Grieskindlmarkt
Am Nikolaiplatz trifft Nachhaltigkeit auf Weihnachtsstimmung Foto: Celina Erjautz

Dunkle Nacht, teure Nacht – Was die Krise mit Weihnachten macht

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Die Grazer Weihnachtsmärkte sind voll wie nie. Wie passt das zu Energiekrise und Inflation? Ein Augenschein aus verschiedensten Perspektiven an einem Abend in der Vorweihnachtszeit.

Von Matthias Adler und Celina Emilia Eva Erjautz

Der Adventmarkt am Südtirolerplatz leuchtet an diesem Abend, als gäbe es kein Morgen. Grelle Lichterketten, dampfende Glühweinkocher und hier und dort ein Heizstrahler – die Energiekrise scheint im Grazer Advent keine Spuren zu hinterlassen.

Dabei hat die Stadt Graz einen eigenen Notfallplan erstellt und schon im September die erste Stufe, die sogenannte „Energie-Frühwarnstufe” verhängt. „Die Wirkung wird sich im Frühjahr zeigen”, glaubt ein Standbetreiber am Südtirolerplatz, der seinen Namen lieber nicht nennen will. „Das Thema Energieverbrauch und Weihnachtsmärkte passt halt nun einmal nicht besonders gut zusammen.”

Stufe eins des Plans sieht zunächst recht sanfte Maßnahmen vor: Die offizielle Weihnachtsbeleuchtung wurde diesen Winter erst zwei Tage vor dem ersten Adventsonntag eingeschaltet, davor waren es zehn Tage Vorlauf. Und erstmals gibt es auch eine einheitliche Beleuchtungszeit von 16 bis 22 Uhr. Warum diese Regelung für die Beleuchtung an den einzelnen Ständen nicht gilt, versteht der Standler nicht. Auch seine Holzhütte ist mit blinkenden Lichterketten geschmückt. Das Verbot der „Heizschwammerl” im kommenden Jahr sei der wichtigere Schritt in Richtung Energieeffizienz. „Wenn es den Leuten kalt ist, sollten sie sich wärmer anziehen oder im Notfall mehr Glühwein trinken”, schmunzelt der Standler, der – zumindest hinsichtlich Kleidung – mit gutem Beispiel vorangeht.

Outdoor Beheizung
Outdoor-Heizungen wird es nächstes Jahr nicht mehr geben – Foto: Matthias Adler

Wo ein Wille, da ein Weg

Beispielhaft soll es auch am Grieskindlmarkt am Nikolaiplatz zugehen. Yuno Khripunova und Sandra Auer, die Betreiberinnen der Vintage-Teebar Omas Teekanne, haben ihn ins Leben gerufen. Für Khripnova ist der aktuelle Ansturm auf die Weihnachtsmärkte leicht zu erklären: „Der Mensch ist ein soziales Wesen. In Krisenzeiten will man sich mit anderen Menschen austauschen, so auch am Weihnachtsmarkt.“ Auf ihrem Markt wird schon seit 2016 Nachhaltigkeit großgeschrieben: Die Hütten sind aus Holz, Plastikmüll soll möglichst vermieden werden und es verkaufen hier nur Produzent:innen und Designer:innen aus der Region. Zu kaufen gibt es handgemachtes Geschirr, Deko für’s Eigenheim und regional produzierte Socken aus Alpakawolle.

Dabei sei es nie die Absicht gewesen, extra klimafreundlich zu agieren, sagt Yuno. Es habe sich einfach natürlich angefühlt, so zu handeln. Der Konsum sei am Grieskindlmarkt nebensächlich, im Vordergrund stehe der Genuss zur Vorweihnachtszeit. Dazu gibt’s Heißgetränke, die von den Produzent:innen selbst gemacht werden, außerdem Süßes nach traditionellen Rezepten.

Yuno Khripunova mit Team am Grieskindlmarkt
Yuno Khripunova (rechts) mit ihrem Team am Grieskindlmarkt – Foto: Matthias Adler

„Wir hören deshalb aber nicht auf, das zu tun, was wir tun!“

Mit steigenden Stromkosten hat allerdings auch der Markt am Nikolaiplatz zu kämpfen. „Das ist Jonglieren an der Schmerzgrenze. Du kannst keinen Glühwein um zehn Euro verkaufen, auch wenn wir das müssten, wenn man sich die Teuerungen beim Strom und den Lebensmitteln heutzutage anschaut“, erklärt Yuno nachdenklich. Einige ihrer Aussteller:innen hätten ihre Preise heuer leicht angepasst, der Umsatz sei aber nicht nur deshalb wesentlich höher als in den letzten Jahren, sondern auch, weil es mehr Besucher:innen gebe.

