Die Annenpost ist in Besitz einer Liste, auf der Grazer Lokale verzeichnet sind, in denen man trotz Rauchverbots noch rauchen darf. Wir haben eines von ihnen im Annenviertel besucht.
Kurz nach 22 Uhr singt ein Gast an der Bar noch leicht beduselt zu „Hotel California“, ehe er ein letztes Mal für diesen Abend an seiner Flasche Bier nippt und aufsteht. Die Wirtin hilft ihm in die Jacke und wünscht ihm eine gute Nacht. „Aufpassen! Stiege! Christian!“, ruft sie ihm noch hinterher, während er aus dem Café, dessen Namen und Standort hier nicht verraten werden sollen, in die Nacht stolpert. Das Lokal steht auf einer Liste von den Grazer Lokalen, die der Annenpost zugespielt wurde – Lokale, in denen man trotz Rauchverbots noch rauchen darf.
Eine Mama für alle
Der Blick der Wirtin schweift zu uns: „Was wollt ihr trinken? Welche Musik wollt ihr hören?“, fragt sie mit einem Lächeln, sichtlich erfreut über die neue Kundschaft. „Wir leben von Stammkunden“, erzählt sie. Eine Tatsache, die in diesem Café nicht zu übersehen und zu überhören ist. Kaum einer ist hier, der nicht „Mama“ zu ihr sagt und kein Bussi auf die Wange bekommt. „Mama, hast noch was zum Essen?“, fragt ein Mann, kurz nachdem er die Bar betreten hat. Natürlich hat sie das.
Mit viel Mühe bahnt der Mann sich seinen Weg zu uns, um Dart zu spielen. Da hört er die fürsorgliche Wirtin – „Na, jetzt gehst erst einmal was essen, dann schau ma weiter“ – und dreht wieder um. Er isst das frisch gekochte Gulasch mit spürbarem Appetit. Währenddessen läuft „Paradise“ von Coldplay als Musikvideo am großen Fernseher. Der Elefant im Video passt zu der kleinen Elefantenfigur auf dem Cocktailmixer. Auch die Lichterkette im Eingangsbereich wirkt durch ihr Blinken so, als ob sie den Beat so richtig drauf hätte. Bilder und Sprüche zieren die Wände. Besonders sticht eine Tafel hervor: „Wir rufen hier nicht die Polizei.“ Auch das Jugendschutzgesetz ist an die Wand genagelt, doch eine Alterskontrolle gibt es hier nicht. Zwei Jugendliche kommen kurz ins Café und kaufen zwei Flaschen Bier. Anstatt einen Ausweis zu verlangen, ruft die Wirtin bloß nach, sie sollen das Bier nicht vergessen, nachdem die Burschen schon fast wieder ohne gehen wollten.
Absolutes Rauchverbot?
Zwei Männer verlassen das Café, um draußen zu rauchen. Im Raum fragt einer: „Darf man bei euch drinnen auch rauchen?“ Die Wirtin schaut auf die Uhr. „Weil du es bist. Dann muss ich ihm aber auch einen Aschenbecher hinstellen”, und deutet auf einen anderen Gast. Gleich darauf holt sie auch die zwei von draußen wieder ins Warme und versperrt die Tür. Der kleine Raum ist schnell mit Rauch gefüllt und kaum einer hat keine Zigarette in der Hand. Nur die Wirtin selbst erweckt den Anschein, dass weder Zigaretten noch Alkohol sie sonderlich interessieren.
Die beliebte Dartscheibe
Ein wenig später ist das Gulasch verspeist. Der Mann steht von seinem Sessel auf, dessen Positionierung an das Wartezimmer einer Arztpraxis erinnert, und torkelt wieder Richtung Dartscheibe. Die Wirtin besteht darauf, uns auf eine Runde einzuladen, doch bei einer bleibt es nicht und so spielen wir mit viel Enthusiasmus gleich ein paar. Beim Spielen erklärt der Mann jede Runde, aufs Schnäuzen, das gerade dringend angezeigt wäre, vergisst er dabei leider „Es tut mir leid, ich hab euch wirklich gerne, aber ich muss jetzt ausmachen!“
Auch zum Trinken ermuntert er uns: „Putzi, die Mama hat gsagt du sollst noch was trinken. Ich lad dich ein.“ Dann stößt ein weiterer Gast dazu. Er sei ein bis zweimal die Woche hier, erzählt er und nimmt einen Zug von seiner Zigarette, während er in der anderen Hand die Dartpfeile hält. Am Ende des Spiels kommt die Wirtin und kassiert die Getränke ab. „Dankeschön Schatzi“, bedankt sie sich und ruft den Feierabend aus.
Titelbild: „Wir rufen hier nicht die Polizei“ – Foto: Anna Stoppacher