Am Montag letzte Woche sperrten Aktivist:innen der „Letzten Generation“ den Verkehr vor dem Kunsthaus. Wir haben mit einem Aktivisten darüber gesprochen, was ihn motiviert und was er erreichen will.
von Carolin Luttinger und Moritz Strobl
„Mit der Klimawandel-Thematik beschäftige ich mich schon seit der Pubertät“, sagt Valentin Bast. Er ist einer der drei Aktivist:innen, die vergangenen Montag neben dem Kunsthaus den Morgenverkehr am Lendkai blockierten. Nach einer halben Stunde löste die Polizei die unangemeldete Versammlung vollständig auf. Die “Letzte Generation” hatte in Graz zuvor schon den Joanneumring geblockt, vor zwei Wochen auch den Opernring.
Bevor sich Bast engagierte, sei ihm die Ausbildung wichtiger gewesen, erzählt er bei einem Treffen einige Tage nach dem Protest. Selbst in Aktion trat er erst, als ihm auffiel, dass es zwar jede Menge Klimakonferenzen und Klimaziele gibt, sich aber dennoch nicht wirklich etwas verändere. Im Oktober schloss er sich dann der “Letzten Generation Österreich“ an, die er über Kontakte in Wien kennengelernt hatte und beteiligte sich an ersten Aktionen. „Dann haben mein Freund und ich beschlossen, dass wir das in Graz auch starten wollen“, sagt Bast, der hier Volkswirtschaftslehre studiert.
Klimakleber in Österreich
Bekannt ist die „Letzte Generation“ vor allem für ihre Straßenblockaden, bei denen sich Aktivist:innen oft am Asphalt festkleben. Die Organisation entstand Ende 2021 in Deutschland. Seitdem hat sie sich ausgebreitet und in diesem Jahr auch in Österreich Fuß gefasst. Die Gruppe ist sehr dezentral aufgestellt. Es gibt keine offizielle Führungsriege, Aktionen finden laut Bast oft ziemlich spontan statt. Als wichtigstes Planungsinstrument dient die Messenger-App Signal. „Bei den einzelnen Zusammenkünften gibt es dennoch meist eine leitende Person, die sogenannte Bienenkönigin“, erklärt Bast.
Mit ihren Blockaden stößt die „Letzte Generation“ häufig auf negative Resonanz. Auch mit Aktionen wie im Leopold Museum, wo Aktivist:innen eine “Schutzscheibe vor Klimt-Bild” mit “Öl” beschmierten, wie FM4 twitterte, polarisieren sie. Sollten Proteste statt Kunst und Zivilbevölkerung nicht Konzerne und untätige Politiker:innen treffen? „Wir wollen nicht die arbeitenden Bevölkerung stören, aber es ist einfach die medienwirksamste Form des Protests“, erläutert Bast. „Es gab auch schon Aktionen gegen Kohlekraftwerke und Privatjets, derartiges ist aber extrem aufwändig und zugleich leicht zu ignorieren. Die juristischen Konsequenzen sind ebenfalls viel schwerwiegender als bei Straßenblockaden.“
Dennoch verhängte die Polizei am Montag nach der Blockade Verwaltungsstrafen. Bast sieht dem aber gelassen entgegen. Sollte es zu einer Verurteilung kommen, wird er nichts zahlen. „Ich habe kein Problem damit, ins Gefängnis zu gehen.” Selbst eine Verschärfung der Gesetzeslage würde Bast nicht aus der Ruhe bringen. Er betont: „Ich habe absolut keine Angst davor.“ Er glaubt auch nicht, dass es der Bewegung schaden würde. Eher im Gegenteil. „Umso stärker die Repression wird, umso stärker werden wir.“
Klima retten durch zivilen Ungehorsam
Mit ihren jetzigen Kampagnen versucht die „Letzte Generation Österreich“, zwei bestimmte Ziele durchzusetzen. Einerseits fordern sie ein Tempolimit von 100 Stundenkilometern auf der Autobahn. Damit sollen zwischen 15 und 20 Prozent an CO2-Emissionen auf Österreichs Schnellstraßen eingespart werden. Außerdem will die letzte Generation ein Verbot von Fracking und keine neuen Gas- und Ölprojekte. Mit diesen wenigen Forderungen wird Österreich seine Klimaziele allerdings unmöglich erreichen. Bast begründet die wenig ambitionierten Ziele mit der einfachen Umsetzbarkeit: „Wir merken das auch in der Vergangenheit der Klimabewegung – wenn sie erfolgreich waren, waren es immer wenige, leicht umsetzbare Forderungen.“ Als Beispiel nennt der Aktivist das Ausrufen des Klimanotstandes in Großbritannien, wozu auch die Proteste von „Extinction Rebellion“ beitrugen.
