennt bei der Bewältigung der Pandemie ein ähnliches Verhaltensmuster wie beim Umgang mit dem Klimawandel. „Leugnen und wegschieben oder akzeptieren und verändern. Das hat mich wahnsinnig beschäftigt.“ Das, was die Grazerin zu ihrem Job als Illustratorin motiviert, ist, dass sie dazu beitragen kann, komplexe Inhalte verständlich darzustellen.
Der „Hahn im Korb“ ist Mac Krebernik. Er präsentiert in der Annenstraße 20 eine Arbeit, von der er in seinem Leben schon echten Nutzen tragen konnte: eine auf- und abbaubare Gartenhütte. „Ich habe darin am Berg mit meiner Freundin und dem Hund übernachtet“, erzählt er stolz. Im Schaufenster kann jede*r einen Blick in die ersten Gedanken und Pläne des Projekts erhaschen und schließlich die Installation der Hütte betrachten.
Anderes Werk, anderer Blickwinkel. „Die kleinen Dinge, die mit neuer Sorgfalt und mit großer Wirkung wieder gemacht werden“, sagt Clara Frühwirth. Schon seitdem sie vier Jahre alt ist, weiß sie, dass sie in den Illustrationsbereich gehört. „In dem Alter habe ich angefangen, meine ersten Comics zu zeichnen. Das ist meine Form, mich auszudrücken.“ In ihrem Job als Illustratorin fokussiert sich Clara Frühwirth auf das Gestalten von Bilderbüchern. „Wenn ein Bilderbuch entsteht, befinde ich mich eigentlich immer in diesen Themenwelten.“
Autobiografische Einzelmomente
Einen völlig anderen Blickwinkel präsentiert Anna-Maria Jung. Sie hat das Projekt aus einer persönlichen Perspektive gesehen. „Ich lebe allein und nehme alles durch eine sehr seltsame Realität wahr. Man verfängt sich in Gedankenkonstrukte, weil man sich nicht so regelmäßig mit jemandem austauschen kann.“ Ein „Manschgerl mit roten Haaren“ spielt in Jungs Zeichnungen die Hauptrolle. Ihr persönliches Projekt: mit Gewohnheiten brechen. „Normalerweise arbeite ich digital, aber hier mit Tusche und Wasserfarbe – und im Freien. Das ist für mich auch außergewöhnlich, weil ich mich nicht so wohlfühle, wenn ich draußen zeichne.“
„Ich habe mich hauptsächlich mit der Entstehung des Virus befasst und mit dieser Suche nach dem Impfstoff“, erzählt Karin Csernohorski. Ihr Fokus liegt auf der Arbeit der Wissenschaftler*innen und Ärzt*innen und dem länderübergreifenden Zusammenhalt. Sie lässt sich von gesellschaftskritischen Themen und dem aktuellen Weltgeschehen inspirieren. In ihrem Job als Animatorin arbeitet Karin Csernohorski hauptsächlich mit Plastilin – meistens für Werbungen und Ausschnitte von Musikvideos. „Ich sehe das nicht als Arbeit, sondern als eine Leidenschaft.“
Seifenblasen und Denkblasen
Auch die vier anderen Illustratorinnen bieten verschiedene Einblicke in die Coronazeit – in der Annenstraße 20 und am Griesplatz 2, im Waschsalon von Harald Reiter. “In der Zeit musst du dein Hirn nähren und wenn du keine Inspiration hast, helfen dir solche Projekte weiter”, schildert Bernadette Schett, die dabei hilft, die Ausstellung zu organisieren. Die Effekt-Maskenbildnerin lebte 20 Jahre lang in London und kennt aus ihrer Studienzeit die Laundrette-Kultur. „Es war normal, dass sich die Student*innen in der Laundrette getroffen und zusammen ein Bier getrunken haben“, erinnert sie sich. Mit „MindBubbles“ können sich Wäsche-waschende Menschen nun damit die Zeit vertreiben, die Ausstellung anzusehen.
Die Illustrationen verschönern den Waschsalon bis Mai – danach wandern die Werke zu Schauplätzen des Lendwirbels. Das gemeinsame Gestalten und Ausstellen bietet den Illustrator*innen eine angenehme Abwechslung zum Berufsalltag und Passant*innen Einblicke in illustrative Perspektiven dieser Zeit.
Titelbild: Harald Reiter