Ein Frauenstammtisch als Schutz vor Gewalt

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Frauen mit Behinderung haben öfter als Männer mit Gewalterfahrungen zu kämpfen. Der Verein „Selbstbestimmt Leben Steiermark“ hat eine neue Gruppe ins Leben gerufen, damit Frauen dazu Erfahrungen austauschen und Wünsche an die Politik formulieren können.

„Es melden sich bei uns sicher mehr Frauen als Männer, wenn es um Hilfe nach Erfahrungen mit Gewalt geht”, sagt Robert Konegger, Obmann-Stellvertreter des Vereins „Selbstbestimmt Leben Steiermark”, der Menschen mit Behinderung unterstützt. Dieses Bild bestätigt eine Studie des Bundesministeriums aus dem Jahr 2019. Demnach sind Frauen mit Behinderung häufiger sexueller und psychischer Gewalt ausgesetzt als Männer. Und sowohl Frauen als auch Männer mit Behinderung erfahren mehr Gewalt als Personen ohne Behinderung. Täter sind meistens enge Bezugspersonen. Psychische Gewalt würden beide Gruppen hauptsächlich im häuslichen Kontext erfahren.

Um solche Themen mit Menschen zu besprechen, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben, hat der Verein „Selbstbestimmt Leben” mit Sitz in der Eggenberger Allee im Oktober letzten Jahres die Untergruppe SL-Frauen ins Leben gerufen. „Frauen mit Behinderung stehen im Inklusionsdiskurs oft noch im Hintergrund, obwohl sie genauso von Gewalt und Benachteiligung betroffen sind”, so Konegger. Der Stammtisch der Gruppe findet einmal im Monat statt, aktuell online. Bei diesen Treffen können die Mitglieder Wünsche an die Politik oder Medien ausdiskutieren und Lösungsvorschläge besprechen. Denn eine gute Repräsentation in den Medien ist essentiell, um gegen Diskriminierung und Ausgrenzung von Menschen mit Behinderung anzukämpfen. Als vertrauenswürdiges, soziales Netzwerk stellt die Gruppe an sich schon eine Hilfestellung und Schutzmaßnahme dar.

Veränderungen im Verein

Generell setzt sich der Verein „Selbstbestimmt Leben Steiermark”, gegründet vom 2021 verstorbenen Sebastian Ruppe, besonders für Frauen mit Behinderung ein. Diese leben immer noch besonders fremdbestimmt, weiß Konegger, der 2020 das Amt des Obmanns zurücklegte und die Stellvertreterrolle übernahm. Die Fremdbestimmung im Leben von Frauen mit Behinderung betrifft alle Lebensbereiche: Sie haben weniger Präsenz am Arbeitsmarkt als Männer mit Behinderung und leben häufiger in Wohneinrichtungen, wo sie meistens nicht einmal über ihr Essen bestimmen können. Außerdem werden in solchen Einrichtungen Besuche reguliert, wodurch ihre Sozialkontakte eingeschränkt werden. „Selbst in Organisationen, die von behinderten Menschen geführt werden, sind Frauen oft nicht in wichtigen Ämtern. Das ist bei unserem Verein anders, da wird darauf geachtet, auch wenn wir uns noch etwas verbessern könnten”, erzählt Konegger, der selbst einen Rollstuhl benutzt. Zurzeit ist ein Drittel des Vorstands weiblich.

Die Eingangstür vor dem Verein zeigt einerseits das Logo der Frauengruppe und andererseits ihr Motto "people first"
Schon auf der Eingangstüre zum Vereinsgebäude ist das Logo der Frauengruppe sichtbar. – Foto: Sophie Handl

Verbesserungen durch den Aktionsplan

„Selbstbestimmt Leben Steiermark” versteht sich als Sprachrohr von Menschen mit Behinderung in Richtung Politik. Deshalb realisiert der Verein seit 2012 in Zusammenarbeit mit dem Land Steiermark einen Aktionsplan, der die konkrete Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention garantiert. Aktuell befindet sich der Plan in der letzten Phase. 

Dabei spielt der Gewaltschutz und die Gewaltprävention für Frauen mit Behinderung eine zentrale Rolle. Frauen werden auch in dieser UN-Konvention als besonders von Gewalt bedrohte Gruppe hervorgehoben. Sie erhalten häufig keine Sexualaufklärung, denn gelebte Sexualität wird ihnen oft abgesprochen. Außerdem fehlt es ihnen oft an Selbstbewusstsein – ihnen wird vermittelt, dass sie unattraktiv seien- und so können Täter ihre Gewalttaten als Form der Zuneigung darstellen. 

Deshalb entwerfen Arbeitsgruppen im Rahmen des Aktionsplans Konzepte zur besseren Aufklärung von Frauen mit Behinderung. Sie werden auf Situationen wie eine Gerichtsverhandlung in Missbrauchsfällen vorbereitet oder ihnen wird erklärt, an welche Hilfsstellen sie sich wenden können. Um eine ordentliche Beratung gewährleisten zu können, stand in Phase drei des steirischen Aktionsplans die Schulung von Personal der steirischen Frauen- und Mädchenberatungsstellen im Fokus, um auf die Intersektionalität von Geschlecht und Behinderung eingehen zu können. 

Für die Zukunft wünscht sich Konegger weitere Verbesserungen für Menschen mit Behinderung und eine bessere Inklusion: „Je selbstständiger ein Mensch sein kann durch die Unterstützung, die er bekommt, ein desto erfüllteres Leben kann er führen.”

Titelbild: Der Weg zum Verein ist in der Eggenberger Allee durch Schilder gut gekennzeichnet – Foto: Sophie Handl

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