Mentoring für Jugendliche: Zu zweit geht’s leichter

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Seit fünf Jahren unterstützt der Verein Sindbad Jugendliche dabei, eine geeignete Ausbildung zu finden. Manche von ihnen haben Fluchterfahrung. Ein Porträt.

Der Verein Sindbad wurde 2019 in Graz gegründet und mittlerweile gibt es, neben dem Dachverein in Wien, in acht Bundesländern Zweigvereine. Die Gründer Konstantin Dreyer und Andreas Maierhofer, die beide an der TU Graz studiert haben, wollten sich ehrenamtlich engagieren und gründeten dann gleich einen eigenen Verein. Carla Apschner zählt ebenso zu den Gründern. Zurückzuführen ist der Name des Vereins auf das Märchen aus Tausendundeiner Nacht, in der ein Seefahrer jede Menge Abenteuer erlebt und Herausforderungen bestehen muss. Dabei stehen ihm Menschen zur Seite, die ihm helfen.

Sindbad ist also ein Programm, das Jugendliche beziehungsweise Schüler:innen dabei unterstützt, nach der Pflichtschule die passende Ausbildung oder weiterführende Schule zu finden. Das braucht es, weil gerade Jugendliche mit Migrationshintergrund oft nicht ausreichend Unterstützung von Zuhause bekommen. Etwa weil die Eltern die Sprache nicht beherrschen. Der Verein setzt dabei auf ein Eins-zu-Eins-Mentoring, erklärt Julia Unterberger. Das bedeutet, dass auf jede:n Jugendliche:n ein Mentor, eine Mentorin kommt, der oder die unterstützt. Unterberger leitet den Grazer Ableger des Vereins.

Die Mentorinnen und Mentoren sind 20 bis 35 Jahre alt und betreuen die Jugendlichen in den meisten Fällen ehrenamtlich. Der Verein gibt vor, dass sich die Teams ein- bis zweimal im Monat treffen, dabei können sie ganz unterschiedliche Dinge unternehmen. Mentor:innen haben aktuell etwa die Möglichkeit, “ihre” Jugendlichen ins Kunsthauscafé einzuladen, da Sindbad hier durch Gutscheine unterstützt wird. Als “Nachhilfe”-Projekt versteht sich Sindbad nicht. Der Verein wird durch Spenden, öffentliche Gelder und ein Dienstleistungsmodell finanziert. „Die Idee ist einfach, dass man sich breiter aufstellt und nicht nur über eine Säule finanziert wird”, meint Unterberger bei einem Gespräch in der Villefortgasse, dem Grazer Standort von Sindbad.

Die Mentees

Die Jugendlichen, die zu Sindbad kommen, sind 13 bis 19 Jahre alt und werden durch Workshops an Grazer Schulen angeworben. Die Gründe, warum Jugendliche bei Sindbad mitmachen, sind unterschiedlich. Oft stehen sie an entscheidenden Punkten in ihrem Leben. Einige fühlten sich nach der Corona Pandemie sozial abgehängt und wollen nun neue Kontakte knüpfen, andere sind bereits von zu Hause ausgezogen oder wohnen überhaupt im SOS Kinderdorf. „Es sind tendenziell schon Jugendliche mit einem größeren Rucksack“, meint Julia Unterberger. Manche kommen auch mit dem Gesetz in Konflikt. „Wir schauen immer, inwiefern wir da als ehrenamtliches Programm unterstützen können”, sagt Unterberger.

Hanieh Tafari, welche ebenfalls bei dem Interview dabei war, lebt erst seit 2016 in Österreich. Durch ihre eigene Teilnahme an Sindbad, weiß sie wie sich so eine Begleitung anfühlt. Ihre ehemalige Mentorin Katharina Landl war mit ihr öfter im Annenviertel spazieren, um mit ihr über alles Mögliche zu reden. „Schulisch gesehen hat es mich sehr weit gebracht. Aber ich habe über Sindbad auch viele neue Freundschaften geschlossen“, sagt Hanieh, die noch immer mit ihrer Mentorin in Kontakt steht. Diese hat ihr damals auch bei der Entscheidung zwischen einer Lehre oder einer weiterführenden Schule geholfen. Heute geht Hanieh in die HTBLA Kaindorf.

Sindbad Aktivitäten auf der rechten Seite des Murufers

Fast die Hälfte der Jugendlichen aus den 50 bestehenden Teams, kommen aus den Vierteln Lend, Gries und Eggenberg, wo der Anteil der Bevölkerung mit Migrationshintergrund besonders hoch ist. Einige der Jugendlichen haben auch schon Fluchterfahrung. Die Jugendlichen können sich ihren Mentor, ihre Mentorin im Vorhinein online über Videos aussuchen, persönlich lernen sich die Teams dann beim alljährlichen Kick-Off im Lendhafen kennen, die Betreuung dauert acht oder zwölf Monate.

Kick-Off Veranstaltung mit Landeshauptmann – Foto: Clemens Bender

Auch Zein Eddin Badran aus Syrien und sein Mentor Mahmoud Khalil leben beziehungsweise arbeiten im Annenviertel. Bei dem Gespräch im Grazer Sindbad-Büro in der Villefortgasse erzählen die beiden von ihren Erfahrungen. Seit November letzten Jahres sind Khalil und Badran ein Team und sehen sich ein- bis zweimal im Monat. Auch gemeinsam essen waren sie schon einmal. Mentee Zein Eddin wurde durch die Vorstellung des Vereins an seiner Schule auf Sindbad aufmerksam. Sein Traum ist es, einmal in der IT-Branche tätig zu sein. Sein Mentor Mahmoud arbeitet selbst als Softwareentwickler im Annenviertel und hat seinem Mentee die Möglichkeit vermittelt, die berufspraktischen Tage im Unternehmen zu verbringen. So kann Zein Eddin noch mehr über die Branche erfahren, künftig will er in die HTL Bulme.

Zu Khalils Lieblingsmomenten zählen die Augenblicke, wenn er seinem Schützling über seinen Beruf erzählt und dessen  Begeisterung spürt. „Das bringt so viel Wert für die Menschen, für die Gesellschaft und auch für andere Leute persönlich“, meint Khalil zum Mentoring-Programm. Khalil will anderen Jugendlichen helfen, damit sie die Fehler, die er in der Vergangenheit gemacht hat, vermeiden. Das ehrenamtliche Engagement können die beiden unbedingt weiterempfehlen.

Derzeit werden wieder Mentorinnen und Mentoren gesucht, die Spaß an der Arbeit mit Jugendlichen haben und sich neben ihrem Berufsleben oder Studium ehrenamtlich engagieren wollen. Die Anmeldung erfolgt über die Website und die Frist läuft noch bis zum 6.3.2024. Auch Mentees können sich anmelden.

 

Titelbild: Mentee Zein Eddin Badran und sein Mentor Mahmoud Khalil – Foto: Nina Rauch

 

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