Das VinziNest ist mehr als eine Notschlafstelle. Für seine Bewohner ist es Zuhause, Zufluchtsort und – seit mehr als einem Jahr – auch ein Sprungbrett in den Arbeitsmarkt. Josef N.* hat diesen Sprung gewagt.
Von Nadine Hager, Nadja Halsegger und Edda Holweg
„Inzwischen haben wir 25 Prozent der Bewohner im letzten Jahr zu einem legalen Job verholfen und darauf sind wir sehr stolz“, sagt Stephan Steinwidder, der Leiter der Notschlafstelle VinziNest in der Kernstockgasse. Es war ein slowakischer Rom, wir nennen ihn hier Josef N., der Steinwidder zu einer neuen Aktion inspiriert hat. Diese soll es Bewohnern der Notschlafstelle ermöglichen, vom Betteln auf der Straße zu einem regulären Arbeitsplatz zu finden.
„Josef war jemand, der mit seinem Charakter immer herausgestochen hat. Er war auch der Grund, warum ich ein derartiges Projekt gestartet habe.” Das VinziNest unterstützt Arbeitssuchende vor allem durch die Vermittlung an Firmen, die geringfügige Beschäftigungen anbieten. Für Josef N. hat sich die Initiative bezahlt gemacht: Nach eineinhalb Jahren hat er nun eine eigene Wohnung in Graz, einen Job als Paketdienstzusteller und er konnte sogar seine Familie nach Österreich holen.
Neuer Leiter, neuer Wind
Stephan Steinwidder ist seit mehr als zwei Jahren Leiter des VinziNests, einer Einrichtung der Vinzenzgemeinschaft Eggenberg, die letztes Jahr eigentlich ihr 30-jähriges Bestehen feiern wollte. Als Nachfolger von August “Gustl” Eisner, der diesen Mai verstorben ist, hat Steinwidder in der Kernstockgasse viele Strukturen ausgebaut. Zum Beispiel das Ehrenamt, aktuell zählt die Notschlafstelle zwischen 80 und 100 ehrenamtliche Mitarbeiter*innen, die in verschiedensten Positionen mitarbeiten. Grundaufgabe der Einrichtung sei nach wie vor das Stillen der Grundbedürfnisse, sagt Steinwidder. Dazu zählen Hilfe bei Schulden oder die Beschaffung von Ersatzdokumenten.
Die Anfänge des VinziNests
Mit Menschen, die aus dem Krieg fliehen mussten, nahm das VinziNest seinen Anfang. 1992 kamen Flüchtlinge aus dem Jugoslawienkrieg nach Österreich und suchten erst in Waggons am Grazer Hauptbahnhof Unterschlupf.
Als Gustl Eisner das mitbekam, organisierte er gemeinsam mit Pfarrer Wolfgang Pucher, dem Gründer der Vinzenzgemeinschaft Eggenberg, die sogenannten VinziZelte, in denen die Geflüchteten temporär übernachten konnten. Im Winter darauf wurde eine permanente Lösung gebraucht – so entstand das VinziNest.
Betteln ist „verdammt hart”
Josef N. gehört zur Gruppe der slowakischen Roma, die erstmals im November 1996, also vor genau 25 Jahren, aus Hostice nach Graz kamen. Weil es dort keine Arbeit gab und weil Roma dort nach wie vor diskriminiert werden. Inzwischen sind im VinziNest auch andere Nationen vertreten, Rumänen ebenso wie Deutsche, Bulgaren, Polen oder Ungaren. Frauen aus EU-Staaten können nebenan im VinziSchutz unterkommen.
Das von Steinwidder initiierte Arbeitsprojekt will den Bewohnern nun eine Alternative zum Betteln bieten, um sich über Wasser zu halten. „Die Leute sagen immer ‘Bettler sind faul’, aber es ist nicht so einfach!“, sagt Edina Görög-Nagy, stellvertretende Leiterin des VinziNests. „Die Leute sitzen stundenlang auf der Straße, um dann mit zehn bis fünfzehn Euro auszusteigen. Das würde niemand machen, wenn er eine andere Möglichkeit hätte.” Die Jobs, die Steinwidder vermittelt sind solche, für die wenig Vorkenntnisse nötig sind. Auch Josef N. hat zuerst Zustellfahrzeuge beladen, bevor er zur Post kam. Andere Bewohner helfen beispielsweise bei kleine Renovierungsarbeiten in Kirchen. Nicht alle, die das VinziNest vermittelt hat, sind bereits so weit wie Josef. Aber, sagt Stephan Steinwidder, sie sind auf einem guten Weg dorthin.
Titelbild: Stephan Steinwidder und Edina Görög-Nagy im VinziNest – Foto: Nadja Halsegger
*Name von der Redaktion geändert
Am 16. Oktober laden die VinziWerke zur VinziNacht, um das 30-Jahr-Jubiläum aus dem Vorjahr nachzuholen. Beim Fest im Orpheum, das Pia Hierzegger moderiert, werden u.a. Josef Hader oder die Wiener Singer-Songwriterin Pippa auftreten. Tickets sind bereits ausverkauft.