Mehr als 2300 Menschen wohnen bereits im neuen Stadtteil Reininghaus. Trotzdem gibt es noch keinen Supermarkt. Warum das so ist, was als nächstes kommt und was alles im Grazer Westen in Planung ist.
Wer mit der 4er-Tram über die Unesco-Esplanade fährt, kann das Entstehen eines ganzen Stadtteils live verfolgen. Auf der einen Seite ein Meer an Kränen, die Etage um Etage in den Quartieren aufschichten, die noch nicht fertiggestellt sind, auf der anderen Seite die vielen Wohnbauten, in die mittlerweile 2300 Bewohner:innen eingezogen sind. 10.000 sollen es am Ende sein.
Attraktives Leben in Reininghaus
Das Stadtteilbüro, das im Auftrag der Stadtbaudirektion den Neubeginn moderieren und begleiten soll, ist modern eingerichtet, durch zwei Fensterfronten flutet Tageslicht. Am Schreibtisch gearbeitet wird im hinteren Bereich, im Eingangsbereich warten eine Bücherecke, ein Esstisch und eine Küche auf Besucher:innen. Das Büro im “Quartier 4” in der Reininghausstraße, im Norden des Areals, ist der Arbeitsplatz von Daniel Huber und Julia Wohlfahrt, den beiden Stadtteilmanager:innen. Ihre Aufgabe ist es, interessierte Leute oder auch Viertel-Bewohner:innen zu informieren, allenfalls zu vernetzen und das Viertelleben aufmerksam zu begleiten. Außerdem veranstalten sie Viertel-Spaziergänge und Treffen, bei denen man sich an der Weiterentwicklung des Stadtteils beteiligen kann.
Was das Leben in Reininghaus jetzt schon, trotz Baustelle attraktiv macht? Zum Einen sei eben alles neu, sagt Daniel Huber. Und dass man hier hauptsächlich zu Fuß, mit Rad oder den Öffis unterwegs ist, sei ebenfalls einzigartig in Graz. Außerdem gebe es viel Grün ohne Zäune, die das Gefühl von Gemeinschaft stärken sollen. Der im Vorjahr eröffnete Reininghauspark ist dafür ein gutes Beispiel.
All diese Punkte kann Karin Gruber (KPÖ), Bezirksvorsitzende von Eggenberg und Bewohnerin des neuen Stadtteils, nur bestätigen. Sie wohnt seit 2021 dort und ist sehr zufrieden. Trotzdem fehle ihr Infrastruktur wie ein Supermarkt und Restaurants. Es gibt zwar schon einen Auer an der Esplanade, der seit 5. September 2022 die Bewohner:innen mit frischem Gebäck und Jausen versorgt, aber das reiche nicht für den ganzen Stadtteil.
Obwohl der Bau der 18 verschiedenen Quartiere voranschreitet, kann der ursprüngliche Fertigstellungstermin 2025 nicht eingehalten werden, erklärt Huber, der selbst Architekt ist und gemeinsam mit Wohlfahrt das transdisziplinäre Designbüro If Space betreibt. Diese 18 Quartiere haben unterschiedliche Bauträger, eine einheitliche Fertigstellung sei daher unmöglich. Einige Bereiche sind auch noch in Planung. Voraussichtlich werde es wohl 2028 werden, bis die letzte Baustelle abgeschlossen ist. Trotzdem tut sich einiges, und es gibt weitere Meilensteine wie die AHS Reininghaus, die mit 2024 bezugsbereit ist und die Volksschule, die ihren Schulstart im Herbst 2024 haben soll. Weiters gibt es fünf Kindergärten.
Geschäfte Mangel in Reininghaus
Wo denn die Geschäfte bleiben, ist eine Frage, die Daniel Huber oft zu hören bekommt. Da Reininghaus gut an den Rest der Stadt angebunden ist, sei es derzeit noch kein allzu dringliches Problem für die Bewohner:innen, dass es keinen Nahversorger im Viertel gibt. “Die Menschen wussten ja, dass sie auf eine Baustelle ziehen”, so Huber. Aber es sei verständlich, dass das Bedürfnis nach einem Lebensmittelgeschäft größer werde, je mehr Bewohner:innen einziehen.
