Fair Pay, mehr Planungssicherheit und eine bessere Informationspolitik: Nach dem Beschluss der einmaligen Erhöhung der Kulturförderung bleibt die Wunschliste der freien Kulturszene eine lange.
von Andrea Wagner und Maria Wilbrink
„Working, slaving, what are we working for?” Diese Frage singend, leitete Irina Karamarković die Aufführung von “Mehr.Wert”, des jüngsten Projekts der Theater- und Kulturinitiative InterACT, ein. An mehreren Abenden im November suchten die Darsteller:innen gemeinsam mit dem Publikum im Theater im Lend nach konkreten Lösungen, um die oft prekären Arbeits- und Lebensbedingungen im Kulturbetrieb zu verbessern. Das Publikum lernte dort unter anderem Fabian kennen, der seit Jahren als freier Schauspieler arbeitet, sich mit Nebenjobs über Wasser hält und dabei an die Grenzen seiner Belastbarkeit stößt. Oder die Tänzerin Pamina, die unter schwierigen Arbeitsbedingungen und sexuellen Übergriffen leidet. Oder Vedrana und Max, deren Beziehung auf die Probe gestellt wird, während sie sich von einer Projektfinanzierung zur nächsten quälen.
Es sind Szenen, die aus dem Leben gegriffen sind, auf sorgfältiger Recherche basieren. Die in den Aufführungen gesammelten Lösungsvorschläge sollen im kommenden Jahr in die politischen Gremien von Stadt, Land und Bund eingebracht werden, ganz im Sinne des „legislativen Theaters”, das InterACT seit Jahren praktiziert.
„Mehr.Wert” lief in Graz zu einer Zeit, in der einmal mehr intensiv über den Wert von Kulturarbeit diskutiert wurde. Anlass: Die von der freien Szene angesichts der Teuerungen geforderte, dauerhafte Valorisierung der Förderungen. Erst im Dezember beschloss der Gemeinderat dann einen Inflationsausgleich von 8,65%, der allerdings nur einmalig gewährt wird und nur für Kulturvereine und Veranstalter gilt, die einen dreijährigen Fördervertrag haben. Auch die von Kulturstadtrat Günter Riegler (ÖVP) zusätzlich geforderten 2,5 Millionen Euro, um faire Bezahlung („Fair Pay”) zu ermöglichen, wurden von der Koalition aus budgetären Gründen nicht unterstützt.
Kritische Stimmen
Dass Kulturstadtrat Günter Riegler (ÖVP) mit dem Ergebnis unzufrieden ist, erstaunt nicht. Er finde, dass die Fördergelder heuer ungefähr am gleichen Niveau wie letztes Jahr seien, trotz hoher Inflationsrate. Das sagte er in einer Diskussionsrunde mit Kulturschaffenden vergangenen Montag. Er sehe keine wahrnehmbare Steigerung.
Auch Vertreter:innen der freien Szene hatten sich zu Wort gemeldet. „Ich dachte immer, dass eine ‚linke‘ Position bedeutet, dass man für mehr Diversität eintritt und Kultur von unten fördert“, schrieb etwa uniT-Leiterin Edith Draxl in einem offenen Brief. „Die Koalition müsste sich die Frage stellen, ob Kulturarbeit jenseits der Einrichtungen bürgerlicher Repräsentation einen Wert hat.”
Allein, dass die Verhandlungen sich derart lange dahinzogen, sei schon unangenehm, meint Anton Lederer, der gemeinsam mit Margarethe Makovec den Kunstverein < rotor > leitet: „Kommt es einmal zu einer Einigung, dauert es sehr lange, bis das Geld wirklich da ist. Natürlich ist das ärgerlich.“ Dadurch, dass der Kulturbetrieb ganzjährig Ausgaben hat, seien oft Zwischenfinanzierungen über beispielsweise Kredite nötig, sagt Lederer im Gespräch mit der Annenpost.
Grundsätzlich findet er die Förderstruktur in Graz nicht schlecht. So gäbe es nicht nur ausschließlich für die großen Kunsthäuser wie Oper, Kunsthaus oder das Universalmuseum ausreichend Förderungen, auch mittelgroße Vereine und Veranstalter haben mehrjährige Förderverträge. Insgesamt würde er sich aber mehr Engagement wünschen: „Österreich stellt sich oft als Kulturnation dar, die Politik – sowohl in Stadt, Land und Bund – setzt sich aber nicht so ein, wie es oft verkauft wird.“
Fehlende Kommunikation führt zu Problemen
Zuletzt wurde die Unzufriedenheit der Szene auch bei einem Jour-fixe Treffen wieder sichtbar. Das regelmäßige Zusammentreffen von Vereinsmitgliedern und Schauspieler:innen lud letzten Montag den Kulturstadtrat Günter Riegler sowie unsere Redakteur:innen zur Diskussion in Das andere Theater ein.
Nicht nur die zu geringe finanzielle Unterstützung wurde dabei kritisiert, sondern vor allem auch die Informationspolitik. “Wir sind komplett verwirrt, denn wir bekommen immer konträre Informationen. Die Koalition verspricht etwas, die Opposition wieder etwas anderes. Was in Beschlüssen wirklich herauskommt, wissen wir immer erst sehr spät. Die Kommunikation muss einfach klarer werden“, so Monika Klengel, Schauspielerin und Geschäftsführerin des Theater im Bahnhof.
Immer wieder kam im Treffen die Frage auf, was die freie Szene noch wert sei. „Während andere Projekte oft schon nach kurzer Zeit unterstützt werden, müssen wir Monate darum kämpfen“, fasste Andrea Egger-Dörres, die Geschäftsführerin von Das andere Theater und Gesprächsleiterin der Diskussionsrunde, die Bedenken zusammen.
Die Wünsche nach mehr Budget sind im heurigen Jahr nicht erfüllt worden. Aber in dem Jour-fixe Treffen wurde klar, dass die Kunstschaffenden bereit sind, weiter für ihre Leidenschaft zu kämpfen, um ihre Ziele zu erreichen.
Titelbild: Die Aufführung Mehr.Wert zeigt prekäre Arbeitsverhältnisse in der Kulturszene – Foto: Wolfgang Rappel