Jahr für Jahr stellt das Joanneum Racing Team ihr Formel-Rennauto für die kommende Saison vor. Wie auch in der letzten Saison handelt es sich heuer wieder um einen Elektro-Boliden. Mehr Details oder gar einen Blick auf das Fahrzeug hatten bis zum offiziellen Rollout erst die Student:innen der FH Joanneum.
Eine mehrköpfige Security-Crew beobachtet heute den Eingang der FH Joanneum. Neben der Schiebetür befindet sich eine Fotobox, am Ende des Flurs eine Popcorn-Maschine. Im Eingangsbereich stehen Rennautos, welche von zahlreichen Gästen aus unterschiedlichsten Altersgruppen bestaunt werden. Besonders auffällig sind 85 schwarz gekleidete Student:innen, die sich unter den Schaulustigen bewegen. Obwohl ein fröhliches Treiben beim Sektempfang herrscht, macht sicheine gewisse Grundnervosität in der Eggenberger Allee 11 bemerkbar. Denn das 85-köpfige FH Joanneum Racing Graz Team hat zum Rollout des JR23 eingeladen.
Es gab keine Vorbilder
Formel-Rennwagen zu bauen ist an der FH Joanneum mittlerweile Tradition. Vor 20 Jahren startete Michael Trzesniowski das Projekt „Joanneum Racing“ mit einer Handvoll Studenten. „Es war gar nicht sicher, ob das überhaupt funktioniert bei einer Fachhochschule. Es gab ja keine Vorbilder“, erklärt der „Papa-Weasel“. Zusätzlich ergänzt er: „Das Projekt war wie ein ganz kleines Pflänzchen, das man behutsam gießen muss, damit es nicht weggeschwemmt wird.“
Die „Weasels“, wie sich das Team der Fachhochschule nennt, fährt noch immer in der Formula Student und die Werte des Teams haben sich, laut Michael Trzesniowski, nicht verändert. Schon damals sei es das Ziel der Studierenden gewesen, ein Formel-Rennauto zu designen, zu entwickeln und zu fertigen, welches unkommerziell, innovativ und kreativ sein sollte. „Wenn ich in der Zeit zurückreisen könnte, würde ich die ganzen 20 Jahre zurückreisen, weil ich weiß, was aus dem Projekt geworden ist und ich ganz entspannt in die Zukunft blicken könnte“, schwärmt der Papa-Weasel, welcher das Team mittlerweile verlassen hat.
Ziel des Teams war es, laut eigener Aussage, immer scheinbar bewährte Lösungen zu hinterfragen und neuartige Ideen umzusetzen. Schon in der ersten Saison des Racing Teams wollte man unkommerziell denken und baute einen Allrad-Antrieb, anstatt des typischen Hinterradantriebs, in das Rennauto ein. So kam es dazu, dass die Saison 2021 die letzte war, in der man mit einem Verbrennermotor an den Start der Formula Student ging. Trotz zweier Gesamtsiege und einer Zweitplatzierung auf der Weltrangliste, sowie des Abschlusses der Saison auf dem neunten Platz, wollten die Teammitglieder eine Veränderung.
Präsentiert wurde ein elektrischer Rennbolide in der Saison 2022. Mit dem JR22 konnte man, als erstes österreichisches Team, einen Gesamtsieg in der Elektro-Klasse bei einem Wettbewerb in der Formula Student für sich entscheiden. „Die Vorfreude auf das Rollout ist riesig. Das ist der Moment, auf den wir alle gewartet haben. Die Wettbewerbe werden die nächsten Höhepunkte sein“, schmunzelt ein Weasle.
“Wir schaffen es einfach, schnelle Autos zu bauen”
Schon vor der offiziellen Präsentation sind sich die Student:innen sicher, dass man mit dem ebenfalls elektrischen JR23 einige Erfolge feiern wird. Ein Mitglied des „Electrics & Inverter“ Teams der Weasels meint mit vollem Selbstvertrauen: „Wir schaffen es einfach, schnelle Autos zu bauen. Wenn wir mit einem Motor fahren, sind wir schneller als die Wiener mit vier Motoren.“ Der wissenschaftliche Geschäftsführer der FH Joanneum, Karl-Peter Pfeiffer, richtete sich kurz vor der Enthüllung des JR23 an die Student:innen: „Wir drücken euch auch dieses Jahr nicht nur die Daumen, sondern auch mehrere tausend Euro in die Hand. Die Formula Student ist ein weltweiter Wettbewerb von höchster Qualität und ihr könnt euch Jahr für Jahr durch eure hohe fachliche Kompetenz auszeichnen.“
Innovationen und Schwierigkeiten
Um 19 Uhr im Audimax der FH Joanneum war es schließlich so weit. Die Student:innen der FH Joanneum konnten nach zahllosen Tagen und Nächten in ihrer Werkstatt ihr Rennauto für die kommende Saison in der Formula Student präsentieren. Familie, Freund:innen, Sponsoren und Mitwirkenden wurde der Elektro-Bolide JR23 vorgestellt. Die Weasels schafften es, ihr Auto gerade einmal drei Stunden vor Beginn des Rollouts fertigzustellen.
Nach der Enthüllung des Fahrzeugs fand der „Mechanical Director“ Fabian Krähan stolze Worte: „Das ist jetzt die Standardaussage eines jeden technischen Leiters von jeder Saison, aber ich bin überzeugt davon, dass der JR23 das beste Auto ist, dass J Racing jemals gebaut hat.“ Im Vergleich zum JR22 wollte man an der Aerodynamik arbeiten sowie Gewicht sparen. Allerdings waren diese Ziele nicht immer leicht umzusetzen.
„Der größte Feind von jedem Formula Student Team ist immer die Zeit“, stellt der technische Leiter des Teams fest. „Electrical Director“ Marco Pachner erwartet viel von der kommenden Saison: „Wir haben uns batterietechnisch auf eigene Beine gestellt und erwarten große Performanceunterschiede zur letzten Saison.“
Kommende Saison startet wie im Vorjahr beim Pre-Event in Ungarn. Dort wolle man laut Jessica Weidacher, „Organizational Director“ des Teams, Erfahrungen sammeln. Eine Woche nach Saisonstart in den Niederlanden treten die Weasels bei ihrem Heimwettbewerb in Spielberg an. Beendet wird die Saison in Kroatien, wo man an die Erfolge aus vergangener Saison anknüpfen will.
Bis dahin folgen die Weasles treu ihrem Motto: “Never stop pushing“.
Titelbild: Das Team auf der Bühne – Foto: Joanneum Racing Graz