Auch bieten heuer mehr Standler:innen am Grieskindlmarkt ihre Waren zum Verkauf an, als in den Jahren davor. Die Kosten für die Standplätze wurden dieses Jahr am Grieskindlmarkt nicht erhöht. Trotz reduzierter Weihnachtsbeleuchtung und dem Verzicht auf Outdoor-Heizungen könnte die kommende Stromrechnung für schlaflose Nächte sorgen.

Khripunova hält andere Schritte für sinnvoller. So müsse die Stadt Graz besonders jene Märkte unterstützen, welche sich bewusst auf ein nachhaltiges und energiesparendes Wirtschaften fokussieren. Bis dieser Schritt getan ist, werden Märkte wie der Grieskindlmarkt auch ohne Unterstützung weiterhin für ein vorweihnachtliches Graz sorgen.

Besinnliches Zusammenkommen oder gezieltes Wegschauen?

Auch der nicht allzu weit entfernte „Circus Wonderlend” am Grazer Mariahilferplatz ist gut besucht. „Weihnachten soll etwas Besinnliches sein und da gehört der Besuch am Adventmarkt mit meinen Liebsten nun einmal dazu. Mir bringt das Freude und Hoffnung in dieser schweren Zeit“, erzählt die 25-jährige Mona aus Graz-Umgebung, welche sich selbst als „Weihnachtsfanatikerin” bezeichnet. Man brauche etwas zum Festhalten und Energie könne man ja auch woanders sparen, ergänzt die Angestellte. Der Mensch müsse seinen Konsum in anderen Bereichen eingrenzen, um dem Problem der Energiekrise und der Inflation entgegenzuwirken. Würde beispielsweise jeder das Licht ausschalten und weniger heizen, müsste niemand ein schlechtes Gewissen bei ein paar Lichtern und Glühweinkochern in der Vorweihnachtszeit haben.

Heizstrahler
Glühende Strahler, wie am Südtiroler Platz, sind dieses Jahr ein seltener Anblick – Foto: Matthias Adler

Eine 39-jährige Angestellte, die Glühwein schlürfend mit ihren Freundinnen am Mariahilferplatz steht, sieht die Situation ähnlich: „Trotz der Krisen soll eine gewisse Lebensfreude erhalten bleiben. Die Menschen genießen es, nach so langer Zeit wieder rausgehen und für einen Moment ihre Sorgen vergessen zu können.“

Punsch polarisiert

Doch nicht jede:r Passant:in am Südtirolerplatz teilt diese Meinung. Lorenz studiert in Graz, bezeichnet sich selbst als „Weihnachtsmuffel” und verliert, wie er sagt, in der Vorweihnachtszeit den Glauben an seine Mitmenschen. Wie könne es sein, dass tagtäglich Energie auf Weihnachtsmärkten „rausgehauen“ werde, während sich jede:r über zu hohe Strom- und Gaspreise aufrege? Er verstehe nicht, wie so viele Leute unter der Inflation leiden und gleichzeitig genug Geld besitzen, um es auf Weihnachtsmärkten „schlichtweg zu versaufen“. Tatsächlich kostet ein Glühwein heuer knapp fünf Euro. Das ist rund ein Euro mehr als noch im Vorjahr.

Eine Physiotherapeutin aus Graz-Umgebung, die sich gerade bei einem Glühweinstand anstellt, sieht eine Alternative zum teuren vorweihnachtlichen Geschehen. „Wenn man eine schöne Ablenkung vom Alltag braucht, aber keinen teuren Glühwein an den Ständen kaufen will, lässt sich dieser ganz einfach auch daheim zubereiten“, erklärt die 45-Jährige lächelnd und zeigt auf ihre mitgebrachte Thermoskanne. Im Anschluss daran könne man immer noch die Weihnachtsstimmung in der Stadt genießen.

Einer der Glühweinverkäufer habe für die Beschwerden der Gesellschaft wegen des zu hohen Energieverbrauchs und der Teuerungen kein Verständnis. Es gäbe Wichtigeres, als LED-Beleuchtungen zu reduzieren und sich über Glühweinkocher Gedanken zu machen. „Die Kunden zahlen den Strom ja eh nicht, den ich tagtäglich benötige. Ich habe meine Preise zwar angepasst, aber ich habe sie nicht so erhöht, wie ich es gekonnt hätte“, berichtet einer der gut aufgelegten Standler am Südtirolerplatz.

Titelbild: Am Nikolaiplatz trifft Nachhaltigkeit auf Weihnachtsstimmung – Foto: Celina Erjautz

 

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