Der umstrittene Überarbeitungsentwurf des Stadtentwicklungskonzepts der Stadt Graz fokussiert auf Grünraum und schafft dafür den Begriff “Smart City” ab. Gleichzeitig verliert das Viertel mit dem Umzug des Stadtteilmanagements Vor.Ort eine öffentliche Grünfläche. Wie grün ist das Viertel danach wirklich?
Es ist schon fast ein seltsamer Anblick in der gepflasterten Waagner-Biro-Straße. Der Science Tower ragt über dem Viertel. Gegenüber, getrennt durch Stein und Asphalt, das schwarze Volksschulgebäude. Und inmitten all dem: ein kleiner Holzcontainer, umgeben von ein paar Bäumen und einem Garten.
Bereits seit 2018 betreibt das Stadtteilmanagement Vor.Ort den Gemeinschaftsgarten auf dem Grundstück gegenüber dem Science Tower. Diese Saison wird die letzte auf dem bekannten Platz sein. Ein Umzug steht bevor. „Wir sind letztes Jahr davon ausgegangen, dass wir bis Herbst 2022 da sind. Uns war erst im Herbst klar, dass wir noch eine weitere Saison bleiben”, erzählt Franziska Schruth, erste Ansprechperson des Stadtteilmanagement Vor.Ort. Beim diesjährigen Gemeinschaftsgarten gehe es deshalb darum, eine Gruppe von Gärtner:innen zu schaffen, die auch in Zukunft gemeinsam weitermachen wollen. „Eine Gruppe, die sich schon ein bisschen kennt, aber den Geist eines offenen Gemeinschaftsgartens beibehält und sich gemeinsam vornimmt, auf einer neuen Fläche zu gärtnern”, wünscht sich Franziska. Der neue Ort steht schon fest: Im Anna-Cadia-Park (ehemaliger Naschgarten Eggenlend) soll Platz für Beete geschaffen werden.
Im Oktober 2023 soll die Fläche des Stadtteilmanagements geräumt werden. Eine Mittelschule, geplant von der gleichen Architektin, die auch die Volksschule nebenan entwarf, wird an der Stelle der Räume des Stadtteilmanagement gebaut. Davor möchte Franziska noch ein großes Erntedankfest feiern.
Ein Grünraum weniger
Der Umzug des restlichen Stadtteilmanagement ist am 1. Juni geplant. Es geht in ein Betongebäude in der Waagner-Biro-Straße 120. Im Oktober verliert die Smart City damit einen der wenigen Grünräume. „Wir werden als der erste öffentliche, grüne Platz wahrgenommen”, erzählt Franziska.
Große Hoffnungen setzt sie in den geplanten Nikolaus-Harnoncourt-Park. Dieser soll eine der größten Grünflächen der Smart City ausmachen. Der Baustart ist im Herbst 2023. Doch das ist nicht die einzige Parkanlage, die noch kommen soll. Der Plan sieht ein ganzes Netz an Parks vor, das an unterschiedlichen Orten unterschiedliche Zielgruppen bedienen soll. Neben dem Nikolaus-Harnoncourt-Park, der für Menschen aller Altersgruppen als Erholungsgebiet dienen soll, gibt es die „Konsumwiese”, ein Spielplatz neben dem BORG Dreierschützengasse. Auch im zukünftigen Jugendzentrum Eggenlend ist ein öffentlicher Park geplant. Eine weitere Grünanlage befindet sich hinter den neuen Gebäuden der Waagner-Biro-Straße 118 bis 124.
Auch wenn die vielen Wohngebäude schon einige Jahre beziehbar sind, fehlt es dem Viertel an Leben. Menschen bewegen sich zwischen Straßenbahnstationen, Spar und der Helmut List Halle, doch wenige halten sich dauerhaft im öffentlichen Raum auf. „Ich glaube, das braucht noch Zeit”, sagt Franziska. Es gebe noch zu wenig Infrastruktur. „Man kennt das ja aus dem eigenen Erleben: Wenn man an einem Kulturhotspot ist, dann geht man davor oder danach noch etwas trinken oder essen. Ich glaube, diese Infrastruktur braucht es noch, damit die Leute länger verweilen”, sagt sie. Doch das scheint nicht das einzige zu sein, das den Menschen um die Helmut-List-Halle fehlt. „Was ich oft mitkriege ist, dass Menschen hier vor oder nach der Vorstellung noch in diesem Grünraum sitzen”, erzählt sie. Diese Lücke soll der Nikolaus-Harnoncourt-Park schließen.
Auch die Gastronomie wächst: Neben „Streets” in der Waagner-Biro-Straße 109, gibt es inzwischen einen Sorger in der Waagner-Biro-Straße 126 sowie das neu eröffnete Lokal „Liming Spot” in der Waagner-Biro-Straße 124.
Gegen Klimawandel statt Smart City
Am 21.04.2023 stellte die Stadtregierung eine umstrittene Überarbeitung des Stadtentwicklungskonzept vor. Ein starker Fokus liegt auf Grünraum, Klima und Wohnen. „Graz stellt sich aktiv den Herausforderungen der Klimakrise und des Klimawandels” ist der neue Grundsatz, der den Begriff „Smart City” ablösen soll. Auf Anfrage der Annenpost begründet das Büro der Vizebürgermeisterin diese Entscheidung mit dem Gedanken, eine möglichst breite und offene Zielsetzung zu formulieren: „Die Entwicklung zur ‘Smart City’ – also die Verbesserung der Stadt durch technische Mittel allein – kann nicht mehr die umfassende Zielsetzung im Sinne einer klimagerechten Stadt sein.”
Das überarbeitete Konzept scheiterte an der nötigen Zweidrittelmehrheit. Im Büro der Vizebürgermeisterin ist man jedoch „zuversichtlich”, dass die STEK-Änderungen noch vor Sommer beschlossen werden.
Die Volksschule neben dem Stadtteilmanagement ist schon jetzt mit vielen Änderungen konform. Photovoltaikanlagen auf einer begrünten Dachterrasse versorgen die Schule mit Strom versorgen und ein Erdwärmesondenfeld deckt Teile des Heizwärmebedarfs. Nur die schwarze Fassade der Schule ist mit den Zukunftsplänen nicht vereinbar. Die zukünftigen Fassaden sollen, um städtische Hitzeinseln zu vermeiden, weder zu hell, noch zu dunkel sein.
Titelbild: Franziska Schruth bewirtschaftet mehrere Pflanzenwände im Stadtteilmanagement Vor.Ort – Foto: Fabian Rostek