Im Zuge der Ukraine-Krise wurde im < rotor > ein Koordinationsbüro als zentrale Anlaufstelle für ukrainische Kunst- und Kulturschaffende eingerichtet – das „Office Ukraine. Shelter for Ukrainian Artists“. Mittwochabends können sich dort wöchentlich hilfesuchende Kunst- und Kulturschaffende mit Institutionen austauschen.
„Es ist leichter, ein offenes Haus einmal in der Woche zu machen als immer nur zwei Stunden Bürozeit. So wird es einfach menschlicher und es bleibt menschlich“, erklärt Margarethe Makovec, Leiterin des < rotor > im Lend. Es ist kurz nach 18 Uhr und immer mehr Menschen treten durch die offene Tür in der Volksgartenstraße. Vorbereitete Tische sind mit Getränken und Naschereien beladen. Makovec bittet die Eintreffenden, sich zu setzen und eröffnet das Treffen mit ein paar begrüßenden Worten. Grundsätzlich wird auf Englisch gesprochen.
Ein Netzwerk bilden
Dieses Treffen ist Teil des „Office Ukraine. Shelter for Ukrainian Artists“, eine Initiative, die vom Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport (BMKÖS), gemeinsam mit dem Künstlerhaus Büchsenhausen, tranzit.at sowie dem < rotor > und weiteren Institutionen gestartet wurde. Es gibt drei zentrale Anlaufstellen in Wien, Innsbruck und Graz, der < rotor > übernahm die Koordination der Plattform für die Steiermark, Kärnten und das Burgenland. Margarethe Makovec erklärt, dass sie dort die Kommunikation zwischen hilfesuchenden Kunstschaffenden und den entsprechenden österreichischen Institutionen, Personen und Initiativen, die Hilfe anbieten können, herstellen. Die wichtigsten Unterstützungen stellen hierbei das Schaffen von Wohn- und Arbeitsräumen, das Übernehmen von Mentor*innenschaften sowie das Vermitteln von Kontakten dar. Die Einrichtungen stellen folglich ihre Infrastruktur zur Verfügung, aber auch das Wissen um die jeweiligen Szenen.
Wenn man Hilfe sucht
Eva ist eine junge Kunststudentin aus Kharkiv. Sie ist zum ersten Mal bei diesem Vernetzungstreffen dabei und etwas schüchtern. Vor wenigen Tagen ist sie in Graz angekommen, ihre Familie befindet sich noch in der Ukraine. Eva erzählt auf Englisch, ihre Mutter ging mit ihrem jüngeren Bruder ins zentralukrainische Cherkasy, während ihr Vater im umkämpften Kharkiv an der russischen Grenze zurückbleiben musste. Zuhause hat sie in einer Galerie gearbeitet. „Ich vermisse meine Leute und meine Arbeit in Kharkiv wirklich sehr”, sagt Eva. Sie sei aber erleichtert, nun hier zu sein. Jetzt gilt es aber zuerst einmal Deutsch zu lernen, in ein paar Tagen startet ihr Sprachkurs. Darauf freut sie sich, weil sie die Sprache mag und sogar ein Tattoo in deutscher Sprache hat. Sie zeigt dabei auf ihren Unterarm, auf dem geschrieben steht: „Es lebe die Freiheit.“
„Die Aufgabe vom < rotor > ist es nun, genau die richtige Institution für Eva zu finden, damit sie glücklich ist und dort arbeiten kann“, erklärt Margarethe Makovec. Sie versuchen zudem, ein Stipendium für sie zu finden. Das Student*innenwohnheim WIST in Graz stellt Wohnungen zur Verfügung, in denen aus der Ukraine geflüchtete Personen unterkommen können.
Wenn man Hilfe leisten kann
Keyvan Paydar ist Präsident im Vorstand des Atelierhauses „Schaumbad“ Graz. Er nimmt an dem Treffen teil, da sie im „Schaumbad“ hilfesuchenden Kunstschaffenden Raum zum Arbeiten anbieten können und Unterstützung leisten wollen. Es gibt auch die Möglichkeit, konkrete Anstellungen zu erhalten. Neben kleineren Hausmeister-Jobs oder Social-Media-Tätigkeiten gäbe es laut Paydar viel zu tun: „Einige Künstler*innen haben größere Aufträge, die immer wieder Leute brauchen, die bei einem Gemälde oder bei einer Skulpturinstallation dabei sind und mit anpacken.“
Paydar sei es wichtig, den Menschen in dieser schwierigen Situation zu helfen, da er als Kind selbst den ersten Golfkrieg zwischen dem Irak und dem Iran in den 80er-Jahren miterleben musste. Er habe viele Erinnerungen an den Krieg und will den Menschen aus der Ukraine jetzt in dieser schwierigen Situation helfen.
„Ich möchte Erfahrung, Kraft und Hoffnung teilen” – Keyvan Paydar, Schaumbad Graz
Auch Paul Lässer und Nils Tobner vom Roten Keil sind hier, um Menschen Hilfe anzubieten und sich mit ihnen auszutauschen. Durch den < rotor > konnten sie bereits die Verbindung zu einer jungen Studentin aufbauen, die sie jetzt in ihr Atelier integrieren. Sie wollen „helfen, wo’s geht“, erklärt Lässer. Auch Roman Gavryliuk, einer der Mitbegründer*innen der Freiwilligenorganisation „Safe Ukraine Graz“, erklärt, dass sie gemeinsam mit dem < rotor > eine Ausstellung mit ukrainischen Künstler*innen organisieren möchten.
Kleine Schritte mit großer Wirkung
Der < rotor > kreierte als weiteren kleinen Anstoß Postkarten, die einerseits Bewusstsein schaffen und gleichzeitig eine Möglichkeit sind, schnell an Geld zu kommen. Mit dem Kauf einer solchen Karte werden Kunst- und Kulturschaffende in der Ukraine sowie von dort geflüchtete Menschen unterstützt. Es gibt keinen fixen Preis, sondern man bezahlt, was man für angemessen hält.
Titelbild: Kunst- und Kulturschaffende tauschen sich bei einem gemütlichen Zusammentreffen untereinander aus – Foto: Nora Reichhalter