Noch bis 21.11. findet im Theater im Bahnhof (TiB), im Orpheum und im Heimatsaal der Improcup 2024 statt – das erste Improvisationsfestival des TiB seit der Corona-Pandemie. Was zu erleben ist und was man von Improtheater lernen kann.
„Alles passiert live. Sich auf den anderen einzulassen, seine eigenen Sachen hintanzustellen und dann zu schauen, was man gemeinsam kreieren kann: Das ist das Besondere, das Improvisationstheater ausmacht“, erklärt Beatrix Brunschko. Sie ist Gründungsmitglied des TiB und Professorin an der Hochschule für Musik und Theater Hamburg.
Der Improcup 2024 wird heuer an drei verschiedenen Orten ausgetragen und bringt in fünf „Dynamic Duo-Shows” jeweils zwei Schauspieler:innen zu einem „Blind Date” zusammen, die sich vorher noch nicht gekannt haben. Brunschko wird auf die in Brüssel lebende, griechische Schauspielerin Billy Kissa treffen. Nach nur zwei Videotelefonaten im Vorfeld und einem kurzen Austausch über die Rahmenbedingungen der Szene lernen sich die beiden Impro-Künstlerinnen dann auf der Bühne zum ersten Mal richtig kennen. Gesehen haben sie sich zwar schon einmal vor einigen Jahren beim europaweiten Theaterprojekt „Our Lives“ in Berlin, aktiv Kontakt nahmen sie damals aber nicht auf, obwohl dies für Brunschko eher unüblich ist, erzählt sie. Genau diese verpasste Chance gibt das Motto ihrer gemeinsamen Performance ab: „Cat Ladies: Lonely together“.
Der Name „Cat Ladies” kommt nicht von ungefähr: Sowohl Billy Kissa als auch Beatrix Brunschko sind beide große Katzenliebhaberinnen. Doch der Name ihres Programms hat tiefere Wurzeln: Am Tag vor ihrem ersten Zoom-Meeting hatte Taylor Swift auf Instagram ihre Wahlempfehlung für Kamala Harris abgegeben, in der sie mit „Childless Cat Lady” unterschrieb.
Beim Improtheater können Schauspieler:innen ihren Emotionen freien Lauf lassen – Foto: Johannes Gellner
Vom Theatersport zum Blind Dating
Mit dem traditionsreichen Impro-Montag, vielen Festivals und dem Improcup ist das Theater im Bahnhof ein Kompetenzzentrum in Sachen Improvisationstheater in Graz. Die ersten Improcups waren stark am Theatersport orientiert. Das bedeutet, es wurden andere professionelle Theatergruppen eingeladen, die dann in einer Mannschaft gegen das TiB-Ensemble antraten. Im Laufe der Zeit reduzierte sich der Wettbewerbsanteil drastisch, anstatt ganzer Theatergruppen lädt das TiB einzelne, besonders interessante Schauspieler:innen ein, die sich mit ihrem Impro-Stil deutlich vom TiB-Ensemble unterscheiden. Das macht den Improcup gewissermaßen zu einem Treffpunkt der europäischen Improtheater-Szene. So auch im Jahr 2018, dem letzten Improcup, der als „Improvision Song Contest“ gestaltet war.
Heuer lautet das Motto „Du bist nicht allein“. Spieler:innen aus verschiedenen europäischen Ländern treffen bei ihrem ersten Besuch in Graz auf TiB-Künstler:innen und bringen nach nur zwei Videotelefonaten und maximal zwei Tagen des Herumprobierens völlig neue „Dynamic Duo-Shows” auf die Bühne. Die Kombination verschiedener Persönlichkeiten ist dabei nicht dem Zufall überlassen: „Lorenz Kabas und Sara Šoukal zum Beispiel haben sich schon auf Festivals getroffen, waren fasziniert von der Arbeit des jeweils anderen, und wollten unbedingt einmal miteinander arbeiten”, erzählt Brunschko. „Und Juliette Eröd ist sehr interessiert am Alleine-Arbeiten, Anja Balzer hingegen ein unfassbar kommunikativer Mensch. Die beiden zusammen bilden eine interessante Kombination.“ Brunschko hat für das Festival die Einteilung der Duos gemeinsam mit Jacob Banigan übernommen, der wie Brunschko über viele Kontakte zu Impro-Künstler:innen aus dem Ausland verfügt.
Über Astronauten und die Sensenfrau
Bereits am Sonntag fand die Eröffnungsshow statt, bei der Pia Hierzegger allen Teilnehmer:innen des Improcup je eine (teils sehr) persönliche Frage stellte. Auf Basis dieser Antwort spielten dann andere Teilnehmer:innen eine Szene. Inhaltlich reichte das Spektrum der Szenen von Raumschiffflügen, über die Präsidentschaftswahl in den USA bis hin zur Sensenfrau, die ihrem Opfer mehr Lebenszeit geben möchte, damit dieses mit der Liebe seines Lebens schlafen kann. Jedenfalls lässt sich die Eröffnungsshow als gelungener Auftakt bezeichnen, der das Publikum nicht nur zum Lachen brachte, sondern auch die Teilnehmer:innen des Improcup 2024 vorstellte. Heiter ging es am nächsten Tag weiter, wo ein „Montag Spezial“ das übliche Montags-Programm internationaler und vielfältiger als sonst machte.
Pia Hierzegger entlockte allen Teilnehmer:innen eine persönliche Geschichte. – Foto: Albert Formanek
Am Dienstagabend beschäftigen sich Juliette Eröd und Anja Balzer im Programm „Gschissn Gschmissn: Blöd Gelaufen“ mit der Frage, wie sich die Definitionen von „Trash“ und „Treasure“ von Mensch zu Mensch unterscheiden können. Pia Hierzegger und Oliver Rank suchen in ihrem Programm „Blind Spot“ nach persönlichen Assoziationen zu Liedern, Gedichten und Schlagzeilen.
Vielfalt als kreative Stärke
„Ich glaube, Impro kann bewirken, dass Menschen in ihrer Verschiedenheit gemeinsam arbeiten können, ohne dass der eine den anderen davon überzeugen muss, etwas genauso zu machen wie er/sie das will oder sieht”, sagt Beatrix Brunschko, die Improvisation seit 2022 in Hamburg unterrichtet. „Gerade weil diese Unterschiede da sind, entstehen Dinge, die nur aufgrund dieser Diversität entstehen können.” Mit der internationalen Besetzung des Festivals will sie ein „Aufeinander-zugehen” fördern und diese Botschaft auch an das Publikum vermitteln.
Beim Impromontag führten alle Teilnehmer:innen bei einer Szene Regie. – Foto: Johannes Gellner
Das Festival läuft noch bis zum großen Finale am Donnerstag. Bis dahin können Besucher:innen neben den „Cat Ladies” am Dienstagabend im TiB und Mittwochabend im Heimatsaal vier weitere „Dynamic Duo-Shows” besuchen, die sich hoffentlich als genauso kurzweilig wie die Vorstellungen an den ersten beiden Tagen herausstellen werden.
Titelbild: Am Ende der Eröffnungsshow wurde das ganze Bühnenbild umgebaut. – Foto: Albert Formanek