Baustellen-Jugo baut Balkan-Beats

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Ein Blick in die Grazer Rap-Szene: Al Pone alias Benjamin Riegler im Gespräch über seine Rap-Karriere, TikTok-Präsenz und neue EP.

Von: Sofie Königshofer und Selina Lessiak

Al Pone, Čoban Čobanski oder schlichtweg Benjamin Riegler – der Grazer Rapper ist über die Jahre unter so einigen Namen bekannt geworden. Tatsächlich macht der 31-jährige Al Pone schon seit über zehn Jahren Musik. Sein Fokus liegt dabei auf Deutschrap kombiniert mit bosnischem Slang. 2009 zog der gebürtige Weizer dann nach Graz, um mit seiner Musik durchzustarten. Hier im Annenviertel teilt sich Al Pone eine Wohnung mit zwei weiteren Rappern: „Es ist einfach cool, dass du im Zimmer Musik machen kannst, ohne, dass es jemanden stört!“ 

In seinen Songs thematisiert der Künstler ganz offen seine Vergangenheit, welche durch Spielsucht, Drogen und Depressionen gezeichnet ist. „Momentan geht’s mir gut, aber vor allem für Winterdepressionen bin ich leicht anfällig.“ Zudem macht Al Pone kein Geheimnis daraus, dass er sich in Therapie befindet.  

Grazer Rap-Szene im Wandel 

Noch vor einigen Jahren waren “Beefs” in der Grazer Rap-Szene an der Tagesordnung. „Auch physische Gewalt war da ein Thema”, sagt Al Pone. Mittlerweile sei es in der Szene aber recht ruhig geworden. Böses Blut fließe zwischen ihm und seinen Rapper-Kollegen auch keines mehr: „Heutzutage versteh ich mich mit den meisten Leuten wieder. Wir sind schlussendlich erwachsen geworden.“  

Was Veränderungen in der Musikbranche betrifft, weiß Al Pone: „Sie ist extrem kurzlebig geworden. Alle suchen den schnellen Erfolg. Dabei handelt es sich bei der Branche eher um einen Marathon als einen Sprint.“ Heutzutage seien aber gerade One-Hit-Wonder im Kommen. „Plattenlabels suchen sich Artists anhand ihrer Followerzahlen aus, was meiner Meinung nach kompletter Schwachsinn ist“, meint Al Pone. „Denn nur, wenn jemand einmal einen coolen Track raushaut, der zufälligerweise viral geht, hat das noch lange keine Aussagekraft über das Können des Künstlers.“  

Al Pone blickt nostalgisch auf Vergangenheit zurück.
Al Pone blickt nostalgisch auf die Vergangenheit zurück. – Foto: Sanctus Munyaneza

Jugo-TikTok-Phänomen  

Doch auch Al Pone ist mittlerweile auf Social Media bekannt, insbesondere auf der Kurzvideo-Plattform TikTok – allerdings nicht wegen seiner Musik. Seine Clips, in denen er den Jugo „Čoban Čobanski“ (der Name bedeutet so viel wie „bäuerlicher Bauer“) spielt, werden millionenfach aufgerufen und haben hunderttausende Likes. Auf humorvolle Art und Weise verkörpert er so einen „typischen Jugo“ und demnach Vorurteile, die mit Menschen aus dem Balkan verbunden werden. Vom gebrochenen Deutsch hin bis zum „Baustellen“-Stereotyp ist alles dabei.

In seinen polarisierenden TikToks verstärkt Al Pone die angesprochenen Vorurteile, um seine Zuschauer zum Nachdenken anzuregen und seine Hater gewissermaßen mit den eigenen Mitteln zu schlagen. Hass und rassistische Stereotype für den eigenen TikTok-Erfolg nutzen: Dass diese Methode funktioniert, gefällt nicht jedem. Wie in der Kommentarfunktion auch durchaus sichtbar wird. „Wenn du mal richtig Bock auf Menschen-Hass hast, dann lies‘ dir die Kommentare unter meinen Videos durch!“, so der Rapper. Was manche Leute so von sich geben, sei, wie er betont „wirklich krass“. 

„Das TikTok-Ding ist für mich Payback!“ 

Al Pone erzählt weiter: „Ich bin gewisserweise mit Rassismus aufgewachsen. Das TikTok-Ding ist für mich Payback. Denn ich bin das Produkt dessen, wie ihr mich die ganzen Jahre über behandelt habt!“ Trotz seines Erfolges auf TikTok, den Al Pone so nie erwartet hätte, bleibt aber die Musik im Mittelpunkt. Beides lässt sich allerdings gut verbinden, denn: „Mit meinen TikToks erreiche ich genau jene Menschen, die ich auch mit meiner Musik ansprechen will – insbesondere Jugos.“ 

Geplante Projekte 

Mit Blick in die Zukunft erzählt Al Pone von seinen geplanten Musikprojekten, welche voraussichtlich nächsten Sommer erscheinen. „Diese Projekte werden definitiv emotionaler, ein Aspekt, den ich für längere Zeit außenvor gelassen haben.“ Zudem hofft Al Pone, dass sich seine Musik zukünftig so rentiert, damit die Produktionskosten abgedeckt werden. Ziel wäre es, später mal allein von der Musik leben zu können. „Realistisch ist das momentan nicht“, gibt der Rapper zu. „Aber träumen darf man ja!”

In Al Pones neuer EP „Jebiga“, welche am 3. November erschienen ist, stehen Themen wie Alltagsrassismus, soziale Missstände sowie postjugoslawische Stimmungen der Diaspora im Vordergrund. Die EP enthält sieben Tracks in der Double-Time Rap-Technik – darunter versteht man das Rappen von 24 Silben pro Takt, anstatt der herkömmlichen 16. 

Neue EP "Jebiga" seit 3. November erhältlich.
Al Pones neue EP „Jebiga“ ist seit 3. November erhältlich.

 

 

Titelbild: Al Pone jongliert mit seinen Personas. – Foto: Sanctus Munyaneza

 

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