Seit einem halben Jahr kooperieren die jüdischen Gemeinden Graz und Slowenien. Im November wurde in Ljubljana eine Filialsynagoge eröffnet. Elie Rosen, der dem neuen Verband vorsteht, über erste gemeinsame Projekte, Ziele und aktuelle Sorgen.
Von Stefan Kohlmann und Florian Kreis
Die Skulptur spiegelt die neunarmige Chanukkia wider, sie schwebt von der Kuppel der Grazer Synagoge, die Fäden, die sie halten, sind im hellen Licht kaum zu sehen. Im Hintergrund spielt Mahlers fünfte Symphonie und die aus Acrylglas geformte Figur scheint sich wie im Takt zu drehen. Weißes Licht strahlt von allen Seiten auf die blattähnlichen Formen und wird in alle Richtungen verstreut. Darunter liegt eine kleinere Version der Installation, welche die Seele symbolisiert und eine große Rolle bei der Eröffnung gespielt hat.
Slowenische Kunst in Graz
Das „Chanukka-Wunder“ wurde vom slowenischen Designer Matic Veler gestaltet und war zum jüdischen Lichterfest Ende Jänner in der Grazer Synagoge zu erleben. Es war ein sichtbares Zeichen für eine Neuverortung der Jüdischen Gemeinde Graz im letzten Halbjahr. Seit 2. August 2021 kooperiert sie mit der Jüdischen Gemeinde Sloweniens im neuen „Verband der Jüdischen Gemeinden Graz und Ljubljana“. Letzten November wurde mit Unterstützung der Grazer auch eine Filialsynagoge in Ljubljana eröffnet. „Ziel der Zusammenarbeit ist es, das jüdische Leben zu intensivieren, zu stärken und natürlich ist auch der Kampf gegen den Antisemitismus damit verbunden“, sagt Elie Rosen, der nicht nur der Grazer Gemeinde sondern auch dem neuen Verband vorsteht.
Rosen hatte Matic Veler im privaten Rahmen kennengelernt, seine Arbeiten überzeugten ihn. Thema des Grazer Projekts sollte Licht sein, das ergab sich aus dem Raum und dessen Bedeutung für das Chanukka-Fest. „Matic Veler ist ein extrem engagierter Künstler, die Zusammenarbeit war unkompliziert, was man nicht von allen Kunstprojekten sagen kann“, meint Rosen. Insgesamt soll der Verband den Austausch zwischen Österreich und Slowenien fördern. Damit meint Rosen, dass wir über unseren eigenen Tellerrand blicken sollten, da die Österreicher*innen viel von der offenen Gesellschaft und der künstlerischen Szene in Slowenien lernen können.
Jüdische Gemeinde in Slowenien
Laut Rosen sei die jüdische Gemeinde in Slowenien schon seit jeher klein. Ljubljana war zu Zeiten der Österreichisch-Ungarischen Monarchie eine sehr überschaubare Gemeinde und gehörte schon von 1880 bis zum Ende der Monarchie zur jüdischen Gemeinde Graz. Im 20. Jahrhundert litt die Gemeinde unter zwei autoritären Regimen: Zuerst unter den Nationalsozialisten während des Zweiten Weltkriegs und anschließend im jugoslawischen Kommunismus. Sie wurden stark unterdrückt und dezimiert. Auch in den letzten zwei Jahrzehnten existierte das jüdische Leben in Ljubljana nur in überschaubarem Rahmen. „Jetzt können wir eine Regelmäßigkeit und eine Verbindung ermöglichen, alles das, was eine jüdische Gemeinde im Eigentlichen ausmacht“, sagt Rosen.
Er selbst fährt zwischen den Gemeinden hin und her, um dies zu gewährleisten. Manche Juden in Slowenien haben einen kürzeren Weg nach Graz als nach Ljubljana und nehmen daher in Graz am Gemeindeleben teil. Auch unter den Mitarbeiter*innen bestehe reger Austausch und mit Projekten wie dem „Chanukka-Wunder” werde die Zusammengehörigkeit auch für die Öffentlichkeit sichtbar.
Bedenkliche Gegenwart, hoffnungsvolle Zukunft
Das „Wunder“ sollte auch Menschen außerhalb der Gemeinde das Chanukka-Fest näherbringen, meint Rosen. Sorgen bereitet ihm der steigende Antisemitismus, den er in den letzten zwei Jahren beobachtete. „Dafür habe ich kein Verständnis, ich finde es geschmacklos und traurig“, meint er in Bezug auf Holocaust-Vergleiche bei Corona-Demonstrationen. Für die Zukunft wünscht sich Rosen, dass der Respekt untereinander wieder größer wird, dass man die Meinungen der anderen hört und auch darüber nachdenkt.
Titelbild: Rosen in seinem Büro – Foto: Florian Kreis