Von der Ausschussware zum „IT-Piece“. Wie Natasa und Nico Van Hal Keramik aus Portugal retten und ihr am Lendplatz neues Leben einhauchen.
Von: Lena Matuschik, Sofie Königshofer & Leart Krasniqi
In dem kleinen Fenster, das als Auslage genutzt wird, stapeln sich Tassen und Schüsseln in allen Formen und Farben. Wir befinden uns in der Mariahilferstraße vor dem “fabeltisch”, einem kleinen Keramikladen der etwas anderen Art.
Ganz andere Dimensionen haben die Produktionsstätten, aus denen die Becher und Schalen stammen, die im „fabeltisch“ zu kaufen sind. „Riesig große Hallen voll mit produzierter Keramik, die eigentlich nutzlos herumsteht“, so beschreibt Nico Van Hal die Produktionsstätten in Portugal, die er mit seiner Frau Natasa regelmäßig besucht. Denn das Land ist nicht nur für Fußball und süße Pasteis de Nata bekannt, sondern auch für die hohe Qualität seiner Töpferware und Azulejos, also Fliesen.
Besondere Stücke mit besonderer Herkunft
Nico und Natasa entdeckten ihre Faszination für Keramik aber schon vor dem entscheidenden Aufenthalt in Portugal. Sie hatten bemerkt, dass sie trotz einer großen Auswahl daheim immer wieder die gleichen Schüsseln und Tassen nutzten. “Besondere Stücke mit besonderer Herkunft”, wie Nico sagt. Das weckte auch das Interesse der beiden Kärntner, sich intensiver mit dem Handwerk und der Produktion von Keramik zu beschäftigen. Bei ihren darauffolgenden Besichtigungen der Fabriken in Portugal schlich sich die Idee ein, einen eigenen Keramik-Store mit einem etwas anderen Konzept zu eröffnen. Ihnen war aufgefallen, dass es neben der tadellosen A-Ware auch Stücke mit „optischen Besonderheiten“ gibt, welche in ihrem Store nun zum Kilopreis verkauft werden.
Vor der Selbstständigkeit war Natasa in einem Start-Up tätig und Nico arbeitete in der Grazer Rösterei Paul & Bohne. Seit Mai 2020 haben sie nun ihr Geschäft in der Mariahilfer Straße, ein Onlinestore folgte kurz darauf. „Das mit dem Laden hat sich einfach so ergeben. Wir waren grundsätzlich glücklich mit unseren Jobs, der Traum von der Selbstständigkeit war jedoch schon immer da.“ Mittlerweile beschäftigen sie auch drei Teilzeitkräfte, die sie im Laden und bei Events unterstützen.
Inwiefern nachhaltig?!
Die Produktion in Gasöfen und lange Transportwege aus Portugal wirken im ersten Moment alles andere als nachhaltig. Warum sieht sich der fabeltisch dennoch als ökologischer Betrieb? Der Umweltgedanke liegt hier nicht primär auf der Produktion der Teile, sondern auf der Schonung von Ressourcen. Natasa und Nico verkaufen Keramik, die sonst gar nicht erst auf den Markt kommen würde, aufgrund der Überproduktion oder wegen eines Makels. Unglasierte Keramik könnte eigentlich wieder zu Ton gemacht werden, erzählt Nico, Fertigprodukte würden in Asphalt eingearbeitet. Aber meist landeten die Teile im Müll oder verstaubten in Lagern. Mit der Inflation sei das Bewusstsein für Ressourcen bei den Hersteller:innen aber größer geworden.
Letzter Schliff
In Graz verpassen die beiden dem Geschirr teilweise neuen Glanz, hauptsächlich durch Nachbearbeitung und Schleifarbeiten. Das notwendige Know-How haben sie sich selbst angeeignet. Neben den Teilen, denen sie ein neues Leben einhauchen, verkaufen sie auch ihre eigene kleine Serie, die ebenfalls in Portugal hergestellt wird.
Fürs Annenviertel hätten sie sich ,,unbewusst bewusst‘‘ entschieden, sagt Nico. Sie hätten damals bei Paul und Bohne, wenige Hausnummern weiter, eine Pop-Up Ausstellung veranstaltet, dort lernten sie ihre zukünftige Vermieterin kennen. Das familiäre Klima mache das Lendviertel für sie besonders. Hier fühlen sie sich mit ihrer Leidenschaft wohl.
Wie es mit dem Store in Zukunft weiter gehen soll? ,,Go with the flow‘‘, meint Nico. Bei einem ihrer Pop-Up-Events in Wien sei die Nachfrage so gut gewesen, dass sie mit dem Gedanken spielen, irgendwann einen zweiten Store zu eröffnen.
Titelbild: Natasa und Nico im Laden Foto: Lukas Elsneg