Die Corona-Pandemie hat Spuren hinterlassen. Laut der WHO leiden Jugendliche heute vermehrt unter Depressionen und Sozialphobien. Die Kreativwerkstatt in der Arche Noah-Gasse bietet ihnen einen Ort, an dem sie wieder Halt und Heilung finden können.
Wer die Werkstatt in der Arche Noah in einer Seitengasse der Griesgasse betritt, sieht und spürt sofort die Kreativität. An den hellen Wänden hängen Postkarten und Skizzen. Benutzte Pinsel, bunte Stoffreste und Schraubenzieher füllen die Regale und Gitarren und Trommeln machen Lust, selbst zu spielen. Ein holziger Duft erfüllt den Raum. „Neuland“ wollte Elisabeth Thurner-Chesini damals schaffen, als sie die Werkstatt vor mehr als 14 Jahren aufbaute. Junge Menschen sollen hier einen Ort vorfinden, an dem sie „einfach sein können“, vielleicht sogar Heilung finden. Die Werkstatt ist eine Einrichtung der Gesellschaft zur Förderung seelischer Gesundheit (GFSG), die außerdem noch eine Reihe von Einrichtungen in der Steiermark betreibt, die psychosoziale Unterstützung oder Berufsberatung für Jugendliche anbietet.
Leben als Lockdown
Durch die Corona-Pandemie seien solche wichtiger denn je. Die soziale Entwicklung von Jugendlichen sei durch Lockdowns wie “eingefroren” gewesen, erzählt die jetzige Leiterin der Werkstatt, die Psychologin, Musik- und Kunsttherapeutin Julia Laggner. “Wenn dein Lifestyle von anderen Leuten Quarantäne genannt wird”, hat ihr ein Besucher der Werkstatt sein Lebensgefühl beschrieben, als er von seiner Zeit in der Pandemie erzählte. Eine WHO-Studie hatte im März bestätigt, dass sich die psychische Gesundheit von Jugendlichen in Österreich durch die Pandemie verschlechtert habe, Mädchen sind überdurchschnittlich betroffen.
Bei einem Großteil der Jugendlichen, welche die Kreativwerkstatt besuchen, machen besonders das Wohnen, die Ausbildung und das soziale Umfeld Probleme. Viele der Betroffenen haben zusätzlich mit Depressionen, Angsterkrankungen und Schlafstörungen zu kämpfen oder ziehen sich komplett aus ihrem Alltag zurück. Die Perspektive auf das Leben sei instabil, mehr und mehr Säulen brechen weg, erzählt Julia Laggner. Die lange Quarantäne habe die Sorgen der jungen Menschen deutlich intensiviert – sichtbar wird das durch den steigenden Bedarf in der Kreativwerkstatt, den die Leiterin erlebt hat.
Hände sprechen lassen
In der Werkstatt geht es um das Erschaffen eines Raums, in dem Jugendliche aufatmen können. Eine feste Routine gibt es nicht, es wird ganz einfach los gestartet. Außer beim Mittagessen – „da kommen wir alle zusammen und essen gemeinsam“, erzählt Julia Laggner. „Es wird gemeinsam mit den Jugendlichen gelernt, auch Fehler dürfen gemacht werden“, sagt sie und erzählt von ihrem multiprofessionell besetzten Team, darunter Fotografen, Musiker, Tischler.
Julia Laggner arbeitet in allen Bereichen, insbesondere bei der Musik und der Kunst. Alle im Team arbeiten gerne mit den Händen und motivieren auch die Jugendlichen, sich über die Gestaltung auszudrücken. So wird in der Werkstatt täglich geschneidert, gehämmert und gesägt, manchmal werden auch einfach nur Brettspiele gespielt. Der Fokus liegt auf dem Üben im Kleinen. Auch Kartoffelschälen für das Mittagessen oder das Decken des Tisches kann eine positive Wirkung erzielen.
„Die Kreativität liegt im Wesen des Gestaltens“, erklärt Julia Laggner und spricht von der Selbstwirksamkeit, welche die Jugendlichen erfahren, sobald ihr eigenes Tun zum Erfolg führt. Besonders die Workshops, die sich an den Interessen der Jugendlichen orientieren, ermutigen dazu, etwas Neues auszuprobieren. Das kleine Gipspferd im Garten vor der Werkstatt ist etwa im Rahmen eines Skulpturenworkshops entstanden. Und der Kurs für Möbelgestaltung hat die Einrichtung der Werkstatt um einzigartige Stücke bereichert.
Eine besondere Galerie
Ein Beispiel für die Arbeit in der Werkstatt ist die „KW-Galerie“. Eine Idee, die aus der Kooperation mit dem Universalmuseum Joanneum entstand, wie Laggner erzählt. Die Jugendlichen können da ihre eigenen Werke präsentieren. Dabei ist es nicht von Bedeutung, ob die Kunstwerke noch in Arbeit oder schon fertig sind. Sie werden ganz einfach gefeiert. Mit Musik, Brötchen, alkoholfreiem Sekt und besonders viel Wertschätzung. Durch Rollenspiele können sie sich als Künstlerinnen und Künstler vorstellen, ihre Gäste schlüpfen in die Rolle der Bürgermeisterin oder eines Galeristen. So eröffnet die Ausstellung die Möglichkeit, auf sich selbst und die eigene Arbeit stolz zu sein.
Davon, dass die Arbeit in der Werkstatt erfolgreich ist, wissen Laggner und ihr Team durch das Nachbetreuungssytem. Das ermuntert Jugendliche, immer wieder einmal vorbeizuschauen, auch wenn sie nicht mehr regelmäßig betreut werden. Einige von ihnen erzählen stolz, dass sie es geschafft hätten, ihre psychische Krise zu meistern. Andere berichten davon, nun selbstständig zu wohnen oder, dass sie sich endlich getraut hätten, unter fremde Menschen zu gehen. Und, das betont Julia Laggner: Jeder noch so kleine Erfolg findet Anerkennung.
Titelbild: Julia Laggner ist mit Leidenschaft und Empathie seit 2017 dabei – Foto: Anna Stocker