Mit “Rösselmühle” hat der Grazer Rapper Estragon seiner “Kleinstadt” im Vorjahr eine sehr lässige Hymne geschenkt. Wir waren bei der Album-Präsentation im Café Wolf.
Als wir zum vereinbarten Interview das Hinterzimmer des Grazer Kunst-Klubs Kräfnter betreten, finden wir Estragon am Boden liegend vor. Die eine Hand hält eine Leberkässemmel, die andere eine selbstgedrehte Zigarette. Augenscheinlich Nachwehen der letzten Nacht. Estragon8020, der seinen bürgerlichen Namen für sich behalten möchte, macht seit einem Jahr Musik. Von der freien Kunst- und Kulturszene über Slam-Poetry hin zu Rap: Sein musikalischer Weg ist nicht der eines typischen Rappers. Seine neue EP, „Kaviar“, präsentierte er im Jänner im Café Wolf.
Ironie trifft Inhalt
Von italienischem Flair der Stadt bis zu politischem Protest: An Themen mangelt es dem Grazer Rapper nie. „Mit erhobenem Zeigefinger einfach die Message rauszuschreiben, ist mir oft zu negativ“, beschreibt er seinen Zugang zur Musik. Er bevorzuge einen spielerischen, augenzwinkernden Zugang. Damit will er Musikbegeisterte auch für ernstere Themen interessieren. Das fällt auch bei seinem Auftritt im Café Wolf auf: In den Lyrics kommt Seriöses ebenso zum Ausdruck wie Unterhaltsames, sein Zugang ist dabei immer wieder ironisch, sarkastisch, was auch schwierigeren Inhalten eine gewisse Leichtigkeit verleiht.
Brennpunkt Rösselmühle
So wie in Estragons Track “Rösselmühle”. „Die Rösselmühle steht, und brannte lichterloh”, heißt es im Refrain und im Video wird Gangsta-Rap lustvoll mit Graz-Klischees und Biografischem verschnitten. “Graz mit dickem G” eben. Im Song erfährt man außerdem, dass Estragons Großeltern in der Triestersiedlung lebten oder vom Moment, in dem er vom Rösselmühlenbrand erfuhr.
“In Graz wird etwas aufgebaut, Raum für Kunst auf Immoscout”, lautet eine weitere Textzeile aus dem Track. “Raum für Kunst” ist für Estragon nicht nur ein Wortspiel. Als Mitglied des Kunst- und Kulturvereins Raum 117 ist er auch Zwischennutzer der aufgelassenen Rösselmühle. Raum 117 ist eigentlich in der alten Stahlhalle in der Waagner-Biro-Straße beheimatet, nutzt die Mühle aber auch noch nach dem Brand weiter.
Nun soll am Areal auch ein zweiter Turm abgerissen werden, was zu Protesten auch aus der Kunst- und Kulturszene führt. Für viele zählen die prägnanten Türme der Rösselmühle zum Grazer Stadtbild. Estragon ist gegen einen Abriss. „Ich plädiere dafür, dass die einsturzgefährdete Immobilien-Investment-Blase zum Abriss freigegeben wird und nicht im unkontrollierbaren Einsturz die Stadt zerstört“, sagt Estragon.
Estragon8020 performt – Foto: Lukas Diemling
Estragon2024?
Im Jahr 2024 will sich Estragon8020 musikalisch weiterentwickeln. „Im Laufe des Jahres erscheinen noch einige Sachen, auf die ich mich sehr freue“, so Estragon. Er wolle seinen Stil verändern, musikalisch weniger nur auf herkömmlichen Rap reagieren als sich vielmehr weiterentwickeln.
Titelbild: Estragon8020 bei seinem Auftritt – Foto: Lukas Diemling