Wenn sich eine Menschenmenge mehr asynchron als synchron bewegt und trotzdem aussieht wie eine bunte Einheit, ist das Tanzkaraoke beim Lendwirbel angekommen. Doch was ist Tanzkaraoke und wie sieht es im Jahr 2021 aus?
„Uptown Funk gon‘ give it to you” hallt es aus den Musikboxen über den Lendplatz hinweg. Über 40 Menschen schauen gebannt auf zwei Monitore. Geteilt in zwei Gruppen stehen sie sich gegenüber und versuchen, den Schritten des Tanzvideos zu folgen. Es wird gedreht, gehüpft und gelacht. Eine großangelegte Just Dance Party? Nein, das Tanzkaraoke beim Lendwirbel 2021.
Tanzen führt Menschen zusammen
Seit 2015 ist das Tanzkaraoke ein fixer Bestandteil des alljährlichen Grätzelfests. Gabriella Dokter und Abelina Holzer sind die kreativen Köpfe hinter dem Projekt. Sie wollten für den Lendwirbel „etwas Partizipatives schaffen, was mit Tanzen zu tun hat“. Die beiden Gründerinnen drehen zu Beginn des Festivals einen Tag lang Videos von „Leuten, die im Lend herumspazieren und Lust aufs Tanzen haben“. Ist genug Videomaterial gesammelt, setzt sich Abelina an den Computer und schneidet die besten Szenen in unterschiedliche Tanzvideos zusammen. Am Ende des Lendwirbels, werden diese meistens auf dem Mariahilferplatz mithilfe eines Beamers ausgestrahlt. Passant*innen können dann nach Lust und Laune versuchen, die Bewegungen nachzutanzen. „Es funktioniert sehr niederschwellig und zeigt: Jede und jeder kann tanzen“, meint Abelina. Weiters sagt sie, dass die fertigen Tanzkaraoke-Videos sehr individuell seien. „Jede Person, die auf dem Video tanzt, hat seinen oder ihren eigenen Tanzstil“, so die Initiatorin.
Das Projekt wurde mit der Zeit immer populärer. Waren es in den ersten beiden Jahren eher kleinere Gruppen, die bei der Ausstrahlung mittanzten, wurde 2017 schon der ganze Mariahilferplatz gefüllt. 2018 konnte selbst ein Regenschauer die gemeinschaftliche Tanzparty nicht stoppen.
Tanzkaraoke 2021
Natürlich konnte das Tanzkaraoke dieses Jahr nicht so stattfinden, wie in den Jahren zuvor. „Trotzdem hat es überraschenderweise gut geklappt“, so Abelina. Gabriella fügt hinzu: „Das Experiment COVID-taugliches Tanzkaraoke ist geglückt“.
Die Aufnahmen für die Tanzvideos wurden vor den Öffnungsschritten am 19. Mai gemacht. Daher waren sich die Initiatorinnen nicht sicher, ob genug Menschen mitmachen würden. Abelina resümiert, dass sie zwar länger unterwegs waren als sonst, aber es habe „doch einige Leute gegeben, die spontan mitgetanzt haben“. Gabriella meint jedoch, dass ihnen während des Filmens das Publikum ein bisschen gefehlt habe. Denn dieses mache eine gute Stimmung während eine Person vor der Kamera tanzt und würde sie ermutigen und anfeuern.
Nach der Bekanntgabe der neuen Coronamaßnahmen, waren Abelina und Gabriella auf der Suche nach einem Platz, wo alle Regelungen eingehalten werden konnten. „Entgegen aller Widerstände von Straßenamt, Veranstaltungsamt und Baustellenproblemen haben wir schlussendlich einen guten Bereich am Lendplatz gefunden“, sagt Gabriella. Am südlichen Teil des Lendplatzes malte das Tanzkaraoke-Team weiße Quadrate auf die Betonplatten, um für den Sicherheitsabstand zu sorgen.
Da bei dieser Location kein Beamer verwendet werden konnte, installierte das Team zwei Computermonitore auf denen die Tanzvideos ausgestrahlt wurden. Das hatte Vor- und Nachteile. Einerseits konnte das Tanzkaraoke früher starten als sonst, da es nicht dunkel sein musste. Das freut auch die beiden Gründerinnen, denn dadurch tanzten mehr Kinder mit. Andererseits sah man ab der dritten Reihe die Monitore nicht mehr so gut, was die Teilnehmer*innen jedoch nicht störte. Das Feedback fiel größtenteils positiv aus. So erfand ein Herr für diesen Umstand den netten Begriff „Stille-Post-Tanzen“, da man weiter hinten das „Nachgetanzte” der vorderen Personen nachtanzte. Eine Teilnehmerin, die schon bei früheren Tanzkaraoke-Events dabei war, meinte, dass das Tanzkaraoke auch heuer wieder dieselbe positive und lebensfrohe Atmosphäre erzeugte.
Titelbild: Barbara Veit