Das internationale Forschungsprojekt CLEANcultures will der Klimakrise auf Nachbarschafts- und Bezirksebene entgegenwirken. Anfang November waren die Bewohner:innen von Eggenberg dazu eingeladen, ihre Sorgen und Lösungsvorschläge zu diskutieren.
von Theresa Kahr und Hannah Klug
„Dort, wo wir am Plabutsch sind, dort sind sie früher Schlitten gefahren auf den Hängen!“, donnert ein älterer Mann aus der zweiten Reihe durch den bescheiden ausgestatteten Pfarrsaal Schutzengel. Auf einmal herrscht Stille im Raum. Alle Augen sind auf ihn gerichtet. Claudia Winkler, die gerade eben noch Fakten zur Klimakrise präsentiert hatte, notiert etwas auf ein grelles Post-it, das sie auf ein Flipchart klebt. Darauf sind schon viele andere Gedanken und Anregungen der Bewohner:innen zu den derzeit großen Klimathemen.
Klimaschutz mit Melodie
Die Folgen des Klimawandels werden seit Jahren immer deutlicher, Trendumkehr ist keine in Sicht. Die Forscher:innen von CLEANcultures beschäftigen sich genau mit diesem Problem und versuchen anhand kleiner Nachbarschaftsprojekte den großen klimatischen Problemen entgegenzuwirken. Dem Experten in Umweltsoziologie und Veranstalter des Events, Michael Brenner-Fließer, ist schon lange aufgefallen, dass die Wissenschaft Fakten unverständlich aufbereitet und kommuniziert. Darum testen er und sein Team unübliche Zugänge, um die Menschen besser zu erreichen. In Eggenberg versuchten sie, wissenschaftliche Fakten mit den persönlichen Geschichten der 21 Bewohner:innen, die gekommen waren, zu verknüpfen. Schließlich sangen „die Wetterleuchten”, Improvisationsmusiker mit dem Schwerpunkt Nachhaltigkeit, Lieder anhand von spontanen Einwürfen aus dem Publikum. Mit ihren Songtexten fassten sie die Diskussion auf außergewöhnliche und humorvolle Weise zusammen, sodass am Ende alle Besucher:innen lautstark mitsangen.
„Liebe Wirtschaft, liebe Wirtschaft, du könntest mir mal zuhören, was ich dir zu sagen hab, das sind verschiedene Themen, die mir nicht passen. Zu viel Hitze, zu wenig Schutz der Natur, zu hohe Energiekosten, zu viel Verbauen, zu viel Pendelverkehr und schlechter Umgang mit dem Klimawandel.” – Songtext der „Wetterleuchten“.
Klimakrise hinterlässt Spuren
Bereits im Juli erhoben die Veranstalter:innen Daten für das Projekt. Sie schickten dafür einen Fragebogen an insgesamt 5.000 Haushalte in Eggenberg aus, um ein allgemeines Stimmungsbild der Bevölkerung zu bekommen. Die Bewohner:innen sollten Fragen zu den Ursachen für die ansteigenden Temperaturen beantworten, zu den klimatischen Veränderungen in Eggenberg und den Maßnahmen gegen den Klimawandel. Das Ergebnis: Dem Großteil ist bewusst, dass der Klimawandel menschengemacht ist und auch bereits in Eggenberg seine Spuren hinterlässt. Obwohl nur 207 ausgefüllte Fragebögen zurückkamen, verwies Brenner-Fließer bei der Präsentation im Pfarrsaal Schutzengel darauf, dass die Altersgruppen, die Geschlechter und die Haushaltsgrößen gut verteilt gewesen seien. Außerdem führten die Veranstalter:innen im Vorhinein Interviews mit Personen, die ein breites Wissen zum Klimawandel haben und in politischen oder administrativen Positionen tätig sind. Die Interviewpartner mussten den Umgang mit dem Klimawandel in Eggenberg einschätzen und die größten Herausforderungen nennen. Bei den Interviews wurden die gleichen Probleme wie beim Event selbst genannt.
Die Veranstalter analysieren im Rahmen des Forschungsprojekts aber nicht nur Eggenberg, sondern auch den Stadtbezirk Jakomini und die Marktgemeinde Admont. Das Team von CLEANcultures setzt sich zusammen aus Forscher:innen aus Finnland, Italien, Norwegen und Österreich. In Österreich wird das Projekt von Forscher:innen von Joanneum Research Life geleitet. Dazu gehören auch Michael Brenner-Fließer, Viktoria Kofler und Claudia Winkler. „Wir wollen wirklich nur über die Probleme reden, die die Menschen konkret betreffen“, sagt Brenner-Fließer.
