Integrativer Fußball als Tor zur Welt

//
Lesezeit: 3 Minuten

Vor Jahren als Flüchtling nach Graz gekommen, erhielt Ehsan Nawabi dank des Fußballs und des Homeless World Cups die Möglichkeit, in einem Netflix-Film mitzuwirken. Heute arbeitet der gebürtige Afghane selbst mit Migranten. Wie ihm die Leidenschaft für den Sport die Integration erleichtert hat.

von Lisa Strobl und Stefan Schweighofer

Jubelpfiffe tönen aus dem Publikum, die Menge tobt. Während die Spieler einlaufen, wehen die Nationalflaggen der Teams im Wind. Es ist eine Szene aus dem Film “The Beautiful Game”, die aber für Ehsan Nawabi beim Homeless World Cup 2013 in Polen Wirklichkeit war. „Wenn ich eine Woche ohne Fußball lebe, dann ist alles langweilig, ich werde krank“, betont der gebürtige Afghane, der in Eggenberg lebt. Deshalb verbringt er jede Minute seiner Freizeit auf dem Rasen.

Ehsan Nawabi an seinem Lieblingsort: einem Platz zum Kicken

Über den Iran zum Fußballverein

1995 in Oruzgan (Afghanistan) geboren, floh Nawabi im Alter von drei Jahren mit seiner Familie in den Iran und arbeitete dort später als Schneider. Aufgrund der harten Lebensbedingungen  nahm er 2012 die lange und mühsame Flucht nach Österreich auf sich. „Ich konnte kaum Englisch und Deutsch überhaupt nicht – das war schon sehr schwierig”, erzählt er heute. Nawabi hatte Glück, denn im Asylheim “Haus Demiri” in der Keplerstraße angekommen, konnte er rasch einen Deutschkurs besuchen und die Sprache lernen.

Um aus dem eintönigen Alltag im Asylheim auszubrechen, kam Nawabi die Idee, mit seinen Mitbewohnern einen kleinen Fußballverein zu gründen. Sie riefen den FC Hadaf ins Leben. Hadaf ist Farsi und bedeutet Ziel. Ihr Ziel war es, viele Partien zu spielen und mit anderen Menschen in Kontakt zu kommen. „Ich hatte Glück. Ich habe sofort gute Leute gefunden, die mir die richtigen Wege gezeigt haben. Von Ausgrenzung habe ich nur von anderen gehört”, erinnert sich der 29-Jährige. Im Jahr nach seiner Ankunft in Österreich kam er mit dem damaligen Projektmanager des Homeless World Cups (HWC), Thomas Jäger, in Kontakt. Die soziale Straßenfußball-WM, ursprünglich von der Caritas der Diözese Graz-Seckau gegründet, ist heute eine weltweite Organisation mit über 70 teilnehmenden Ländern.

Nawabi als Schiedsrichter beim Homeless World Cup 2013 Foto: Caritas Steiermark

Netflix als Belohnung für den Homeless World Cup

Über die Teilnahme am Event in Poznan (Polen) im Jahr 2013 schwärmt Nawabi heute noch: „Es war ein unvergessliches Ereignis. Noch immer habe ich mit Menschen aus unterschiedlichen Ländern Kontakt.” Auch Nawabi selbst blieb den Verantwortlichen in Erinnerung: „Ich habe einen Anruf von Österreich-Trainer Gilbert Prilasnig bekommen. Er meinte, es gebe da eine Idee, ein Projekt.“ Dieses Projekt war 2021 die Produktion des Netflix-Films “The Beautiful Game”. Er sollte seine Erfahrungen teilen, als Manager mitwirken und noch einmal selbst für eine Statistenrolle am Fußballplatz stehen. “Das war wieder eine ganz andere Erfahrung, eine ganz andere Welt”, blickt Nawabi auf den Dreh zurück. So arbeitete er dort etwa mit dem britischen Filmstar Bill Nighy, bekannt aus “Harry Potter” oder “Fluch der Karibik”, zusammen. „Wir waren dort wie normale andere Schauspieler. In der Früh wurden wir abgeholt, von Make-up-Artisten geschminkt und am Abend zurückgebracht”, erinnert sich der ehemalige Komparse. „Wir haben alles gesehen.”

Schöne Erinnerungen und ein neues Projekt

Am schönsten war für Nawabi aber die Rückkehr vom Homeless World Cup Jahre davor. Im Rahmen dessen wurde das Team vom damaligen Sportminister in einem Grazer Lokal empfangen. „Dort, wo ich herkomme, ist es fast unmöglich, einen Minister oder Ähnliches zu treffen“, erzählt Nawabi.

Heute arbeitet der 29-Jährige bei der Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen. Dort kümmert er sich um Migrant:innen und versucht, ihnen bei der Integration zu helfen. Dabei möchte er auch jedes Jahr neue potenzielle Teilnehmer für den Homeless World Cup finden. Arbeitet er einmal nicht, investiert er seine Zeit in den Verein Panthera Graz in der zweiten österreichischen Futsal-Liga. „Futsal ist gerade das größte Projekt“, meint er. Bei Panthera ist er stellvertretender Sportlicher Leiter und Trainer. Sein Ziel:  Die Liga in nächster Zeit noch bekannter zu machen.

Titelbild: Ehsan Nawabi mit Schauspieler Bill Nighy bei der Produktion des Netflix-Film „The Beautiful Game“ im Jahr 2021 – Foto: Ehsan Nawabi

INFOBOX
Trailer „The Beautiful Game“:

Homeless World Cup:
https://www.homelessworldcup.org/

Schreibe einen Kommentar

Your email address will not be published.

dreizehn + 8 =

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

Vorherige Geschichte

Theater am Lend: Neue Impulse in turbulenten Zeiten

Letzter Post in Allgemein

Eine bärenstarke Saison

Die Gruppenphase der Austrian Division 1, der zweithöchsten Liga des österreichischen Footballs, ging für die Styrian