Digitalisierung im Museum – Die Vergangenheit der Zukunft

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Seit zwei Monaten können Besucher:innen des Archäologiemuseums im Schlosspark Eggenberg archäologische Fundstellen aus dem Donauraum in ihrer ganzen digital rekonstruierten Pracht erleben.

Bis jetzt konnten Museumsgäste nur die Rekonstruktionen der eisenzeitlichen Siedlung bei Großklein und das römische Munizipium Flavia Solva in der virtuellen Realität erkunden. Im Laufe des Junis werden den Museumsgästen auch die restlichen Fundstätten aus anderen Ländern mit Donauverbindung virtuell zur Verfügung stehen. Die Hardware für dieses Projekt, die Virtual-Reality-Brillen, sind noch recht neu im Archäologiemuseum. Damit sind sie nicht allein. Während der Pandemie kam es laut Sandra Fetsch nämlich zu einem Digitalisierungsschub in den Museen. „Durch Corona wurden wir genötigt, manche Dinge voranzutreiben. Zuvor hatten wir im Alltag keine Zeit dafür, da man sich intensiv mit den neuen Technologien beschäftigen muss“, sagt Sandra Fetsch. Sie ist Mitglied des Teams für Kunst- und Kulturvermittlung im Universalmuseum Joanneum. Dieses Team gibt Führungen im Schloss Eggenberg, im Münzkabinett, der Alten Galerie und im Archäologiemuseum. Fetsch gibt unter anderem auch Führungen zur Ausstellung „Geschichten aus der Vergangenheit“.

Es ist die erste Virtual-Reality-Ausstellung im Archäologiemuseum, diese Technologie fand man bisher hauptsächlich in technischen Museen. Die VR-Brillen werden nur während der Führungen ausgepackt – eine Anmeldung ist verpflichtend. Da es sich bei der Ausstellung um ein EU-Projekt handelt, ist der Eintritt kostenfrei. Das Projekt startete bereits am 1. Juli 2020 und bis zum 30. Oktober im Jahr 2023 können sich Interessierte noch auf die „digitale Reise in verlorene Welten” begeben. Auf einem Bildschirm sind die einzelnen Schritte zur Rekonstruierung der insgesamt 16 Fundstellen zu sehen.

Sandra Fetsch ist ein Mitglied des Teams für Kunst- und Kulturvermittlung. – Foto: Florian Kreis

Von der Altsteinzeit bis zum Mittelalter

Diesen Monat sollen 14 rekonstruierte Fundstellen hinzukommen. Die ältesten sind aus der Altsteinzeit, während die jüngsten, wie die Felsenkirchen von Ivanovo, aus dem Mittelalter stammen. Bisher konnten Geschichtsinteressierte virtuell in die Blütezeit der archäologisch bedeutsamen Fundstellen aus der Südsteiermark, Flavia Solva und Großklein reisen.

Am Anfang der Reise wird es erstmal finster. Die nach Desinfektionsmittel riechende VR-Brille bedeckt die Augen und nachdem sie aktiviert wird, findet man sich an einem anderen Ort wieder. Navigiert wird mit den VR-Controllern, diese funktionieren wie Laserpointer mit Bestätigungsknopf. In der virtuellen Welt sind die verschiedenen Fundstellen aufgereiht und können mit den Controllern ausgewählt werden. Nach der Sprachauswahl folgt die Zeitreise.

In der Vergangenheit finden sich 3D-modellierte Gebäude und in schwarz-weiß gezeichnete Menschen, die ihrem Alltag nachgehen. In der römischen Stadt Flavia Solva folgt man dem Tagesgeschehen einer Familie, von einem Tempel über einen Friedhof und anschließend durch die Stadt zu einem Gladiatorenkampf. Der Austausch der Familie ist in den neun Sprachen der Projektländer und auf Englisch vertont. Die Reise in die Vergangenheit Großkleins hingegen beginnt in einem Büro aus dem zwanzigsten Jahrhundert und lässt einen mit Objekten aus der Eisenzeit interagieren. Diese Objekte werden im späteren Verlauf der Reise wiederkehren, nämlich in einem Grabhügel, der nach einer kurzen Nebenhandlung mit Metallbearbeitung und einer Brandbestattung betreten werden kann. Die 3D-Gebäude hat eine externe Firma mit dem Programm Unity nach den Vorgaben des Museums erstellt.

Der größte Vorteil der Darstellung in virtueller Realität ist für Sandra Fetsch, dass isoliert auftretende Fundstücke in ihrem alltäglichen Kontext zu sehen sind. Bis jetzt hatte sie noch keine Besucher:innen, die Vorerfahrungen mit Virtualy Reality hatten. „Es kommt bei den Gästen gut an und ich hatte selbst noch keinen Gast, der größere Schwierigkeiten mit den Brillen hatte. Ich denke, dass die Art und Weise, was wir präsentieren und wie wir es präsentieren, noch wachsen wird und dass die Technologie im Museum bleiben wird“, sagt sie.

Das Bindeglied zwischen allen Projektpartnern ist die Donau. – Foto: Hanna Kreis

Europäische eLandschaften

Die Donau entsteht durch den Zusammenfluss der Quellflüsse Brigach und Breg in Deutschland, schlängelt sich nach Österreich noch durch acht weitere EU-Staaten und mündet schließlich im Schwarzen Meer. Sie hat über die Jahrtausende kulturelle Wurzeln geschlagen, die noch hunderte Kilometer von ihren Ufern entfernt zu sehen sind. Ebendiese Wurzeln wollen die Teilnehmer des EU-Projekts „Danube’s Archeological eLandscapes“ für Museumsbesucher:innen begreifbar machen.

Insgesamt nehmen Museen aus zehn Ländern am Projekt teil: Österreich, Slowenien, Rumänien, Tschechien, Kroatien, Deutschland, Bulgarien, die Slowakei, Ungarn und Serbien. Die Projektpartner konnten frei wählen, welche Fundstellen sie virtuell rekonstruieren und wie sie die Rekonstruktion umsetzen. Das Universalmuseum Joanneum ist Lead Partner und übernimmt einen Großteil der Koordination. Laut Sarah Kiszter, eine der Kuratorinnen und wissenschaftlichen Mitarbeiter:innen des Projekts, seien EU-Projekte oft herausfordernd, da die Anzahl der beteiligten Personen sehr groß sein kann und viele verschiedene Sprachen gesprochen werden.

Zukunftsaussichten

Geplant ist, die VR-Brillen und somit auch die Museumbesucher:innen auch nach 2023 mit neuen Inhalten zu versorgen. Bis es soweit ist, können Geschichtsinteressierte beispielsweise die Felsenkirchen von Ivanovo und die rekonstruierten Gemälde darin bestaunen. In der Umsetzung sieht Sandra Fetsch noch Luft nach oben: „Ich fände es schöner, wenn es fließender funktionieren würde oder wenn es möglich wäre, dass Gäste die Brillen nehmen und sich alleine in die Ausstellung vertiefen könnten, ohne, dass man es fest an eine Führung koppelt. Es ist unser erster Schritt in diese Richtung, aber ich glaube, es ist etwas wirklich Schönes dabei herausgekommen. Es gibt aber auch Dinge, die wir beim nächsten Projekt anders machen würden“. Für Sarah Kiszter sind auch interaktivere Formate wie Videospiele nicht ausgeschlossen.

 

Titelbild: Digitale Reisen in verlorene Welten im Archäologiemuseum. – Foto: Florian Kreis

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