Neue Bewohner:innen in Eggenberg
Die Methode ist überall dieselbe, die Probleme der Bewohner:innen unterscheiden sich natürlich von Region zu Region. Laut Brenner-Fließer wird es in Eggenberg in Zukunft zu einem starken Bevölkerungswachstum kommen. Die Einwohnerzahl wird bis 2034 von 22.000 auf rund 25.000 Menschen steigen. Häufen werden sich auch die Hitzetage, die in Extremwetter resultieren können. In der Diskussionsrunde des Events wurde deutlich, dass der Klimawandel das Leben in Eggenberg schon jetzt beeinflusst. „Wir haben einen kleinen Garten, dort sieht man auch Gottesanbeterinnen, Spinnen, den asiatischen Marienkäfer, die Stinkwanze. Das muss jedem auffallen!“, bemerkte ein Besucher aufgebracht.
Besonders der Umgang mit der Natur wurde stark kritisiert. In Eggenberg würden viele Bäume durch Bautätigkeiten beschädigt werden, da auf ihren Wurzelbereich keine Rücksicht genommen werde. Insbesondere einem älteren Mann lag dieses Thema besonders am Herzen: „Es sollte von der Bauordnung eine Änderung zum Schutz von Bäumen geben. Das ist auch in der Burenstraße so. Dort sind einige arme Krüppel, die mit einem Quadratmeter zurechtkommen sollen.”
Energie und Verkehr regen auf
Besonders regte das Thema Energie auf. Unter anderem stand der Wunsch zum Fernwärmeausbau zur Debatte, der von einigen Eggenberger:innen als nachhaltigere Lösung angesehen wurde, auch wenn sie sich aktuell nicht viel Chancen dafür ausrechnen. Die Wohnbaugesellschaften stellten sich laut den Besucher:innen quer, was den Fernwärmeausbau angeht. „Natürlich kann man als Einzelner nichts tun, wenn das ganze Haus an eine Gasheizung angeschlossen ist“, beschwert sich ein Teilnehmer.
Das Klima rückte im Laufe der Diskussion aber immer stärker in den Hintergrund und individuelle Probleme nahmen überhand. Stark im Fokus stand hier der Pendelverkehr. Im Gespräch kam auf, dass immer mehr Menschen aus den umliegenden Gemeinden den Bewohner:innen die Parkplätze wegnehmen. Die Bezirksvorsteherin Karin Gruber (KPÖ) antwortete umgehend auf die Anliegen und sprach sich für ein Park&Ride in Eggenberg aus. Michael Brenner-Fließer verwies bei diesem Thema oftmals subtil auf die Auswirkungen auf das Klima: „Als Klimafürsorger würde ich aber sagen, man sollte es nicht übertreiben mit den Parkplätzen, auch wenn sie nur für Außenstehende gedacht sind.”
Für viele Eggenberger:innen ist das Fahren mit dem Auto aufgrund des starken Verkehrsaufkommens gar keine Option mehr. Sie sind lieber mit dem Rad unterwegs. Aus diesem Grund wurde auch ein Ausbau der Radwege gefordert, insbesondere eine Anbindung der Peter-Tunner-Gasse an den Murradweg. Der Pensionistin Rosa Schneeberger bereitet vor allem die Infrastruktur in Eggenberg große Sorgen, da unübersichtliche Fußgängerübergänge und weit auseinanderliegende Geschäfte zu einer immer größeren Gefahrenquelle für sie werden. „Man müsste mehr auf ältere Herrschaften Rücksicht nehmen“, klagt sie im Gespräch mit der Annenpost.
Kein Licht am Ende des Tunnels
Bei der Veranstaltung im Pfarrsaal wurden zwar zahlreiche Meinungen kundgetan, Lösungsvorschläge kamen jedoch keine auf und wurden auch während der Debatte außen vor gelassen. Michael Brenner-Fließer geht es mehr darum, dass die Eggenberger:innen und die lokalen Politiker:innen einander zuhören. Selbst er als Veranstalter zweifelt, dass ein einziges Event das Verhalten der Teilnehmer:innen ändern kann: „Man darf wahrscheinlich nicht so naiv sein und glauben, dass da jetzt großartige Veränderungen passieren werden“. Brenner-Fließer hofft aber, dass den lokalen Politiker:innen durch das Projekt bewusst wird, mit welchen Themen sie sich beschäftigen müssen.
Das Projekt ermöglichte es den Bewohner:innen jedenfalls, zusammenzukommen und Meinungen auszutauschen. „Man sieht, Menschen fühlen sich oft einsam mit ihren Problemen, vielleicht sind genau solche Foren dazu geeignet, dem entgegenzuwirken”, verkündet ein Besucher am Ende der Veranstaltung. Brenner-Fließer plant nach der Evaluierung des Projektes, die angesprochenen Themen zu sammeln und an die Politik weiterzugeben.
Titelbild: Flipchart zu den Herausforderungen in Eggenberg. – Foto: Hannah Klug