Der Theatermacher Alexander Mitterer und der Filmschaffende Fritz Sammer nehmen die Forderungen der Politik, Energie zu sparen, ganz wörtlich. In ihrem neuen Stück „Wetterbericht – Tanz die Thunberg“ müssen Darsteller:innen und Gäste gemeinsam frieren und Strom erzeugen.
Dutzende grüne Pflanzen erstrecken sich über die kleine Bühne. Dahinter verstecken sich fünf weiße, in die Jahre gekommene Hometrainer, die über Riemen mit einer alten Lichtmaschine verbunden sind. Noch ist das Team mit den Aufbauarbeiten beschäftigt und es ist herrlich warm im leeren Theatersaal. „Den Hausstrom vom Theater werden wir dann abschalten und dann muss eben für den Strom geradelt werden“, freut sich Fritz Sammer auf die Uraufführung seines neuen Stücks.
Klimawandel, Nachhaltigkeit und der Krieg in der Ukraine sind Themen, die die Gesellschaft in den letzten Monaten stark beschäftigt haben, so auch den Theatermacher Alexander Mitterer und den Filmschaffenden Fritz Sammer. Dementsprechend widmet sich ihr neuestes Theaterstück „Wetterbericht – Tanz die Thunberg“ genau diesen Themen. Die Grundidee dahinter entstand aus Gesprächen zwischen den beiden, die sie aufgenommen und in Szenen umgeformt haben. „Wir sind gemeinsam gesessen und haben reflektiert, wie wir Zustände in unserer Gegenwartsbildung überhaupt noch empfinden können. Wir werden ja permanent mit unglaublichen Geschichten konfrontiert“, erklärt Sammer den Prozess. Ihr neues Stück ist für sie eine Art Wetterbericht zu den Gefühlszuständen der Gesellschaft.
Für den Frieden frieren
„Wetterbericht – Tanz die Thunberg“ wird heute Abend im Kulturverein ARTist in der Schützgasse uraufgeführt. Das Stück wird vom Grazer Theater Kaendace produziert, einem wichtigen Partner des Kulturvereins. Alexander Mitterer und die freischaffende Regisseurin Klaudia Reichenbacher haben das Theater im Jahr 2004 als freie Gruppe gegründet. Seitdem greifen die beiden zeitgenössische und kritische Themen auf und fokussieren sich dabei auf die Produktion von Uraufführungen. In ihrem neuen Stück beleuchten und diskutieren Mitterer und Sammer verschiedene Sichtweisen zum Klimawandel. Am Ende soll jedoch kein Urteil gefällt werden. „Aber am Ende hat die Politik Schuld“, scherzt Mitterer.
Der Theatersaal wird bei diesen Vorstellungen unbeheizt bleiben. Die beiden Kulturschaffenden begründen dies mit der Forderung der Politik, Energie zu sparen und gemeinsam für den Frieden zu frieren. „Wir haben praktisch die Politik ganz ernst genommen und sagen: Okay, dann drehen wir hier die Heizung ab. Es wird arschkalt sein und der Strom für die Vorstellung wird selber erzeugt“, erklärt Alexander Mitterer. Funktionieren soll das Ganze mit Hilfe der Hometrainer. Mit Muskelkraft erzeugen die Schauspieler:innen und freiwillige Besucher:innen Energie, die über Riemen auf eine Lichtmaschine übertragen wird. Geradelt werden muss dafür jedoch die ganze Zeit. Bei der verwendeten Batterie handelt es sich nämlich, wie bei den anderen Materialien auch, um Gebrauchtwaren. „Da ist nicht ein einziges Teil dabei, wo man sagen kann, das ist ein Neukauf. Nicht mal das Holz“, verrät Fritz Sammer stolz. Laut Mitterer soll alles unter dem Motto Nachhaltigkeit stattfinden und somit auch den Vorstellungen der Politik eines „klimafitten Kulturbetriebes“ entsprechen. „Wir treten den Versuch jetzt praktisch an“, sagt Sammer augenzwinkernd.
Förderprogramm „Klimafitte Kulturbetriebe“
Für die Vorstellung hat Alexander Mitterer selbst einen Text für die Website verfasst. Darin erwähnt er, dass das ARTist das erste nachhaltige und klimafitte Theater in Österreich sei. Das sei auch der künstlerische Schmäh, mit dem sie die Produktion bewerben. „Gleichzeitig ist es aber auch kein Schmäh“, argumentiert Mitterer seine Marketingstrategie. Bis 2026 fördert das Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlicher Dienst und Sport (BMKÖS), in Kooperation mit dem Klima- und Energiefond, Kulturbetriebe, um diese bei nachhaltigem Handeln zu unterstützen. Dabei wurde ein Förderbudget von insgesamt 15 Millionen Euro in die Hand genommen.
Mitterer und Sammer sehen die Förderung aber kritisch. Ihrer Meinung nach ist es schwer, als Kulturbetrieb nachhaltig zu handeln. Als Beispiel zieht Alexander Mitterer dafür die Bühnenscheinwerfer heran. Diese produzieren neben schönem Licht auch sehr viel Wärme. Eine Wärme, die im Theater eine angenehme Atmosphäre kreiert. Wenn man nun aber kühle LED-Lampen verwendet, die um rund 80 Prozent weniger Energie verbrauchen als eine herkömmliche Glühbirne, ist das Licht laut Mitterer unsinnlich. Auch Fritz Sammer sieht das so und meint, dass das Theater nicht dafür da ist, der klimafitteste Vorreiter zu sein. Die Kulturszene kann es sich seiner Ansicht nach nicht leisten an dem zu sparen, was sie ausmacht. Einen Versuch, wie im “Wetterbericht”, ist es aber wohl dennoch wert.
Titelbild: Alexander Mitterer (links) und Fritz Sammer (rechts) – Foto: Theresa Kahr