Zivilen Ungehorsam sieht Bast als beste Möglichkeit, ihren Anliegen Gehör zu verschaffen. Es sei auch keine Priorität, Sympathien in der breiten Bevölkerung zu erwecken. Hauptziel ist es, das Thema im Bewusstsein der Menschen zu halten und Druck auf Entscheidungsträger:innen auszuüben. Trotzdem meint der Aktivist: „Wir merken, dass die Zustimmung sehr stark gestiegen ist.“ Eine Market-Umfrage im November sprach von 20 Prozent Zustimmung in der Bevölkerung. In einer Befragung des Nachrichtenmagazins „Profil“ sprachen sich nur zehn Prozent für die Proteste aus. Ein Drittel zeigte Verständnis, fand die Aktionen allerdings zu extrem.
Die Methoden der „Letzten Generation“ sind nicht neu. Auch das amerikanische Civil-Rights-Movement der 1960er oder das indische „Nationalist Movement“ unter Gandhi bedienten sich zivilen Ungehorsams, um auf ihre Forderungen aufmerksam zu machen. Auch Kunstwerke wurden immer wieder Ziel von Aktivismus, beispielsweise als die Suffragetten vor mehr als hundert Jahren im Kampf für das Frauenwahlrecht im britischen Museum die “Venus im Spiegel” von Diego Velanzquez mit einer Axt zerstörten. Unter Hinstorker:innen ist die Wirksamkeit umstritten.
Die Zukunft aus Sicht der „Letzten Generation“
Zeitgleich mit der Blockade des Lendkais besetzten letzte Woche Mitglieder der Bewegung „Erde brennt“ einen Hörsaal an der Universität Graz. Mit deren Anliegen sei man solidarisch, sagt Bast, eine Zusammenarbeit gab es bis jetzt noch nicht, das könne sich aber in Zukunft ändern. „Es stecken einfach unterschiedliche Methoden und Philosophien dahinter, die uns unterscheiden, aber die Grundstimmung ist schon Solidarität.“
Wichtiger ist Bast die internationale Vernetzung mit Organisationen, die Methoden und Ansichten der „Letzten Generation“ teilen. Dazu werden sie bald dem Netzwerk „A22“ beitreten, das verschiedene Klimaorganisationen miteinander verbindet. Teil von diesem Netzwerk sind unter anderem die Schwesterorganisation „Letzte Generation Deutschland“ und die britische „Just Stop Oil“-Bewegung. Auch der Aktivismus der „Letzten Generation Österreich“ orientiert sich stark an den internationalen Vorbildern. „Die Aktionsformate werden sich ändern”, glaubt Bast. „Die anderen Organisationen haben viel mehr Kapazitäten, sich neue Dinge auszudenken.“
Anders als Umweltbewegungen in der Vergangenheit will die „Letzte Generation“ keine politischen Entscheidungen treffen. „Wir werden uns nicht an einen Verhandlungstisch mit der Regierung setzen, wir gehören auf die Straße“, sagt Valentin Bast. „Wir sind der gesellschaftliche Druck, der die Politiker:innen dazu bringt, nicht mehr ignorieren zu können, was die Wissenschaft schon seit 40, 50 Jahren sagt.“
Titelbild: Drei Aktivist:innen der „Letzten Generation“ sperren den Lendkai – Foto: Letzte Generation Österreich