Aus diesem Grund hat das Stadtteilmanagement auch einen Bauernmarkt initiiert, der aber nur einmal pro Woche stattfindet. “Man kann derzeit nicht schnell mal Milch holen. Für viele ist das nicht optimal, da sie Kinder haben oder einfach schon im fortgeschrittenen Alter sind”, so Bezirksvorsitzende Gruber. Da die Auer-Filiale letzten Herbst eröffnet wurde, ist das “Milchholen” kein so großes Problem mehr. Der schnellen Einkauf von anderen Lebensmitteln hingegen schon. Für Gruber ist es kein Problem, das Viertel zu verlassen, um einkaufen zu gehen, aber sie verstehe den Unmut anderer Bewohner:innen.
Ein Lichtblick für die nahe Zukunft
Das Warten auf einen Supermarkt hat ohnehin bald ein Ende. Schon in Bau ist ein Spar-Markt, der im Herbst 2023 im Erdgeschoss des Green Towers eröffnet wird. Dieser “grüne Turm” befindet sich bei der Straßenbahnhaltestelle Reininghaus/tim, gegenüberliegend der Auer-Filiale. Warum das so lange dauert? Dafür gibt es verschiedene Gründe. Aber Supermärkte ziehen erst dann in ein Viertel, wenn sie mit einer Frequenz rechnen können, bei der sich der Betrieb rentiert.
Ein weiteres Kriterium für manche Unternehmen sei, dass der Standort genug Parkplätze zur Verfügung hat, sagt Daniel Huber. Da Reininghaus überwiegend autofrei ist, entschlossen sich manche Firmen gegen das Viertel. “Man kann Reininghaus nicht als autofreie Zone anpreisen und dann Parkplätze für Unternehmen bauen. Das vernichtet den Sinn dieses Prinzipes”, sagt Huber. Für ihn sei es irritierend, dass das für einige ein derart wichtiges Kriterium ist. In der Innenstadt könne ein Unternehmen auch nicht einfach 30 Parkplätze für sich beanspruchen. Die Parkplätze, die es in Reininghaus gibt, sind für die Bewohner:innen gedacht und liegen unterirdisch. “Das Prinzip von Reininghaus ist das Versprechen einer Stadt der kurzen Wege”, erklärt Huber. “Man soll alles zu Fuß erreichen können. Da würden mehr Parkplätze nur stören“
Wie geht es weiter?
In Reininghaus soll dereinst aber nicht nur gewohnt werden. Es gibt auch Flächen, die überwiegend der kommerziellen Nutzung gewidmet sind. Das wurde durch städtebauliche Verträge mit der Stadt Graz vereinbart. Mit dem Ziel, gemischte Quartiere zu schaffen, in denen nicht nur gewohnt, sondern eben auch gearbeitet wird. Dieses “Quartier 2” oder “Urbanes Zentrum” genannte Viertel, das zwischen der Alten Poststraße und der Straßenbahn-Esplanade liegt, wird einen weiteren Supermarkt, einen Drogeriemarkt, ein Hotel und vieles mehr anbieten, sagt Huber. Es sei aber noch nicht ganz klar, wann dieses Quartier zur Übergabe bereit sein wird.
Reininghaus fängt an zu leben
“Obwohl das Viertel noch im Bau ist, merkt man schon, dass Leben einkehrt”, merkt Huber an. Die Menschen seien zusehends im öffentlichen Raum sichtbar. Darauf habe das Stadtteilmanagement auch einen gewissen Einfluss. Durch den Bauernmarkt etwa, der inzwischen eine angemessene Frequenz habe. Oder durch Viertel-Spaziergänge oder den “Koch-Mittwoch”, an dem Menschen, die Reininghaus mitgestalten, kochen und Fragen beantworten.
Für Daniel Huber ist es wichtig, den Bewohner:innen die Möglichkeit zu geben, soziale Orte für sich aufzuspannen. Das Stadtteilmanagement versucht, die Menschen dabei zu unterstützen, ihre eigenen Projekte, wie zum Beispiel einen Nachbarschaftsverein oder einen Chor, zur Stärkung der Gemeinschaft zu verwirklichen. „Genau so kann man einem Stadtteil Leben geben – indem man die Leute zusammenbringt“
Titelbild: Julia Wohlfahrt und Daniel Huber – Foto: Stadtteilmanagement (c) Anna Zora