Die neue Ausstellung im < rotor > ist dem „Zucker“ als Rohstoff gewidmet, der sich tief in die Kultur- und Industriegeschichte unserer Gesellschaft eingeschrieben hat. Resa Pernthaller hat in ihrer Arbeit die eigene Familiengeschichte durchleuchtet, Elisabeth Gschiel Zucker-Spuren in Graz gesucht.
Von König Olivia, Leimlehner Jana, Marton Samuel
In den Bildern, die Resa Pernthaller an die Wände des Kunstvereins < rotor > hängt, kommt einiges zusammen: Pernthaller hat zunächst Zuckerrüben, die sie selbst angebaut und geerntet hat, vor weißem Hintergrund fotografiert, die Fotos dann ausgedruckt und anschließend mit Naturfarben aus Brennnesselsud oder Erde koloriert. Ein aufwendiger Prozess, der – und das ist nicht untypisch für ihre künstlerische Arbeit – Natur und Kunst in überraschende Verbindungen bringt.
Durch die Exponate in einer Glasvitrine im selben Raum erschließt sich der Hintergrund der Bilder. Ausgestellt sind dort Erinnerungen an eine Sirupfabrik im steirischen Fohnsdorf, die Pernthallers Großvater 1947 eröffnet hatte. In der Vitrine sind Zuckerrübensamen zu sehen, die auf Dokumenten, Zeitungsartikeln und Bildern verteilt liegen. Ein Zeitungsartikel aus dem Jahr 1947 erklärt, dass die Bevölkerung die Möglichkeit hat, in der Fabrik Zuckerrüben gegen Sirup einzutauschen.
Das Unternehmen von Hans Pernthaller lief nicht gut, nach wenigen Jahren musste er Konkurs anmelden, danach nahm er sich das Leben. „Das Thema wurde in der Familie eher totgeschwiegen“, sagt Pernthaller. Mit ihren Werken arbeitet sie den familiären Schicksalsschag auf: „So etwas macht immer irgendetwas mit einem Familiensystem.” 2017 begann Pernthaller, sich intensiver mit dieser Geschichte zu beschäftigen, baute auch erstmals selbst Zuckerrüben an. Als sie dann auch noch realisierte, dass “Erbe zurück” ein mögliches Anagramm von “Zuckerrübe” darstellt, verstärkte sich der Drang, etwas zu diesem Erbe hinzuzufügen. Vielleicht zumindest ein wenig Farbe.
Elisabeth Gschiel: Die Nähmaschine als Zeichenstift
Pernthallers Arbeit ist eine von insgesamt 14, die sich in der aktuellen Ausstellung im < rotor > mit dem Thema “Zucker” und der mit diesem Rohstoff verbundenen Geschichten beschäftigen. Einmal sind diese Geschichten privater, einmal politischer und nehmen etwa Bezug auf die Geschichte der Industrialisierung oder des Kolonialismus. „Zucker ist interessant, weil Zucker ein Rohstoff ist, der so mächtig ist wie Gold oder Erdöl“, sagt Margarethe Makovec, die gemeinsam mit Anton Lederer den Kunstverein < rotor > leitet.
Elisabeth Gschiel behandelt in ihrer Arbeit etwa den Konkurrenzkampf zwischen Zuckerrohr und Zuckerrübe. Eine in Geidorf ansässige Zuckerraffinerie, die 1825 gegründet wurde, stellte ihre Produktion im Laufe der Jahre von Zuckerrohr auf die lokale Rübe um. Wegen großer Konkurrenz wurde die Fabrik im späten 19. Jahrhundert aufgelassen.
Gschiel studierte Architektur in Graz und hat ihr Atelier im “Schaumbad” in der Puchgasse. “Die Nähmaschine ist im Prinzip mein Zeichenstift”, beschreibt Gschiel ihre Arbeitsweise. Dieses Mal hat sie ihre Technik mit Eisenblaudruck kombiniert, damit die Baupläne der Fabrik vervielfältigt und sie anschließend zusammengenäht. Darüber hinaus hat sie Zuckerrüben- und Zuckerrohrpflanzen aufgenäht.
Mit ihrem Kunstwerk will sie die in Vergessenheit geratene Zuckerfabrik wieder für die Öffentlichkeit sichtbar machen. Heute befinden sich unter anderem Wohngebäude auf dem Areal. Ähnlich wie Pernthaller hat auch Gschiel eine emotionale Bindung zu ihrem Werk. Wenn alte Architektur neuen Wohnbauten weichen muss, sieht sie das kritisch: „Ich finde das immer sehr traurig, dass dadurch ein bisschen Stadtarchitektur oder Geschichte verschwindet. Man kann das jetzt auch sehr gut an allen Ecken in Graz sehen, dass mit der alten Substanz nicht besonders behutsam umgegangen wird.“
Die Ausstellung ist Teil eines EU-kofinanzierten Projekts und wurde am Freitag im < rotor > eröffnet. Neben Österreich sind auch Deutschland, Tschechien, Frankreich, Ungarn und die Slowakei beteiligt. Zurück geht das Projekt auf eine Ausstellung der slowakischen Künstlerin Ilona Németh, die die Transformation der Wirtschaft in der Slowakei nach dem Fall des Eisernen Vorhangs anhand einer Zuckerfabrik beobachtete. Im Rahmen des Projekt ist zudem das Buch “EASTERN SUGAR” erschienen und wird am Samstag im GrazMuseum vorgestellt.
Titelbild: Resa Pernthallers Vorbereitung auf die Ausstellung – Foto: Samuel Marton